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Jonas' Sicht:

Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht freue, dass Leonie da ist, aber dieser ganze Beziehungsstress zwischen Erik und Leonie ging mir gewaltig auf die Nerven. Und ich wurde immer mit rein gezogen. War aber auch verständlich. Leonie ist meine Schwester und Erik mein bester Freund. Komisch, dass er sich noch nicht gemeldet hatte.

„Jonas? Ich gehe ins Bett. Gute Nacht."

„Was? Es ist doch erst 19:00 Uhr!" verwundert sah ich sie an.

„Ich bin die letzte Zeit immer so früh ins Bett und deshalb bin ich jetzt auch schon müde!" mit diesen Worten verließ sie die Küche und verschwand im Gästezimmer, welches nur vier Türen nebenan war.

Laut seufzte ich. Sie war kompliziert. Wenn dieses Ich-geh-um-sieben-Uhr-ins-Bett Ritual sich wirklich über eine längere Zeit hinweg so ereignet hatte, dann verstand ich Erik in gewisser Weise schon, dass er so ausgerastet ist, als sie ihm gesagt hatte, dass die Beziehung nicht mehr so schön ist.

Ich beschloss Erik anzurufen, um einiges zu klären.

*

„Was ist Jonas?" maulte er ins Handy.

„Nicht so freundlich, Herr Durm! Ich wollte mit dir über etwas reden." Ich lachte leicht, um die schlechte Stimmung von Erik zu sänftigen.

Ich hörte kurz Geräusche und ersticktes Gemurmel, ehe ich wieder Eriks Stimme vernahm.

„Hat Leonie dich beauftragt, das zu machen?" er wirkte ziemlich genervt.

„Nein. Die ist eben pennen gegangen. Ich rufe an, weil ich genau wissen will, was zwischen euch jetzt vorgefallen ist. Bis jetzt kenn ich es nur aus Leonies Sicht, aber die lässt ja gerne mal ein paar Details weg."

„Aha. Ist die etwa bei dir?" desinteressiert sprach Erik in das Handy.

„Man Erik. Die hat einen Namen. Und ja ist sie."

„Jaja. Schon klar. Sag mal, hat die in letzter Zeit nicht genug Schlaf gehabt?"

„Wie meinst du das, Erik?" fragte ich verwirrt.

„Alter Jonas. Wenn du es unbedingt willst, dann erzähl ich es dir halt. Alles. Von Anfang bis Ende. Aber es kann ein bisschen dauern."

„Danke. Wirklich." Ich war erleichtert, dass Erik es mir erzählen wollte.

„Aber nur, weil du mein bester Freund bist." Erklärte er schon etwas freundlicher.

„Ich fühle mich geehrt. Also. Leg los." Lachte ich.

„Gut. Also es hat glaube ich eigentlich erst alles damit angefangen, als Leonie ihre ganzen Prüfungen hatte. Sie ist abends richtig früh ins Bett, sodass ich sie gar nicht mehr gesehen habe, als ich nachhause gekommen bin. Morgens ist sie ja auch früh aufgestanden und war schon aus dem Haus, als ich dann wach geworden bin. Tagsüber hatte ich Training und wenn sie aus der Schule gekommen ist, hat sie sofort gelernt. Und gegessen hat sie auch so gut wie nichts. Zusammengerechnet haben wir uns während der Prüfungszeit fast nie gesehen. Und jetzt hatte ich mich gefreut, dass die Prüfungen endlich vorbei sind und wir mehr zusammen machen können, aber nein. Der Erik, der seine Freundin vergöttert, hat sich mal wieder zu früh gefreut. Sie hat sich den ganzen Tag in ihr Zimmer gelegt und hat gelesen. Anstatt mal was mit mir zu machen. Und ich dann wieder, blöd wie ich bin, habe immer nur gefragt, ob alles okay sei und hab mich dann mit ihrer Antwort zufrieden gegeben. Einmal hab ich sie dann darauf angesprochen und dann wirft sie mir sofort ins Gesicht, dass unsere Beziehung nicht mehr das ist, was sie einmal war. Das war mir dann eben alles zu viel. Weißt du. Ich mache alles für sie. Alles, damit sie immer bei mir bleibt. Ich hätte auch schon während ihrer Prüfungen von ihr gehen können, weil wir keine Zeit mehr für Zweisamkeit hatten. Aber habe ich es gemacht? Nein. Und weißt du auch warum? Weil ich sie über alles liebe und mir mein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen kann. Aber sie sieht es anscheinend anders, sonst hätte sie nicht so kalt reagiert, als ich sie rausgeschmissen hatte. Und mir tut es auch leid, was ich gesagt habe, aber ich musste meine Trauer in diesem Moment einfach verbergen."

Mit so viel Ehrlichkeit hatte ich nicht gerechnet. Klar. Wir erzählten uns viel. Aber er hatte mir gerade seine ganzen Gefühle und Gedanken ausgeschüttet.

„Oh man, Erik. Ich bin gerade ehrlich gesagt ein Stück weit überfordert. Mit so viel Ehrlichkeit habe ich echt nicht gerechnet. Aber danke. Danke, dass du mir so vertraust. Das bedeutet mir echt viel. Und ich kann dich verstehen. Voll und ganz. Ich weiß, dass du es mit meiner Schwester ernst meinst und ich bin mir sicher, dass ihr es zusammen schafft, wieder zusammen zu sein." Mit aufmunternden Worten hatte ich es nicht so.

„Wie gesagt. Du bist mein bester Freund, also ist das selbstverständlich. Und nein, ich glaube nicht dass aus uns noch einmal etwas wird. Auch wenn sie zurückkommt, ich bin zurzeit nicht daheim. Also bringt das auch nichts. Und außerdem sehe ich es nicht ein, mich zu entschuldigen. Sie ist der ausschlaggebende Grund dafür, dass wir getrennt sind." Er wirkte enttäuscht. Niedergeschlagen. Wütend.

„Wo bist du?" fragte ich.

Ich hoffte, dass er nicht irgendeinen Mist baute, den er am Ende eh wieder nur bereuen würde.

„In Pirmasens bei meinen Eltern. Ich muss sie ja irgendwie vergessen." Seufzte er.

„Und was hast du deinen Eltern gesagt, warum Leonie nicht dabei ist?"

„Nichts. Sie sind noch nicht daheim. Sie kommen erst in einer halben Stunde oder so. Aber du musst mir helfen. Was soll ich denn sagen? Ich will jetzt auch nicht Leonie als Schuldige dastehen lassen."

„Wie wäre es mit der Wahrheit. Irgendwann bekommen sie es so oder so raus. Sag einfach ihr hattet Streit und dann habt ihr euch getrennt."

„Meinst du wirklich? Also soll ich das mit der Trennung sagen?" er hörte sich irgendwie verzweifelt.

Wenn ich könnte würde ich jetzt zu ihm fahren und ihm helfen. Früher war das alles einfacher. Als wir noch alle in einem Haus wohnten. Aber so. Nein so ging das alles nicht mehr.

„Ja. Du schaffst das schon Erik. Ich glaub an dich."

„Danke Jonas. War schön mal wieder mit dir zu telefonieren. Hab das echt vermisst, Bro. Ich schreibe dir dann oder ruf dich an, wenn ich mit meinen Eltern geredet habe. Ciao."

„Ich hab mich auch gefreut. Aber bald bin ich wieder da und dann können über Probleme persönlich reden, okay? Mach das. Viel Glück. Ciao."

*

Damit war das Gespräch beendet. Ich konnte mich so gut in Erik hineinversetzen. Ich wusste, dass er Leonie liebt. Auch wenn er schon so manche Fehler gemacht hatte. Aber ich hatte bei dem Telefonat gemerkt, wie sehr er an ihr hing. Oh man. Hoffentlich würden die beiden wieder zusammen finden. 


Zu schön um wahr zu sein ! (Erik Durm&Jonas Hofmann FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt