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Erik's Sicht:

Tick Tack Tick Tack

Im ganzen Haus war es still. Das einzige was ich hörte, war das gleichmäßige Ticken der großen Wanduhr im Wohnzimmer. Ich lag rücklings auf dem Sofa und starrte die Decke an. So ging das schon die ganze Zeit. Ich hatte nur damit aufgehört als ich mit Jonas telefoniert hatte.

Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um eine einzige Person. Genau um die Person, die ich vergessen wollte in der Zeit wo ich in Pirmasens war. Aber es klappte nicht. Ich musste ständig an Leonie denken.

In solchen Momenten der Trauer wurde mir erst immer bewusst, was ich doch für ein Glück mit ihr gehabt hatte. Sie war so wunderschön. So einzigartig. Einfach ein normaler Mensch. Nicht abgemagert. Immer dezent geschminkt, denn mehr brauchte sie nicht.

Ich rieb mir mit den Händen einmal kräftig durch mein Gesicht. Vielleicht würde das helfen irgendwie auf andere Gedanken zu kommen.

„Erik? Was machst du denn hier?" wurde ich plötzlich von der Stimme meiner Mutter aus den Gedanken gerissen.

Ich setzte mich auf und nahm meine Mutter in die Arme. Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen.

„Euch besuchen!" versuchte ich möglichst glücklich rüberzubringen.

„Und wo ist Leonie?" fragte sie weiter.

Oh nein. Jetzt hatte sie einen wunden Punkt getroffen.

„Wo ist Papa?" versuchte ich die Frage zu umgehen.

„Der hat noch ein Geschäftsessen. Aber jetzt sag schon!" drängte sie mich.

War klar, dass sie nicht locker lassen würde.

„Mh..bei Jonas, schätze ich." Irgendwie schaffte ich es nicht die Wahrheit zu sagen. Ich wusste doch ganz genau, dass sie bei ihm war.

„Du schätzt also?" fragte sie spitz.

„Mmhh,- ja!" murmelte ich.

„Jetzt rede mal Klartext. Was ist los, Erik?"

Ich ließ mich zurück auf das Sofa fallen und sie nahm neben mir Platz.

„Wir haben uns gestritten." Fing ich an.

„Und weiter. Seid ihr noch zusammen?"

Genau das war die Frage, die ich nicht sicher beantworten konnte. Ich hatte sie rausgeschmissen, aber es war immer nur von einer Beziehungspause die Rede.

„Ich denke nicht." Ich winkelte meine Beine an und stützte mich auf diesen ab.

„Erik..." sich atmete hörbar aus.

„Es tut mir Leid, Mama!" flüsterte ich und legte meinen Kopf auf ihrer Schulter ab.

„Es muss dir nicht leid tun, Erik. Aber es ist so. Sie ist schwanger. Soll sie das Kind ganz alleine großziehen?"

„Fuck!" schrie ich und legte mir meine Hände vor die Augen.

Ich hatte alles vermasselt. Ich wollte der gute Vater sein. Ich war stolz darauf Vater zu werden. Und jetzt. Jetzt war alles wie eine große Seifenblase geplatzt. Von jetzt auf gleich. Ich fand es schon immer schlimm, wenn Kinder nur bei einem Elternteil aufwuchsen und jetzt sollte es meinem Kind so gehen? Das wollte ich auf keinen Fall.

„Ich liebe sie doch." Sagte ich so leise, dass es eigentlich keiner hören konnte.

Jetzt konnte ich mich nicht mehr halten. Meine Augen wurden feucht. Das letzte Mal hatte ich mir geschworen, dass ich nie wieder weinen werde wegen Beziehungsstress und nun war es schon wieder. Ich wollte alles wieder gut machen. Ich wollte zu ihr fahren, mit ihr reden und mich entschuldigen, aber irgendetwas hinderte mich daran.

„Warum hast du dich von ihr getrennt, wenn du sie noch liebst?" fragte meine Mutter einfühlsam.

Sie hatte es gehört. Sie hörte alles. Aber gut. Ich lag mit meinem Kopf auch auf ihrer Schulter. Es war also nicht ganz so schwer, dass sie mich hören konnte.

„Ich habe irgendwie so im Affekt gehandelt. Aber es ging eher von uns beiden aus. Aber ich habe sie dann aus dem Haus geschmissen." Mit zittriger Stimme antwortete ich ihr.

„Ach Erik. Ich will jetzt auch gar nicht wissen, was bei euch vorgefallen ist, aber wenn du sie wirklich so liebst, dann musst du um sie kämpfen. Alleine wird sie nicht zurückkommen!"

Sie hatte Recht. Aber ich war noch nicht bereit dazu. Und wenn ich jetzt bei ihr antanzen würde, würde sie mir auch nicht verzeihen. Wir brauchten beide Zeit.

„Sei mir nicht böse, aber ich geh jetzt in mein Zimmer. Ich will mich ein bisschen ausruhen und ich habe Jonas versprochen mich noch einmal zu melden. Gute Nacht, Mama!" ich gab ihr eine Kuss auf die Wange und drückte sie an mich, ehe ich aus dem Wohnzimmer verschwand.

Mein Zimmer hatte ich neu eingerichtet, damit ich hier einen schönen Platz im Haus habe, wenn ich meine Eltern besuchen kam.

Ich zog mir eine meiner langen Jogginghosen aus dem Schrank und zog dazu noch weißes T-shirt an. Danach kuschelte ich mich in mein weiches Bett.

Können wir auch skypen? Ist persönlicher:)

Schrieb ich Jonas.

Binnen weniger Sekunden erhielt ich eine Antwort von ihm.

Ich öffnete Skype und rief Jonas an.

*

Er zeigte mir ein Peace Zeichen in die Kamera. Am Hintergrund erkannte ich, dass er noch im Wohnzimmer saß.

„Jonas. Meine Mutter hat mich vorhin daran erinnert, dass Leonie ja schwanger ist und fuck. Was soll ich nur machen?" verzweifelt starrte ich auf den Bildschirm meines iPhones.

„Okay. Mist. Das hatte ich auch vollkommen vergessen. Ihr müsst auf jeden Fall miteinander reden. Leonie zeigt das vielleicht nicht, aber irgendwann kann ihre mh,- sagen wir mal Mauer nicht mehr halten. Bald schon bröckelt ihr Fassade bestimmt und dann fragt sie sich, warum sie so kalt zu dir war." Er war immer so optimistisch.

„Man Jonas. Hör auf mir immer Mut zu machen. Am Ende kommt es eh ganz anders und dann bin ich wieder nur enttäuscht."

„Okay. Ich hör ja schon auf. Ich dachte es bringt vielleicht etwas, aber scheint ja nicht so. Was hat deine Mutter eigentlich gesagt?"

Ich atmete einmal laut aus.

„Nicht viel. Aber sie hat natürlich gleich gemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Sie meinte auch, dass sie nicht unbedingt jetzt alles wissen will, was zwischen uns vorgefallen ist und ich um sie kämpfen soll, weil sie von alleine nicht zurückkommt. Und so wie immer war ich kurz vorm Heulen. Was ist nur los mit mir?"

„Erik. Weinen ist keine Schande. Es zeigt einfach, dass du dieses Mädchen brauchst. Und das weißt du auch selbst. Du sollst nicht immer an typischen Klischees eines Mannes denken. Auch Männer dürfen heulen." Meinte Jonas.

„Ja ich weiß. Ich geh jetzt pennen. Gute Nacht, Joni-boy!"

„Gute Nacht, Rotbäckchen!" er grinst noch kurz in die Kamera.

Danach wurde der Anruf beendet und ich legte mein Handy weg.

Ich hoffte, dass ich jetzt wenigstens schlafen konnte und nicht durchgehend an Leonie denken musste.


Zu schön um wahr zu sein ! (Erik Durm&Jonas Hofmann FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt