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Zurück in Kiel verkroch ich mich in meine Wohnung, verbarrikadierte mich in meinem Zimmer und kam an diesem Tag auch nicht mehr raus. Ich hatte noch kurz mit Elias über den gestrigen Abend geschrieben, dann musste er allerdings schon zum Abendessen aufbrechen. Spät in der Nacht, nachdem ich lange Zeit nicht einschlafen konnte, hatte ich mich dazu entschieden, Karl auf allen sozialen Medien wieder zu entblocken. Mal schauen, wann er merken würde, dass ich für ihn wieder erreichbar war.

Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker sehr früh. Sofort begriff ich, dass Montag war und ich zur Arbeit musste. Ich war gespannt, ob Marie mal wieder auftauchen würde. Seit unserem Abendessen letzte Woche hatte ich sie nicht mehr gesehen... und danach war ja noch so einiges passiert!

Ich besorgte mir ein belegtes Brötchen und einen Coffee-To-Go beim Bäcker und parkte mein Auto vor dem Studio. Direkt registrierte ich, dass auch Maries Auto hier stand. Gespannt stieg ich aus und lief in unseren gemeinsamen Laden. „Hey", sagte sie leise und vertiefte sich wieder in ihren Laptop. „Schön, dass du wieder da bist", brachte ich ihr entgegen. Ich war mir allerdings sehr unsicher in dem, was ich tat und sagte. Ich hatte mit Karl geschlafen, nachdem die beiden einen Tag zuvor ihr klärendes Gespräch hatten. Dass Marie Liebeskummer hatte, wusste ich nicht erst seit heute. Noch immer hoffte sie darauf, dass Karl es sich anders überlegen würde und vielleicht in diesem Moment nur überreagiert hatte. „Wie war Berlin?" „Schön", meinte ich, „Habe auch endlich wieder mehr Zeit mit meiner Familie verbringen können. Das Debakel an Weihnachten haben wir auch aufgearbeitet." „Gut", entgegnete sie mir knapp. „Wie war dein Wochenende?" Marie schien kein wirkliches Interesse daran zu haben, mir etwas zu erzählen. Also vertieften wir uns beide in unsere Arbeit und waren froh, wenn hin und wieder Kundschaft unseren Laden betrat.

Heute Nachmittag stand auf meiner Agenda noch ein etwas größeres Familienshooting. Das kam mir wirklich nicht ungelegen, so musste ich schon keine Zeit mit meiner eigentlich besten Freundin verbringen. Kurz vor diesem Termin ging eine Nachricht auf meinem Handy ein. Na super, ausgerechnet jetzt...

Karl: Ich darf wieder mit dir kommunizieren?
Vanessa: Hör bloß auf, mir jetzt irgendwelche Vorwürfe zu machen🙄 ich weiß echt nicht, wo mir gerade der Kopf steht
Karl: Habe gesehen, du warst bei Elias
Vanessa: Er ist mein Freund, falls du das vergessen haben solltest
Karl: Ich sage doch gar nichts
Vanessa: Karl, bitte... gib mir Zeit. Außerdem habe ich jetzt ein Shooting. Die Familie sollte jeden Moment hier sein
Karl: Okay, nur eine letzte Frage... ahnt Elias was?
Karl: Er hat mir gestern so eine eigenartige Nachricht geschrieben

„Guten Tag, wir haben uns für das Familienshooting angemeldet."

Fuck! Ausgerechnet jetzt! Schnell tippte ich ein „Was?" in meine Tastatur, vergaß in der Hektik aber die Nachricht abzuschicken. Schlagartig wurde ich nervös, doch ich durfte mir jetzt nichts anmerken lassen. Ich musste professionell wirken und die Ruhe bewahren. Leichter gesagt als getan.

...

„Auf Wiedersehen und vielen Dank nochmal!", verabschiedete ich meine Kundschaft nach knappen zwei Stunden. Marie war schon in den Feierabend aufgebrochen. Sie hatte heute Nachmittag keine Termine mehr gehabt. Sofort nahm ich mein Handy zur Hand, sendete die längst überfällige Nachricht an Karl ab und wartete ungeduldig auf seine Antwort. Nachdem ich zehn Minuten später jedoch noch immer nichts von ihm gehört hatte, wusste ich, dass er im Training war. Karl war zuverlässig, wenn es um Nachrichten ging. Er war quasi dauerhaft am Handy.

Leicht deprimiert packte auch ich meine Sachen zusammen und schloss den Laden ab. Was sollte ich den restlichen Abend tun? Meine Schwester war schon wieder mit ihren Uni-Freunden unterwegs, Elias war in Berlin und Karl in Mannheim. Zuerst ging ich allerdings einkaufen, da unser Kühlschrank daheim nicht mehr viel zu bieten hatte. Währenddessen überlegte ich, was ich heute zu Abend essen würde. Ich entschied mich für einen einfachen Salat mit Pute. Das war schnell vorbereitet. Beim Bezahlen an der Kasse sah ich, dass ich eine Nachricht von Karl hatte. Sofort wurde ich nervös. Hektisch hielt ich mein Handy an das Kartenlesegerät und wartete auf das erlösende Piep. Ich schaute weder links noch rechts, so vertieft war ich in die Nachricht, die der Schwede mir hinterlassen hatte. Es war ein weitergeleiteter Text von Elias an ihn:

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt