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Wir gingen Burger essen. Während wir auf unsere Bestellung warteten, setzten wir unser Gespräch von eben weiter fort. „Woher kommt deine Angst, dass du soweit gegangen bist und in deinem Studio geschlafen hast?", hakte Karl noch einmal nach. Sein schockierter Gesichtsausdruck dabei verriet schon seine Meinung über diese Aktion. „Ich wollte einfach niemanden verletzen, das war alles", entgegnete ich unsicher. „Seit wann kennen wir uns jetzt, Vanessa? Zwei Jahre, länger? Habe ich dich einmal verurteilt, nur weil du mir kurzfristig abgesagt hast?" „Nein, ich glaube nicht, aber wir waren auch davor noch nie in einer so verzwickten Situation wie dieser. Ich hatte einfach Angst, einen von euch beiden zu verlieren. Und ich konnte einfach keine Entscheidung  darüber treffen, wen ich quasi bevorzugen wollte. Deshalb habe ich so gehandelt", erklärte ich mich. „Ich verstehe nur noch immer nicht, warum du mir nicht gleich gesagt hast, dass du mit Elias schon was ausgemacht hattest. Das hätte ich doch verstanden. Wir hätten einfach einen anderen Tag gefunden", meinte Karl ratlos. Ich seufzte: „Ich weiß es nicht. Wirklich. Das war eine dumme Kurzschlussreakrion, für die ich keine Erklärung habe." Karl akzeptierte diese Antwort fürs Erste.

Unser Essen wurde geliefert und eine schweigsame Stille trat zunächst auf. Ich dachte nach. Karl dachte nach. Ich reflektierte noch einmal mein Verhalten und kam zu dem Schluss, dass es einfach nur dumm war. Ich hätte es früher erkennen müssen.

„Vanessa, eins will ich dir noch sagen", setzte Karl schließlich an, kaute kurz zu Ende und fuhr dann fort: „Elias und du, ihr seid jetzt ein Paar und ich will euch nicht im Weg stehen. Wenn du ihn treffen willst, dann kann ich das nachvollziehen und du sollst wissen, dass ich keinerlei Ansprüche darauf stelle, dich zu sehen und was mit dir zu unternehmen. Wenn wir aber was machen, dann freue ich mich umso mehr. Selbst wenn du nur noch bei Elias abhängen solltest, hätte ich kein Recht dazu, dich für mich zu beanspruchen. Das sollst du wissen." Etwas perplex über seine Worte brauchte ich einen Moment, um mich wieder zu sammeln. Dann sagte ich: „Nein. Nur weil man in einer Beziehung ist, darf man seine Freundschaften nicht vernachlässigen. Bei meiner ersten Beziehung habe ich das getan und das hat nicht nur mich kaputt gemacht, sondern auch die Menschen um mich herum. Manchmal braucht man einfach seine besten Freunde um Leben und da kann ich nicht nach Monaten der Abwesenheit ankommen und verlangen, dass man sich jetzt um mich kümmert. Ich will meine Freundschaften trotz Beziehung pflegen und vielleicht gelingt das mal besser und mal schlechter, aber ich wünsche mir, dass ich dann auch mal einen Arschtritt bekomme, sollte ich es mal nicht auf die Reihe kriegen. Du hast den Anspruch darauf, mich zu sehen und Zeit mit mir zu verbringen. Du bist schließlich mein Mitbewohner!" Karl lächelte bei diesen Worten. Diese Reaktion löste auch bei mir Gefühle der Erleichterung aus. Es war so viel einfacher, ehrlich zu sein und miteinander zu sprechen, als seine Emotionen in sich hineinzufressen und zu überspielen.

Nach dem Essen gingen wir in einer Bar noch was trinken. Danach ging es für uns nach Hause. Ich musste morgen früh wieder arbeiten und Karl hatte eben erfahren, dass er für Harald beim Shooting einspringen musste. So konnten wir morgen zumindest zusammen hinfahren. Karl wusste aber selbst nicht, wer aus seiner Mannschaft noch dabei sein würde. So war es für uns beide eine Überraschung.

...

„Warum weiß ich nicht, dass Elias dabei ist?", überlegte ich beim Herfahren und starrte meinen Freund durch die Autoscheibe an. Er hatte mich noch nicht bemerkt. Marie war gefahren, ich saß auf dem Beifahrersitz, Karl hinten. „Wusstest du davon?", richtete ich die Frage an den Handballer. Dieser schüttelte nur den Kopf. „Vielleicht hat er nicht gecheckt, dass ich die Fotos mache", lachte ich. Karl stieg in das Lachen ein, Marie schwieg. Sie verhielt sich noch immer eigenartig.

Victor nahm uns wieder herzlich in Empfang. Er erinnerte sich noch an mich. Als ich den tatsächlich überraschten Elias dann vor seinen Augen küsste, stieß Victor ein herzliches Lachen hervor. „Hä?", platzte es aus Elias heraus. Er war sichtlich überfordert mit der Situation. Offenbar hatte er hier wirklich nicht mit mir gerechnet. Wir hatten gestern keinen Kontakt mehr, aber dass ich Shootings machte und auch schon für den THW Bilder gemacht hatte, wusste er eigentlich. Karl klopfte ihm auf die Schulter und versuchte ihn ein wenig zu beruhigen. Derweil bauten Marie und ich alles auf, testeten die Lichtverhältnisse und deuteten dann den Jungs an, dass es nun losgehen konnte.

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt