Kapitel fünfundachtzig

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„Mir geht es gut versprochen. Das einzigste was mir gefehlt hat warst du. Ich habe mir solche sorgen gemacht und als ich dich über die Schulter dieses perversen hängen gesehen habe, war ich in einem Zustand wo mir alles egal war. Frag Niall. Ich hatte ihn mit einer Waffe bedroht um dich verdammt noch mal wieder zu finden." beteuerte ich, wenn auch nicht besonders stolz aber ein klein wenig belustigt.

„Und Ja. Sie sind weg. Niall hatte aus sorge die Polizei gerufen und bevor irgendwas passieren konnte, wurde die Hälfte der Arschlöcher verhaftet."

Ich wusste nicht ob Harry überhaupt noch so aufnahmefähig war um das alles zu verstehen, aber ich wollte nicht das er weiterhin solche Angst hatte. Fürs erste waren wir beide sicher und sobald ich meine offizielle Aussage gemacht habe sind wir raus. Harry kann dann auf ein College gehen, erfolgreich werden und frei sein. Er musste nur noch die letzten paar stunden in dieser Hölle sein. Wir beide mussten das.

„Harry? Du kannst dich beruhigen. Wir haben es geschafft." wiederholte ich und blickte ihm dabei eindringlich in die Augen, die schon wieder kurz vor dem zuklappen waren. Ich musste ein wenig schmunzeln, da er echt verdammt süß aussah wenn er versuchte nicht gleich einzuschlafen.

„Ja ich... ich mach nur ganz kurz die Augen zu okay. Aber geh nicht weg." bat er und ich nickte versprechend, aber als ich merkte das seine Augen bereits fest verschlossen waren, schob ich noch ein kleines ,Natürlich bleibe ich hier.' hinterher. Wenn er schlief konnte ich mir vielleicht nochmal seine Wunden ansehen, die mir immer mehr sorgen bereiteten. Später konnten wir noch immer über alles reden was ihm passiert war, aber ich wollte mir wenigstens gewiss sein das es ihm Physisch gut ging. Naja, zumindest halbwegs.

Als ich mir sicher war, das er schlief, stand ich langsam auf und ging schnell ins Bad, um einen im warmen Wasser getränkten Waschlappen zu holen und auch noch Pflaster, Ibuprofen und anderes Verbandszeug.

Ich wollte gerade die Treppe wieder runter gehen als ich mich an den Krankenhaus Besuch erinnerte. Harry schlief nicht ruhig und wenn ich ihn irgendwie verarzten wollte, ohne gleich eine gebacken zu bekommen, musste ich ihn irgendwie ruhig halten.

Ich überlegte. Festbinden war keine Option. Im Zweifelsfall würde es ihn eher noch aggressiver machen. Ihn unter Drogen zu setzten, war auch eher ein no go. Ich könnte versuchen ihn wieder zu wecken, aber eigentlich wollte ich ja gerade das er schläft, da er mich eh nicht am sich ranlassen würde und weil er den schlaf mehr brauchte als jeder andere.

Nein, ich musste es so probieren. Wenn ich ganz vorsichtig wäre und ihn nur an den nötigsten Stellen berühren würde, könnte ich ihn zumindest bei den schlimmsten wunden verarzten.

Ich schlich mich die Treppe also wieder runter, darauf bedacht nicht die knarzenden Stellen unseres Pakettbodens zu berühren und tastete mich so vor ins Wohnzimmer. Auf der Coach lag er noch immer, leise schnarchend und mit seinem Arm quer über seine Taille und Bauch gelegt. Könnte sich dann als kleines Hindernis rausstellen, den Arm von seinem Bauch wegzubekommen, aber ich war einfach mal optimistisch.

Neben ihm sitzend kümmerte ich mich als aller erstes um sein Gesicht. Die Kratzer tupfte ich als erstes vorsichtig mit dem Waschlappen ab und klebte dann nach und nach auf jeden ein kleines Injektionspflaster. Sein blaues Auge konnte ich nicht kühlen, da er da sicherlich aufgewacht wäre und die kleinen Zuckungen und den Drang seiner Arme mich zu ihm zu ziehen, reichten schon als Hindernis.

Ich machte weiter mit seinen Armen. Auch dort waren ein paar Kratzer und ich klebte sie alle sorgfältig ab und besprühte sie mit Desinfektionsmittel. Jetzt kam der lustige teil: seine Seite. Ich wollte am liebsten gar nichts sehen was sich unter seinem Shirt befand, da immer wieder der laute Knall des Schusses in meinem Kopf umherjagte und auch das Bild eines großen Verbandes um seinen Bauch ließ mich nicht los. Trotzdem nahm ich vorsichtig den Stoff zwischen meine Finger und zog ihn langsam nach oben, gut bedacht darauf das er nicht aufwachte.

