„Eigentlich dachte ich, das gestern würde ein lustiger Abend werden", teilte ich Elias am Nachmittag mit. Ich saß auf seiner Arbeitsplatte und schaute dabei zu, wie er Gemüse schnibbelte. „Dachte ich auch", entgegnete er und sah zu mir auf, „Habe ich überreagiert?" Ich schüttelte den Kopf und meinte: „Gestern habe ich es so empfunden, aber nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, bin ich nun anderer Meinung. Es kam einfach falsch bei dir an und ich hätte an deiner Stelle wahrscheinlich genauso reagiert. Und Karl hat wirklich bisschen provoziert." „Beruhigt mich, dass du das so siehst. Und Karl tut äußerlich immer so, als würde ihn unsere Beziehung nicht stören, aber innerlich sieht es bei ihm ganz anders aus. Vielleicht mag er es sich selbst nicht eingestehen, dass er immer noch Gefühle hat." „Wann habt ihr das letzte Mal geredet? Also so richtig?", wollte ich wissen. „Ist schon länger her. Vor den Faröer Inseln auf jeden Fall. Klar, wir sprechen im Training immer, aber halt eben sehr oberflächlich." Elias erhitzte in einer Pfanne Öl und gab kurz darauf das kleingeschnittene Gemüse dazu. Er stellte sich vor mich hin, legte seine Hände auf meine Oberschenkel und küsste mich.
„Elias, das Essen!", erinnerte ich meinen Freund, der zu fokussiert auf mich war. Er lachte und ließ von mir ab. Ich nutzte die Gelegenheit und deckte schon einmal den Tisch. Den Abend heute wollten wir gemütlich ausklingen lassen. Einfach mal wieder nur zu zweit. „Hast du mal wieder was von deinen Eltern gehört oder von deiner Schwester? Wie geht es ihr?" „Alina geht's gut. Wir wollten nächste Woche mal wieder was zusammen machen nach ihrer Vorlesung. Und mit meinen Eltern hatte ich seither eigentlich keinen Kontakt. Ich habe ihnen Bilder von den Faröer Inseln geschickt, da haben wir kurz geschrieben. Das war's aber auch. Vielleicht fahre ich mal wieder hin, wenn ihr ein weiteres Auswärtsspiel habt und über Nacht weg seid", brachte ich meinen Freund auf den neusten Stand. „Ich würde sie ja wirklich gerne kennenlernen, aber alles mit seiner Zeit", lächelte Elias. „Wenn du willst, kannst du Alina kennenlernen. Sie findet dich toll", schlug ich grinsend vor. „Klar, warum nicht!" Elias schien sich wirklich darauf zu freuen. Ich glaube, in seiner Kultur war es etwas ganz Alltägliches - da kannte man die Eltern des Partners ja meist schon vor dem Partner selbst.
Unser Essen duftete herrlich. Wir nahmen Platz, Elias verteilte die Portionen auf unseren Tellern und wir wünschten uns einen guten Appetit. Ich liebte diese lockere Stimmung aktuell zwischen uns - gestern noch das große Drama und heute schon wieder Entspannung pur. Das liebte ich an Elias. Er war alles andere als nachtragend und das war eine bewundernswerte Eigenschaft, die ich aus meiner letzten Beziehung ebenfalls nicht kannte. Mit seinen Aussagen bestätigte er mir auch immer wieder, dass er kein Interesse mehr an Karl hatte. Das beruhigte mich natürlich auch ungemein.
Nach dem Essen legten wir uns auf sein Sofa, kuschelten uns in eine Decke ein und entschieden uns gemeinsam für einen Film, den wir anschauen wollten. Mein Kopf lag auf Elias' Schulter. Ich fühlte mich an seiner Seite sicher und geborgen.
„Ich kam mir gestern so nutzlos vor", kehrte Elias nochmal zum vorigen Thema zurück. „Warum nutzlos?" „Die anderen haben dir alle Tipps gegeben und sich in das Gespräch eingebracht - und ich wusste nicht mal, wovon überhaupt gesprochen wurde", klärte er auf. Ich verstand, was er meinte. Ich hatte es nur zu seinem Besten getan, aber der Schuss war völlig nach hinten losgegangen. „Können wir nicht einfach einen Haken an den Abend setzen? Ich glaube, wir haben jetzt genug darüber gesprochen", machte ich einen Vorschlag. Elias nickte. Ich kuschelte mich wieder an seine Brust und schlief kurz darauf in seinen Armen ein. Kurz bevor der Film aus war, wachte ich erst wieder auf.
„Komm, lass uns schlafen gehen", meinte Elias zu mir. Das taten wir auch, denn wir waren beide müde. Es war ein schönes Gefühl, wieder neben ihm einschlafen zu können. Ich hatte es vermisst - ich hatte ihn vermisst.
Am nächsten Tag stand das Bundesligaspiel am Nachmittag an. Die Zeit davor verbrachte ich weiterhin mit Elias. Wir gingen eine Runde um den Block spazieren, traten aber schnell wieder den Rückweg an, als es anfing zu regnen. „Ich möchte einen schönen Abend mit deiner Mannschafg verbringen. Was hältst du von einer Party?", fragte ich meinen Freund. Ich hatte nächstes Wochenende nämlich Geburtstag und daher würde sich das gut anbieten. „Ja, warum nicht?" Elias schaute schnell in seinem Spielplan nach - natürlich machte uns dieser aber einen Strich durch die Rechnung. Die Jungs hatten quasi alle drei Tage ein Spiel. „Eventuell an dem Freitag nach dem Paris-Spiel. Da spielen wir in Kiel und am Sonntag ist auch wieder Heimspiel. Das würde gehen", teilte er mir mit. Ich schaute selbst in meinen Kalender und sah eigentlich nichts, was dagegen sprechen würde. „Dann hätten wir auch genug Zeit zu planen", überlegte ich. Bis dahin waren es knappe zwei Wochen. Nächste Woche Samstag war mein Geburtstag.
„Lerne ich dann deine Schwester endlich kennen?", fragte Elias ungeduldig. Ich musste lachen. „Vielleicht können wir ja schon ein Treffen davor arrangieren. Wie wäre es zu meinem Geburtstag nächsten Freitag, dann könnten wir in meinen Geburtstag reinfeiern", schlug ich vor. „Samstag fliegen wir nach Stuttgart, aber erst nachmittags, ja sehr gerne", lächelte mein Freund. „Super! Dann frage ich Alina mal, ob sie Zeit hat." „Das will ich doch hoffen", grinste Elias, „Und sonst muss sie sich Zeit für den Geburtstag ihrer großen Schwester und für das erste Aufeinandertreffen mit ihrem neuen Freund nehmen!" Ich musste darüber schmunzeln, wie sehr sich Elias auf die Begegnung freute. Für Deutsche war das jetzt nicht unbedingt gewöhnlich. Ich hoffte nur, er würde nicht enttäuscht werden.
Wir fuhren pünktlich los, sodass Elias rechtzeitig in der Halle war. Er drückte mir mein Ticket in die Hand und verschwand durch den Sportlereingang nach innen. Ich wollte gerade zum Haupteingang, da kam Magnus mir entgegen. Wir nahmen uns kurz in den Arm und er fragte dann, wie es mir gehe. „Wir konnten alles klären. Elias ist da super entspannt. Karl ist glaub der härtere Brocken", machte ich dem Dänen klar. „Das ist auch im Training so", lachte der Handballer, „Karl darfst du nichts sagen, er ist schnell eingeschnappt." „Er hat das doch gar nicht nötig. Ich weiß auch nicht, sein Verhalten widerspricht seinen Worten. Er sagt immer, er gönnt mir das alles mit Elias und die Beziehung, aber dann passiert halt sowas wie am Freitag." Magnus meinte: „Kannst du dir erklären, warum er sich so verhält?" Ich nickte. Ich kannte die Erklärung nur zu gut. Und irgendwie bekam ich das Gefühl, auch Magnus würde die Wahrheit kennen. Sein Blick deutete irgendwie daraufhin. „Ich muss rein, sonst muss ich Strafe zahlen", wechselte er das Thema. Ich wünschte ihm viel Erfolg und ging nachdenklich die Treppenstufen nach oben.
Ich setzte mich auf meinen Platz und beobachtete das Treiben auf dem Spielfeld. Noch war es ruhig in der Halle. Ein paar Helfer erledigten unten die letzten Reste, bereiteten die Technik vor und nach und nach füllte sich dann auch die Arena und die ersten Spieler kamen auf das Feld. Karl steuerte direkt auf mich zu. Gestern hatten wir nicht mehr gesprochen und den Tag heute hatte ich bei Elias verbracht. „Es tut mir leid wegen Freitag!", entschuldigte er sich mehrfach bei mir. Ich nahm ihn in den Arm und beruhigte ihn. Er war richtig aufgewühlt deswegen. Das merkte man ihm an und genau deswegen hatte ich Bedenken - er sollte sich auf das anstehende Spiel konzentrieren und nicht darauf, was er am Freitag falsch gemacht hatte. „Karl, hey, ich hab alles mit Elias geklärt. Ich wollte ihn aus der ganzen Geschichte raushalten, vielleicht hätte ich dir das sagen sollen. Gib dir bitte nicht die Schuld dafür!" „Magnus gibt sie mir offensichtlich", brummte er. „Weiß er das mit Elias und dir?", fragte ich meinen Mitbewohner ganz direkt. Der Blick vorhin, seine Worte, die schnelle Flucht - es deutete viel darauf hin. Karl seufzte: „Er hat uns relativ zu Beginn erwischt. Nach dem Training beim Duschen. Er hat nie wieder ein Wort darüber verloren."
„Ich hatte es mir gedacht", sagte ich, nachdem ich kurz gegrübelt hatte. Es war die falsche Zeit und der falsche Ort, um über dieses Thema zu sprechen, aber eine letzte Frage hatte ich noch: „Du hast das am Freitag aber nicht gemacht, um Elias und mich auseinanderzubringen, oder?" Schockiert blickte der Schwede mich an: „Das meinst du doch nicht wirklich?" „Ich weiß langsam gar nicht mehr, was ich denken soll. Aber nein, eigentlich glaube ich es nicht. Dafür kenne ich dich zu gut. Du würdest viel tun, um das zu bekommen, was du willst, aber du würdest nicht über Leichen gehen. Das weiß ich!", machte ich ihm klar. „Ich muss zu den Jungs nach unten, wir laufen uns gleich warm", meinte er im Anschluss, „Sehen wir uns heute noch oder bleibst du bei Elias?" „Ich denke, ich komme heute heim. Viel Erfolg euch!", rief ich Karl zu und schaute ihm hinterher, wie er zügig die Treppen zum Spielfeld nach unten lief. War die Frage zu viel gewesen?
...
Die Jungs gewannen das Spiel und in der Halle herrschte eine ausgelassene Stimmung. Ich schaute zu Elias und musste lächeln, als ich sah, wie er Arm in Arm mit Karl durch die Halle lief. Noch immer hatte ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir alle drei miteinander auskommen würden. Gefühle hin oder her. Ich glaubte an uns und unsere besondere Bindung zueinander. Ich wollte beide Jungs in meinem Leben haben! Elias UND Karl!
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Sweet Lies
FanficEine Beziehung, die bereits auf einer Lüge aufbaut, kann keine Zukunft haben. Das weiß auch die 23-Jährige Vanessa, doch der Reiz und die Versuchung ist größer. Sie kann einfach nicht widerstehen, auch wenn sie genau weiß, dass ihr Verstand etwas An...