Mittlerweile regnete es in Strömen. Wir stiegen aus dem Auto und liefen schweigend nebeneinander her. Ich steuerte auf unsere Baumgruppe zu. Elias dicht hinter mir. „Warum sucht Karl dich bei mir?", wollte er schließlich wissen. Ja, warum eigentlich? Das war eine sehr gute Frage. Mein Instinkt hatte mich vorhin zu Elias geführt, aber eigentlich hatte er recht - Sinn machte es nicht. „Läuft zwischen euch grad was?", stellte ich ihm stattdessen eine Gegenfrage. Mein Ex blieb stehen und seufzte: „Willst du das wirklich wissen?" Unsicher zuckte ich mit den Schultern. „Karl hat mir das von der Auswärtsfahrt vor kurzem erzählt. Lief seitdem nochmal was?", fragte ich ihn nun sehr direkt. Elias gestand: „Nein, seitdem nicht mehr. Karl hat das auch bereut. Weißt du, dass er dich liebt?" Jetzt war ich perplex. Was? Wusste Elias etwa alles? „Er hat es mir noch an diesem Abend erzählt", schob der Handballer hinterher. Mir stand der Mund offen. „Ich verstehe gar nichts mehr!", klagte ich. „Willst du mir jetzt verraten, warum ihr euch gestritten habt?" Vor lauter Überforderung ließ ich mich in Elias' Arme fallen. Warum ich das tat, konnte ich genauso wenig erklären, wie den Fakt, dass ich nicht mit Karl zusammen sein wollte. Zumindest noch nicht. „Wir haben ja nicht mal richtig gestritten. Es war einfach so komisch."
Und so erzählte ich Elias die ganze Geschichte von Anfang bis Ende. „Elias? Vanessa?" „Karl!", rief ich und löste mich aus den Armen meiner vergangenen Liebe. Überglücklich und erleichtert fiel ich nun meinem Mitbewohner um den Hals. Er war mindestens genauso überrumpelt wie Elias eben schon. „Es tut mir leid!", sagte er sofort. „Mir tut es leid. Alles!", gab ich zurück. Wir waren mittlerweile alle drei total durchnässt. Aber das war egal. Wir hatten uns wiedergefunden und das war alles, was im Moment zählte.
„Ich bin mit dem Auto da. Lass zurückfahren und uns aufwärmen", schlug ich vor. „Ist Eric noch da?" Ich nickte. Karl holte sein Handy aus der Tasche und schrieb seinem besten Freund, dass wir uns gefunden hatten. Elias trabte neben uns her. Man merkte, wie unangenehm die Situation für ihn war. Karls Vorschlag machte die Lage für ihn wahrscheinlich nicht besser: „Komm doch mit zu uns! Eric freut sich sicherlich auch darüber. Wir könnten Magnus und Rune auch noch schreiben."
Tatsächlich entschied sich Elias dazu, mit uns nach Hause zu fahren. Die beiden Linksaußen hatten so spontan leider keine Zeit. Eric staunte nicht schlecht, als wir auf einmal mit Elias im Schlepptau zuhause ankamen. Er war erleichtert, dass uns nichts passiert war. Wir erzählten ihm erstmal die ganze Geschichte. Danach spielten wir Brettspiele. Es war ein super lustiger Abend, keiner redete mehr darüber, was zuvor vorgefallen war und wir alle hatten eine Menge Spaß. Um halb zwölf brach Eric schließlich auf und nahm auch Elias mit. Dadurch waren Karl und ich wieder alleine und wir konnten endlich einmal in Ruhe quatschen.
In Löffelchenstellung lagen wir in seinem Bett. Endlich rückte ich mit der Wahrheit heraus: „Ich finde es mega schön, was gerade zwischen uns passiert. Ich hätte es bis vor kurzem auch nicht für möglich gehalten. Und ich glaube genau deshalb bin ich grad auch so eigenartig. Ich habe das alles für mich selbst noch nicht verarbeitet. Ich will nichts überstürzen. Und trotzdem will ich so weitermachen, wie es jetzt gerade ist. Verstehst du das?" „Ich verstehe es total. Mir geht es nicht anders. Vielleicht habe ich schon länger Gefühle für dich als du für mich, aber wir kommen beide erst aus einer Beziehung und wir sollten es langsam angehen." „Vorhin haben mich deine Worte überrumpelt... Aber... ich... also... ich glaube, ich liebe dich auch. Sehr sogar." Da es gerade dunkel war und ich Karl auch nicht in die Augen schauen musste, kamen die Worte leicht aus mir heraus. „Du glaubst?", hakte er nach, und ohne dass ich es sah, wusste ich, dass er gerade schmunzelte und sich über mich lustig machte. Das liebte ich an ihm. „Ich glaube, ich bin mir sicher", provozierte ich bewusst, drehte mich um und küsste ihn.
Es blieb beim Küssen. Wir waren beide müde und erschöpft vom heutigen Tag. Es war viel passiert. Wir beschlossen, morgen nochmal in Ruhe zu reden. Kurz vor dem Einschlafen, sprach ich eine Sache aber doch nochmal an: „Was bedeutet dir Elias noch?" Karl seufzte. „Ich weiß, er sollte mir nichts bedeuten", sagte er und stoppte an dieser Stelle. Er fuhr an diesem Abend auch nicht mehr fort, weil er beim Nachdenken wohl eingeschlafen war. Sein Atem ging gleichmäßig und sein Griff wurde schwächer. Die Bestätigung, dass er wirklich schlief...
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Sweet Lies
FanfictionEine Beziehung, die bereits auf einer Lüge aufbaut, kann keine Zukunft haben. Das weiß auch die 23-Jährige Vanessa, doch der Reiz und die Versuchung ist größer. Sie kann einfach nicht widerstehen, auch wenn sie genau weiß, dass ihr Verstand etwas An...