Als es dann ganz oben war, hielt ich automatisch die Luft an und schloss meine Augen. Ich wollte es am liebsten gleich wieder fallen lassen, als ich die klaffende Wunde darunter sah. Sein Verband war total zerrissen und dreckig, seine Seite schrecklich Blau und aus mehreren stellen quoll Blut. Und nun war es mir klar: Harry war nicht nur so ruhig und müde weil er er zu wenig schlaf hatte, der Blutverlust war das problem.

Ich ließ sein Shirt wieder fallen und ging hektisch in die Höhe seines blassen Gesichtes.

„Harry, Harry, Harry. Hörst du mich? Harry komm du musst aufwachen." sagte ich überfordert und tippte ihn ein wenig auf den Gesicht rum. Seine Augen öffneten sich ganz langsam und auch nur ein Spalt breit, aber er begann auf ein mal müde und schlaff zu lächeln.

„Lewis..." hauchte er so leise da ich es kaum hörte.

„Harry, hör mir zu du darfst nicht wieder einschlafen, okay? Bleib wach. Ich muss die Blutung irgendwie stoppen." wies ich ihn an und sagte das letzte eher zu mir als zu ihm. Ich blickte mich hektisch nach dem beschissenem Verbandszeug um und packte es mit zitternden Händen aus der Plastikverpackung aus.

„Warum sagst du mir auch nicht, das du am verbluten bist du idiot. Du musste mir so ein scheiß verdammt nochmal sagen. Hört du du Schwachkopf?" fluchte ich vor mich hin und blickte den schwitzenden Harry dabei tadelnd an. Ich beeilte mich jede der Wunden zu verschlißen, aber die mussten genäht werden und das konnte ich nicht so wie-... Oh mein Gott, LOTTIE. Lottie konnte nähen.

„Nicht sterben Harry. Ich bin gleich wieder da." befahl ich halb im scherz, halb im ernst. Dann rannte ich zu Lottie ins Zimmer und rüttelte sie wach. Sie wollte mir zwar gleich ihr Buch an die Nase schmeißen, aber ich hielt sie gekonnt davon ab und erklärte ihr schnell die Situation. Sie schaute mich mit so großen Augen an das ich Angst hatte sie ploppten gleich aus ihrem Kopf. Aber sie kam mit.

„Nähzeug ist im Verbandskasten." sagte ich noch und zog sie dann mir mir die Treppe runter. Als sie Harry erblickte zog sie scharf die Luft ein und schlug sich die Hand vor dem Mund, aber ich sagte ihr das es okay ist und sie sich entspannen soll.

„Harry? Lottie wird jetzt deine Wunden nähen. Es könnte sein das es ein wenig weh tut, aber ich bitte dich ganz ruhig zu halten. Desto schneller wir fertig sind, desto weniger Blut verlierst du." erklärte ich und strich eine verirrte Strähne seiner Haare wieder hinter sein Ohr. Er nickte mir schwach zu und ich gab ihn einen Kuss auf seine Fingerknöchel, aber ließ seine Hand nicht wieder los.

„Okay ich bin bereit." sagte Lottie ernst, mit blauen dünnen Gummihandschuhen und einer Nadel und Fanden in der Hand. Dann legte sie los und ich hielt Harrys Hand die ganze Zeit fest.

***

„So... das sollte es gewesen sein, auch wenn Stoff und Haut sehr unterschiedlich zum nähen sind." erklärte sie abschließend mit einem Seufzen.

„Danke. Ich hoffe ihm geht es bald besser." bedankte ich mich und blickte wieder zu Harry. Der hatte seine Augen wieder geschlossen und schmunzelte ein bisschen. Ich lächelte auf ihn herab und gab ihn dann einen Kuss auf die Schläfe.

„Louis, darf ich dich was fragen?"

Ich nickte.

„Wirst du mir irgendwann sagen, was dir und ihm passiert ist?" wollte sie wissen und ich hielt inne. Sie sollte so etwas nie erfahren, aber es war ihr recht zu fragen. Vielleicht wenn das alles mal Jahre zurück liegt und es nicht mehr so sehr weh tat darüber nachzudenken.

„Irgendwann." antwortete ich also und schenkte ihr ein kleines lächeln.

Why? {L.S.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt