Lorlen war es, als würde die gesamte Welt um ihn herum stillstehen, während Gregori neben ihm gespannt auf seine Erklärung wartete. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn selbst das Wasser des Brunnens mitten in der Luft verharren würde, nur um kein Geräusch zu verursachen. Der Gedanke streifte ihn flüchtig, dass das in dieser Welt sogar möglich sein konnte.
Er atmete tief ein und seufzte. Wie hatte er nur wieder in diese Situation geraten können?
Dein dummer Stolz hat dich dazu getrieben, schalt ihn eine innere Stimme.
Lorlen hätte am liebsten unwillig gebrummt, denn die Stimme hatte vermutlich Recht. Er war zu stolz gewesen, um Hanna und vor allem sich selbst in Ruhe zu lassen. Stattdessen hatte er es wieder übertrieben und sich somit selbst in dieses Schlamassel hineinmanövriert.
Er würde Gregori sagen müssen, warum er vor einer Beziehung zu Hanna zurückschreckte. Nur widerwillig hatte er sich selbst mit diesem Gedanken abgefunden, dass er sich viel zu sehr für sie interessierte. Sie hatte sich nach und nach in seine Gedanken, seine Träume und schließlich in sein Herz eingeschlichen. Eigentlich hatte ihn Hanna Filimet schon in dem Augenblick fasziniert, als sie über die Schwelle seines Hauses getreten war. Sie war eine außergewöhnliche Person, als Frau wie auch als Magiebegabte.
Lorlen genoss und fürchtete ihre vielen kleinen und großen Streitgespräche gleichermaßen. Genießen, weil sie ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte und so lebendig aussah, wenn sie ihn mit blitzenden Augen und geröteten Wagen zurechtwies. Fürchten, weil er sich und vor allem ihr mit den harten Worten und Beleidigungen oft wehtat.
Gregoris Frage hatte ihn gezwungen über etwas nachzudenken, was Lorlen eigentlich hatte vermeiden wollen. Sein Freund hatte ihn gezwungen, sein verkorkstes Gefühlsleben unter die Lupe zu nehmen und dies hatte Lorlen nur zu deutlich gezeigt, warum es nicht sein konnte.
„Warren und ihre Vergangenheit", sagte er schließlich und sah in Gregoris grüne Augen. Die dunkelblonden Augenbrauen darüber zogen sich zusammen und auf seiner Stirn bildeten sich Falten.
„Und wieso?"
Lorlen seufzte wieder. „Warren ist mein ehemaliger Lehrer und der Meister unserer Zunft. Da er nicht ewig leben wird, muss er bald einen Nachfolger benennen. Was denkst du wird die kleine Hario denken?"
Verständnis huschte über Gregoris Züge, während er antwortete: „So wie du es auslegst, wahrscheinlich das Falsche. Hanna wird denken, dass du sie als Mittel zum Zweck verwendest, als Schlüssel zu Warrens Nachfolge."
„Genau."
„Und was hat es mit ihrer Vergangenheit auf sich?"
„Nun..." Lorlen blickte zu dem sprudelnden Brunnen und versuchte die Verzweiflung niederzuringen, die sich in ihm anstaute. Er wollte nicht über diese Dinge nachdenken oder gar darüber sprechen, denn es war eine sehr schmerzhafte und erniedrigende Angelegenheit.
Hannas Worte hallten ihm nach, die sie ihm letzte Nacht im Traum an den Kopf geworfen hatte.
Sir Lorlen Gratiam, gutaussehender und erfolgreicher Junggeselle. Dazu noch ein Weiberheld wie er im Buche steht.
Sie hatte ihn damit mehr getroffen, als sie geahnt hatte. Es mochte schon stimmen, dass er die eine oder andere Affäre gehabt hatte, aber die waren dünn gestreut und rechtfertigten noch lange nicht, ihn einen Casanova oder dergleichen zu schimpfen.
Als Lorlen merkte, dass er schon fast eine Minute geschwiegen hatte, zwang er sich weiterzureden. „Einmal ist da ihr Erbe. Nicht, dass ich eine üppige Mitgift brauchen würde, aber sie würde es denken. Aber das eigentliche Problem ihrer Vergangenheit sind ihre Narben."
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Till I Wake Up
FantasyEin Fluss verbindet zwei Welten miteinander - die der Menschen, in der Magie Mangelware ist, und die der Emendi, die vor Magie gerade so strotzt. Um auch in ihrer Welt Magie zu wirken behelfen sich die Menschen mit sogenannten Träumern: Emendi, die...