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Ich war zurück in Deutschland. Ohne Elias, er war noch bei seiner Nationalmannschaft und absolvierte die letzten Testländerspiele vor der anstehenden EM. Die Woche auf den Inseln war sehr schön. Vor allem hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Diese Zeit hatte ich gebraucht. Mir war klar geworden, dass ich Elias die Wahrheit erzählen musste. Allerdings wollte ich dies erst nach der Europameisterschaft angehen, um ihn nicht abzulenken. Wir würden uns in den nächsten Wochen ohnehin wenig sehen. Viel falsch machen konnte ich in dieser Zeit also nicht. Dachte ich zumindest...

Auch in Bezug auf Marie hatte ich mich für die Teilwahrheit entschieden. Ich würde ihr beichten, dass Karl geplant hatte, mit ihr Schluss zu machen und dass ich davon wusste. Alles andere konnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.

Außerdem hatte ich noch eine Rechnung mit Alina und meinen Eltern nach dem miserablen Weihnachtsfest offen. Elias hatte mir Karten für das Spiel der Fähringer gegen Norwegen in Berlin zukommen lassen und da wollte ich mit meiner Familie zusammen hin. Das Spiel war Samstagabend, so konnten wir davor auch noch ein bisschen durch Berlin schlendern.

Es war alles durchgeplant. Gut ging es mir dabei zwar nicht, aber ich wusste, dass ich diese schwere Last nicht noch länger mit mir herumtragen könnte. Es war Sonntagabend, morgen musste ich wieder arbeiten und hatte ich mir fest vorgenommen, danach das Gespräch mit Marie zu suchen. Damit konnte ich zumindest Teil Eins abhaken.

Ich schlief in dieser Nacht sehr unruhig und träumte schlecht. In meinen Träumen hatte ich jeden von mir gestoßen und stand plötzlich alleine da. Zum Schluss hatte mich Karl noch aus unserer gemeinsamen WG geworfen. Dann klingelte mein Wecker. Der Traum hing mir auch auf dem Weg ins Studio noch nach und zog meine Laune nach unten.

Als ich in den Laden kam, wartete Marie bereits auf mich und ließ sich dann in meine Arme fallen. Sie sah überhaupt nicht gut aus. Sie hatte nach wie vor Liebeskummer. Die strahlende, aufgeblühte Seite an ihr war verschwunden. Ich glaube, so niedergeschlagen hatte ich meine beste Freundin noch nie erlebt. „Ich muss später mit dir reden", kündigte ich an. Der Zeitpunkt war nicht optimal, aber ich hatte aus meiner jüngsten Vergangenheit gelernt, dass Abwarten auch nichts half. „Hast du was von Karl gehört?", fragte sie leicht hoffnungsvoll. „Das letzte Mal an Silvester. Aber ich erzähle es dir nachher in Ruhe. Gehen wir nach Feierabend was zusammen trinken?" Sie nickte.

Wir brachten den Arbeitstag beide irgendwie hinter uns, aber so richtig bei der Sache waren wir nicht. Marie hatte ausversehen einen Ordner mit wichtigen Fotos gelöscht und es kostete uns einige Zeit, diese verlorenen Dateien wiederherzustellen. Ansonsten passierte nicht viel.

Um halb sechs machten wir Schluss, schlossen den Laden ab und liefen in die Kieler Innenstadt. In einer Bar ließen wir uns nieder. Noch war hier nicht viel los - der große Andrang würde erst im Laufe des Abends kommen. Vielleicht aber auch gut so, denn das, was ich Marie zu sagen hatte, war nicht gerade schön und das musste auch nicht jeder mitbekommen. Vielleicht wäre für dieses Gespräch ein nicht öffentlicher Raum doch besser gewesen...

Mal wieder kam die Erkenntnis zu spät. Jetzt waren wir schon hier. Wir bestellten uns zwei Cocktails und Marie fragte bei mir nach, ob ich Infos hätte.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", verzögerte ich den Beginn. „Am Anfang", lachte Marie, doch aus ihrer Stimme hörte man schon ihre Unsicherheit und Nervosität heraus. „Wenn der beste Freund und die beste Freundin plötzlich zusammen sind, dann Streit entsteht, dann steht man zwischen den Stühlen und kann nur verlieren", drückte ich mich in Rätseln aus. Das merkte ich aber erst, als Marie meinte: „Sorry, ich verstehe grad nicht ganz, was du mir sagen willst." „Karl ist eine Labertasche... er plaudert sehr viel aus, wenn der Tag lang ist... er redet über Dinge, die er besser für sich behalten sollte... ich habe Dinge erfahren, die ich besser nicht hätte wissen sollen", erklärte ich weiter, doch Maries Blick verdeutlichte, dass sie noch immer nur Bahnhof verstand. „Karl hat mir erzählt, dass er mit dir Schluss machen will", platzte es schließlich ehrlich und direkt aus mir heraus. Schnell schob ich nach: „Ich wusste einfach nicht, wie ich mit dieser Information umgehen sollte." Marie fehlten die Worte. Ich fühlte mich schlecht.

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt