Nur mühsam widerstand Ari dem Drang, den Schlüssel im Türschloss umzudrehen und die verwirrende Welt dort draußen auszusperren. Stattdessen versuchte sie sich auf die Einrichtung zu konzentrieren, die das geräumige Zimmer ausfüllte.
Durch die hohen Fenster fiel das Licht der sinkenden Sonne herein und tauchte alles in einen warmen, goldenen Schein. Der helle Teppich dämpfte ihre Schritte, während sie langsam das Zimmer durchquerte. Eine Wandseite wurde von einem großen Kamin dominiert, in dem jedoch kein Feuer brannte. Ari war immer noch fasziniert und gleichzeitig geschockt, dass es hier Sommer war.
Hinter einem mit dünnem Seidenpapier bespannten Raumteiler befand sich das Bett. Groß und mit filigranen Schnitzereien wirkte es wie der Prototyp eines Märchenbettes. Die weißen Bettlaken mit der roten Stickerei sahen feminin aus. Gedankenversunken strich Ari über das glatte Material und überlegte, ob das auch schon vorher ihr Zimmer gewesen war.
„Fühl dich wie Zuhause", hatte Ilka gesagt, ihre Mutter. Der kleine Junge war ganz aufgeregt gewesen, als er ihr den Raum gezeigt hatte. Silas hatte ohne Punkt und Komma geredet, war umhergesprungen und hatte sie auf diese oder jene Kleinigkeit aufmerksam gemacht. Nur widerstrebend war er gegangen, als ein Bediensteter Aris Gepäck gebracht hatte.
Ilka hatte milde gelächelt und gesagt: „Lass deine Schwester in Ruhe auspacken."
Ari entwich ein Seufzen, das direkt von ihrem Herzen kam. Ihr Blick wanderte weiter umher und sie entdeckte ein auslandendes Bücherregal, gleich neben dem Fenster. Interessiert las sie die Titel auf den Rückseiten und dachte an Gregoris Märchenbuch. Für einige Augenblicke bekam sie ein schlechtes Gewissen. Eigentlich hatte sie das Buch Hanna zum Lesen gegeben, doch am Morgen war sie schnell in die Bibliothek gelaufen und hatte es an sich genommen. Sie wollte etwas mitnehmen, das sie an die Menschenwelt erinnerte.
Belüg dich nicht selbst, du wolltest etwas von Gregori bei dir haben, schalt ihr Unterbewusstsein sie.
Ich bringe es ja wieder mit zurück, dachte Ari und ging zu ihrer Truhe.
Sie musste sich ablenken, sonst würden ihre wirren Gedanken sich immer weiter im Kreis gehen. Vielleicht fand sie etwas Ruhe, wenn sie sich mit ihren Habseligkeiten beschäftigte. Und vielleicht konnte sie sich davon ablenken, dass sie ganz allein in einer Welt war, die sie einst mit Freuden abgeschoben hatte.
~
Die magische Stunde, in der sich Tag und Nacht für einige Minuten begegneten, brach gerade an. Die Mauern des hohen Gebäudes leuchteten in dunklem Gelb, die in den Stein gemeißelten Verzierungen wirkten lebendig. Es nagten jedoch bereits die ersten Schatten an den Rändern, wurden größer und verschlangen zusehends das Licht der letzten Sonnenstrahlen.
Der dunkle Mann trat unter einem Torbogen hervor und begrüßte den Besucher. Honigfarbene Augen fixierten ihn und die stille Botschaft würde überbracht.
„Ich will über alles, was Sie herausfinden, informiert werden. Und wenn es nur eine winzige Kleinigkeit sein sollte."
Galant verbeugte sich der Mann und versicherte: „Seid unbesorgt Lady, ich werde die Ursache finden."
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Till I Wake Up
FantasyEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...