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„Ich habe vor allem deinen plötzlichen Sinneswandel nicht verstanden. Ich meine, vor meinem Trip auf die Faröer Inseln warst du noch Feuer und Flamme, wenn ich dir von Elias erzählt habe und danach hat dein Interesse und dein Verständnis schlagartig abgenommen. Was ist denn in dieser einen Woche passiert?", fragte ich meine Freundin. „Einiges", sagte sie nach kurzer Zeit und senkte nachdenklich ihren Blick. „Willst du drüber reden?" Einen leicht genervten Unterton hatte meine Stimme, aber natürlich war ich trotzdem daran interessiert. Zu meiner Enttäuschung meinte Marie allerdings: „Nein. Nicht heute." Ich akzeptierte ihre Antwort, hinterfragte für mich selbst aber trotzdem so einiges. „Vanessa, es ist kompliziert. Es liegt nicht an dir, das sollst du wissen. Ich muss selbst gerade auf mein Leben klarkommen. Ich sage Dinge, die ich vielleicht gar nicht so meine, nur um mich vielleicht auch selbst zu schützen." Sie sprach in Rätseln. „Du weißt, du kannst jederzeit auf mich zukommen, wenn irgendwas ist", wiederholte ich nun in einem weitaus freundlicheren Tonfall, weil ich wirklich merkte, dass sie etwas bedrückte. So gerne würde ich helfen, aber sie ließ mich nicht an sie heran. „Ich freue mich für Elias und dich", schob sie ganz am Ende hinterher und jetzt verstand ich gar nichts mehr. Sie widersprach sich doch selbst, oder was verstand ich nicht?

„Wollen wir die neue Flasche aufmachen?", lenkte ich vom Thema ab und deutete auf den Roséwein, den meine Freundin mitgebracht hatte. Stumm nickte sie. Nachdem ich eingeschenkt hatte, leerte sie ihr Glas in einem Zug. Es tat mir weh, sie so leiden zu sehen, doch ich fühlte mich machtlos. Kurz darauf ging eine Nachricht auf ihrem Handy ein, diese schaute sie sofort an, schluckte schwer und packte es dann ohne zu antworten wieder zurück in ihre Hosentasche.

„Kann ich heute Nacht hier schlafen? Ich glaube, Autofahren sollte ich nicht mehr", meinte Marie. „Klar, kannst entweder hier auf dem Sofa pennen oder theoretisch auch bei Karl im Zimmer. Er ist ja nicht da. Unser Rollladen klemmt nämlich hier im Wohnzimmer, der geht nicht mehr richtig zu. Nicht dass dich morgen die Sonne blendet... Oder du kommst mit zu mir, ich habe auch genug Platz im Bett", zählte ich ihr nacheinander alle Optionen auf. Sie dachte kurz nach und entschied sich dann für Karls Zimmer. Ihre Entscheidung überraschte mich nicht sonderlich. Nach ihrer unverständlichen Andeutung vorhin war es für mich nur logisch, dass sie Ruhe und Abstand wollte. „Karl hat sicher nichts dagegen", versicherte ich ihr. Zusammen machten wir uns im Bad fertig und legten uns dann beide schlafen.

Nachdenklich schrieb ich noch Elias und fasste den Abend kurz zusammen. Er schlief jedoch offenbar schon, also würde er frühestens morgen davon erfahren. Auch ich legte mein Handy beiseite, schaltete das Licht aus und fiel kurz danach ins Land der Träume.

...

„Es war einfach ganz komisch", erzählte ich Elias am nächsten Tag am Telefon. „Aber ich bin stolz auf dich, dass du sie darauf angesprochen hast", meinte er. „Es war wirklich eine Kurzschlussreaktion. Irgendwann bin ich einfach geplatzt", lachte ich. Jetzt konnte ich schon wieder darüber lachen. Vor allem fühlte es sich befreiend an, mit Elias darüber zu sprechen. Ich weiß gar nicht, warum ich mich davor nur so gesträubt hatte. Er war ein super Zuhörer und brachte mich auch in solchen Momenten zum Lachen. „Ich vermisse dich so", sagte ich zum Schluss. „Ich vermisse dich auch! Sehen wir uns morgen?", fragte er. „Auf jeden Fall. Ich liebe dich!" „Ich dich auch. Viel Spaß bei deinen Eltern!" Mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht legte ich auf.

Zehn Minuten später saß ich im Auto, sammelte kurz darauf Alina ein und wir fuhren gemeinsam nach Neumünster. „Wie war's gestern?", fragte meine kleine Schwester. „Richtig komisch. Irgendwas hat Marie, aber sie redet nicht darüber. Scheinbar hat sie aber kein Problem mit Elias und mir", fasste ich auch ihr den Abend kurz zusammen. „Vielleicht datet sie ja auch einen Typen und mit dem stimmt irgendwas nicht", überlegte Alina. Ich konnte ihre Denkweise noch nicht ganz nachvollziehen. Sie führte konkreter aus: „Vielleicht läuft es mit dem Typen nicht so wie sie es sich vorstellt. Also versucht sie deine Beziehung schlechtzureden, damit sie sich besser fühlt." „Aber normalerweise reden Marie und ich über Typen. Sie weiß noch auch von all meinen Dates", grübelte ich. „Das mit Pauli hast du ihr aber nicht erzählt, meintest du. Da fängt es doch schon an. Sie wird schon ihren Grund haben, weshalb sie dir nichts erzählt", redete meine kleine Schwester weiter. „Nachher gibt es gar keinen Typen und es ist was völlig anderes", überlegte ich. „Ja, möglich. Natürlich. Aber für mich liegt es auf der Hand. Glaub mir oder glaub mir nicht." Ich dachte nach: „Wenn es stimmt, dann muss es ja irgendjemand sein, den ich auch kenne. Warum sonst würde sie mir das vorenthalten?" „Hast du eine Idee, wer es sein könnte?" „Nein", sagte ich, „keine Ahnung."

Wir parkten vor dem Haus unserer Eltern. Ich feierte jetzt schon zum vierten Mal meinen Geburtstag und die Hauptfeier stand noch immer aus. Trotzdem freute ich mich unglaublich, meine Eltern und meinen Bruder wiederzusehen. Ich hatte schließlich noch Neuigkeiten zu verkünden. Sie wussten noch nichts von meiner Beziehung. Ob sie sie gutheißen würden, wusste ich nicht, aber zumindest wollte ich ihnen davon erzählen.

Nachdem es Kaffee und Kuchen gab, rückte ich mit der Sprache heraus und erzählte meinen Eltern, dass Elias und ich nun zusammen waren. Zu meinem Erstaunen freuten sie sich für mich - ohne Wenn und Aber. Alina erzählte davon, dass sie ihn jetzt kennenlernen durfte und er „super cool" sei. Meine Eltern setzten sogar noch einen drauf, indem sie fragten, ob sie Elias denn auch kennenlernen dürften. „Klar. Ich habe immerhin auch schon seine Familie kennengelernt. Seine Eltern sind total nett und auch mit seinem Bruder bin ich super klargekommen", erzählte ich mit einem Strahlen im Gesicht. „Du kannst ihn gerne das nächste Mal mitbringen, wenn du herkommst", lächelte meine Mutter und stimmte mich glücklich. Ich war erleichtert, dass es doch so einfach war. Ich hatte mir im Vorfeld viel zu viele Sorgen gemacht.

Am späten Abend fuhren Alina und ich zurück nach Kiel. Das Spiel hatte ich verpasst, auf Insta sah ich aber, dass die Jungs gewonnen hatten. Ich legte mich relativ schnell schlafen, da ich wirklich müde war. Die letzten beiden Tage waren sehr angestrengend gewesen.

Bis Samstag hatte ich noch einiges zu tun und zu organisieren. Ohne Karl wäre ich aufgeschmissen gewesen. Am Freitagabend gingen wir zusammen mit Elias einkaufen und besorgten alles an Essen und Getränken. Der kurze Ausflug verlief unkompliziert. Es gab keine neuen Streits und darüber war ich sehr froh. Erschöpft fiel ich abends ins Bett und kuschelte mich an meinen Freund heran. Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn, dann schlief ich in seinen Armen ein.

Am nächsten Morgen bereiteten wir dann zu dritt die ganze Wohnung vor. Wir machten Salate, kümmerten uns um die Deko, stellten Getränke kalt, räumten auf. Ich schwor mir, dass es die letzte Party war, die ich organisierte. So viel Stress wie ich hatte. Alina wollte etwas früher kommen und mir noch bei den letzten Vorbereitungen helfen. Außerdem hatte ich sie beauftragt, Baguette mitzubringen. Mit einer Freundin, die sie durch ihr Studium kennengelernt hatte, erschien sie pünktlich um 16 Uhr in unserer WG. Ihre Begleiterin stellte sich als Sophie vor. Bislang konnte ich wenig über sie sagen. Sie half aber auch sofort mit.

„Elias, können wir bisschen rausgehen. Ich habe extrem Kopfweh", klagte ich bei meinem Freund. Er gab Karl und den anderen Bescheid, brachte unsere Jacken und wir verschwanden für eine Weile. „Danke!", meinte ich unten auf der Straße zu ihm und griff nach seiner Hand. Wir liefen eine Weile durch die Gegend, doch arg viel besser wurden meine Kopfschmerzen wirklich nicht. „Wir können die Party auch absagen", meinte Elias fürsorglich. „Ach Quatsch, jetzt haben wir so viel organisiert. Vielleicht können wir uns auch eine Weile irgendwo hinsetzen. Vielleicht hilft das", machte ich einen Vorschlag.

„Alles grad sehr viel für dich, oder?" „Das mit Marie geht mir nach wie vor sehr nach. Sie ist meine beste Freundin. Ich will sie nicht verlieren. Ich will ihr helfen, aber ich weiß nicht wie. Ich fühle mich so schlecht deswegen", murmelte ich besorgt. „Zerbrich dir deswegen nicht die ganze Zeit den Kopf. Früher oder später wird sie schon auf dich zukommen", meinte Elias. Doch Marie war nicht das einzige Thema, das mich bedrückte: „Sobald Karl, du und ich aufeinandertreffen, habe ich Angst, dass es wieder Streit gibt. Ich glaube, ich bin schon paranoid." „Aber heute und gestern war doch überhaupt kein Problem. Karl und ich haben die Sache doch geklärt. Er weiß, dass ich nichts mehr von ihm will. Und wenn ich mich nicht völlig täusche, trifft er sich grad hin und wieder mit jemandem." „Hat er dir das gesagt?", fragte ich verwundert, da ich tatsächlich gar nichts davon mitbekommen hatte. „Nein, aber ich habe vor kurzem ein Gespräch zwischen ihm und Eric mitbekommen, da hat er was in die Richtung angedeutet", klärte mein Freund auf. „Ich habe einfach Angst, dass es heute Abend auf irgendeine Art und Weise eskalieren wird. Ich will einfach nur einen schönen Tag haben. Keiner soll mir das kaputtmachen." Elias schaute mich eindringlich an und versprach mir dann: „Wenn es jemand tun sollte, dann werde ich die betroffene Person selbst rauswerfen. Niemand versaut meiner Freundin den Geburtstag - darauf kannst du dich verlassen!"

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt