79 ~ Nur drei Worte

29 1 0
                                    

Das Gefühl ließ sich am besten mit einem kleinen Stromschlag vergleichen, der Ilka von Kopf bis Fuß durchzuckte.

„Ari", hauchte sie und sprang auf. Unachtsam ließ sie ihr Buch auf den Tisch fallen und eilte aus dem Raum. Ihre Tochter kam zurück und sie würde nicht wie ein altes Mütterchen dasitzen und warten. So schnell sie konnte rannte sie durch den Empfangsraum, riss die Haustür auf und trat hinaus in die Nacht. Sie musste nichts sehen, um zu wissen wo ihr Kind sich befand.

„Ari!", rief sie, entzündete mit einer beiläufigen Handbewegung die Laternen im Hof. Es war eine nette kleine Spielerei, derer sich viele Emendi bedienten. Im goldenen Schein sah sie nun ihre Tochter, zusammen mit Gregori Sileri auf einem Pferd durch das Tor reiten. Das zweite Tier trottete hinter ihnen her, zwei seltsame Bündel auf seinem Rücken. Aber das interessierte Ilka im Moment herzlich wenig.

Ari sah schrecklich mitgenommen, blass und müde aus, doch sie war am Leben und soweit Ilka es beurteilen konnte, war ihr kein Leid geschehen. Sobald die Füße der jüngeren den Boden berührten, zog Ilka sie in eine feste Umarmung.

„Gott sei Dank." Ihre Stimme zitterte, ebenso wie ihre Hände, als sie Ari die roten Locken aus der Stirn strich und sie auf beide Wangen küsste.

„Hallo Mutter", sagte Ari und lächelte sie an.

„Ich hatte solche Angst um dich. Der Gedanke, dich ein zweites Mal zu verlieren..." Sie brach ab und biss sich auf die Unterlippe, um nicht in Tränen auszubrechen.

Gregori war mittlerweile ebenfalls vom Pferd gestiegen und Ilka wandet ihm ihre Aufmerksamkeit zu. Aus einem spontanen Impuls heraus legte sie eine Hand an seine Wange und lächelte.

„Du bist ein guter Mann, Gregori Sileri."

Verlegen erwiderte er ihr Lächeln und berührte ihre Finger. „Danke."

Ilka spürte, dass er die Botschaft hinter ihren Worten verstanden hatte: Sie als Mutter konnte sich keinen besseren Gefährten für ihre Tochter wünschen.

„Mutter", setzte Ari an und löste sich von ihr.

„Was? Geht es dir doch nicht gut? Hast du Schmerzen?" Ilka wurde ganz schlecht. Aber Ari zerstreute ihre Befürchtungen mit einem Kopfnicken in Richtung des zweiten Pferds.

„Wir müssen Lorlen und Hanna ins Haus bringen."

Verwirrt runzelte Ilka die Stirn. „Warum sind sie bewusstlos?"

„Das ist eine längere Geschichte", erklärte Ari in ihren Gedanken und machte sich dran, die zierliche Hanna vom Pferd zu heben. Gregori eilte ihr zur Hilfe und Ilka benutzte Magie, um ihnen zu helfen.

„Es wird wohl auch eine längere Geschichte, wenn ich dich nach deinen Entführern und deiner Befreiung frage."

Statt Ari antwortete Gregori. „Ja, leider. Es..."

„Nein, es ist schon gut. Ich sehe euch an, dass ihr müde seid. Ich kann bis morgen warten." Ihre Tochter und der Conex lächelten beide dankbar, während sie ins Haus gingen. Einer der Bediensteten war zu ihnen geeilt und half ihnen mit den beiden Bewusstlosen.

Im Obergeschoss musste keiner ein Wort sagen, sondern sie trugen Hanna und Lorlen gleich in das Zimmer mit dem breiten Ehebett.

„Es schickt sich nicht", sagte Ilka, lächelte jedoch dabei.

„Wir mussten ein Band zwischen ihnen knüpfen, sonst wäre Hannas Schicksal ungewiss gewesen", erklärte Ari und breitete eine dünne Decke über beide aus. „Ich kann nicht sagen was passieren würde, wenn wir sie räumlich voneinander trennen."

Till I Wake UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt