13 ~ Ein Geheimnis

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„Myrtha, du musst mir etwas versprechen." Gregoris Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

„Was?"

„Erzähl keinem von Aris Erwachen."

„Wieso nicht?" Myrtha hielt mitten in der Bewegung inne. Sie war gerade dabei gewesen die Küche wieder in Ordnung zu bringen, als Gregori regelrecht hereingeschlichen war.

„Ich weiß nicht, aber ich habe ein seltsames Gefühl dabei."

Myrtha hob eine ergraute Augenbraue. Es dauerte einige Zeit, ehe sie nickte. „Na gut. Ich vertraue dir Junge. Aber ich sage dir gleich, dass wir das nicht ewig geheim halten können."

„Ich weiß." Gregori verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Arbeitsfläche. Myrtha wischte sich die Hände an einem Tuch ab und ging auf ihren Enkel zu. Liebevoll strich sie ihm über die Wange.

„Ich würde viel darum geben einmal in deinen Kopf reinschauen zu können."

Gregori lachte freudlos. „Glaub mir, dass willst du nicht."

„Dann sag mir eben, was du denkst." Sie ließ ihre Hand wieder sinken.

Er seufzte und sah aus dem Fenster. Der Tag versprach schön zu werden, die steigende Sonne ließ den Schnee glitzern und funkeln.

„Ich weiß nicht, was ich denken soll." Er fuhr sich durchs Haar. „Es ist... einfach unmöglich. Sie sollte nicht wach sein."

„Trotzdem sitzt sie drüben im Esszimmer", antwortete Myrtha geduldig.

„Ja. Was soll ich nur tun?"

Myrtha lächelte und gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter. „Geh rüber und rede mit ihr. Lern sie kennen – wenn du sie so schnell mit niemandem teilen willst."

Gregori schnaubte ungehalten, erwiderte jedoch nichts. Ein spitzbübisches Grinsen erschien auf Myrthas altem Gesicht. „Wie war das doch gleich Gregori? Du selbst hast mir gesagt, dass du ihr bereits versprochen bist."

Myrtha musste sich auf die Wangeninnenseite beißen um nicht in haltloses Gelächter auszubrechen. Was schwierig war, wenn man das vollkommen verdatterte Gesicht ihres Kindeskinds bedachte.

„Das... das...", stotterte er und setzte schnell wieder eine gleichgültige Miene auf. „Unsinn." Nach diesem energisch hervorgestoßenen Wort verließ er annähernd fluchtartig die Küche.

~

Wohl zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Gregori von Herzen malen zu können. Ari wäre das perfekte Modell. Schnell vertreib er diese Gedanken, als er in das kleine Wohnzimmer trat. Sie saß in einem der großen Ohrensessel und sah ins Feuer. Der goldene Schein ließ ihre Haut und ihr Haar lebendig schimmern. Es fiel ihm plötzlich schwer, sie sich als teilnahmslose Träumerin vorzustellen. Sie strahlte selbst in dieser ruhigen Position so viel Vitalität aus.

„Ich will auch nicht mehr teilnahmslos sein." Es dauerte einige Augenblicke, eher er bemerkte, dass sie die Worte tatsächlich ausgesprochen hatte.

„Habe ich etwas gesagt?", fragte er und setzte sich ihr gegenüber.

Sie lächelte ihn zaghaft an. „Nein, aber du hast es gedacht."

„Wie konntest du wissen was ich denke? Ich habe dich nicht in meinen Kopf gelassen."

Ihr Lächeln wurde breiter und das Muttermal verschwand. „Ich brauche keine Einladung, ich bin schon lange dort."

Gregori lief ein Schauer über den Rücken. „Dann weißt du alles, was in meinem Kopf vorgeht?"

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt