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„Das glaubst du doch wohl selbst nicht", machte ich Elias deutlich. „Das ist aufgesetzt. Ich sehe da nichts Echtes dran", konkretisierte ich. Maries Ex-Beziehung war das harmonischste, was ich bisher in meinem Leben gesehen hatte. Sie war zweieinhalb Jahre mit ihrem Freund zusammen, dann musste dieser berufsbedingt ins Ausland und beide haben nach ein paar Monaten entschieden, dass sie keine Fernbeziehung führen konnten. Ich vermute, das war auch ein Grund dafür, dass sie meine Beziehung mit Elias, beziehungsweise generell eine solche Beziehung mit einem der besten Handballspieler der Welt derart infrage stellte. Sie hatte keine guten Erfahrungen mit einer räumlichen Trennung gemacht, das bedeutete aber noch lange nicht, dass es bei mir genauso wäre. Außerdem wusste ich, dass sie noch immer Gefühle für ihren Ex-Freund hatte. Die beiden hatten nach wie vor Kontakt, was mich schon sehr beeindruckte, und sie schwärmte ständig von ihm und seinem Leben. Marie war nicht der Typ dafür, Deutschland den Rücken zu kehren. Sie war sehr heimatverbunden. Ein weiterer Grund, eine Handballerbeziehung schlechtzureden. Ich war mir sicher, dass wenn ihr Ex zurück nach Kiel kommen würde, die beiden wieder zusammenkämen. Dafür waren von beiden Seiten aus einfach noch viel zu viele Gefühle im Spiel. Das erzählte ich Elias, Niko und Magnus. Gerade kamen Eric und Sven zurück. Sie hatten eine Runde Glühwein für alle im Gepäck. Sogar für Karl und Marie. Daraufhin lösten sich die beiden voneinander und wir bildeten einen großen Kreis.

„Oh man, ich werde euch alle so vermissen, wenn ihr bei der EM seid", meinte ich in die Runde. Elias hatte sich mit den Faröer Inseln qualifiziert, Niko war mit den Österreichern dabei, Magnus mit Dänemark und Eric und Karl natürlich mit der schwedischen Nationalmannschaft. Auch Samir und Harald, die in dem ganzen Marie-Karl-Drama untergingen, waren mit ihrem Heimatland unterwegs. „Ich bleibe in Kiel, wir können gerne zusammen was unternehmen", lachte Sven und legte freundschaftlich seinen Arm um mich. „Das Angebot werde ich bestimmt annehmen", lachte ich. Danach erinnerte mich Marie daran, dass sie ja auch hier sei. Ich glaubte nur noch nicht ganz daran, weil so wie es jetzt schien, würde sie Karl auf Schritt und Tritt folgen. Ich nickte es ab und sammelte gemeinsam mit Sven schon Ideen für irgendwelche Abendprogramme.

„Wir würden es packen", meinte Marie und griff nach Karls Hand. Ich verdrehte meine Augen, schaute dabei in eine andere Richtung - verdrehte meine Augen dann gleich nochmal, denn ich sah in einiger Ferne Maurice, meinen Ex-Freund stehen. „Mein Ex ist da!", meinte ich genervt zu meinem neuen Freund und deutete mit dem Kopf in die besagte Richtung. Marie umarmte mich in dem Moment stürmisch und diesmal wäre mein ganzes Glas fast zu Bruch gegangen. Währenddessen flüsterte sie mir etwas ins Ohr: „Vanessa, ich bin so, so, so glücklich!" Ich quittierte ihre Aussage mit einem müden Lächeln. Ich wollte ihr die Euphorie nicht nehmen, denn ihr Blick sprach Bände. Das, was sie sagte, meinte sie auch so. Sie war wirklich glücklich mit Karl. Ich war mir nach dem heutigen Abend nur nicht so ganz sicher, ob das auch tatsächlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Karl wirkte irgendwie nicht mehr wie er selbst.

Eric war sehr erleichtert, nachdem unser neues Traumpaar gegangen war. „Ach Vanessa, ich weiß ja nicht", seufzte er, „Für mich passen die beiden so gar nicht zusammen." „Marie meint es ernst mit ihm. Das habe ich ihr angesehen, aber Karl... Ich weiß auch nicht", meinte ich zu ihm. „Er ist nicht er selbst. Er redet ja kaum noch ein Wort mit uns", fuhr Eric fort. An dieser Stelle hakte ich nach: „Nur heute oder fällt das auch im Training auf?" „Im Training jetzt nicht gerade, da sind wir mit anderen Dingen beschäftigt. Aber nach dem Training in der Kabine." „Das sehe sogar ich", mischte sich nun Harald ein, der bisher eigentlich nur geschwiegen hatte. Er und Samir hatten das Ende mit Team Karlie gerade eben verpasst, da sie sich gebrannte Mandeln geholt hatten. Immerhin durften wir uns an ihrer Ausbeute bedienen. „Die beiden kosten mich grad so viele Nerven, ich will mich da eigentlich gar nicht so reinsteigern, aber trotzdem tue ich es", seufzte ich niedergeschlagen. Elias legte einen Arm um mich und drückte mir einen Kuss auf den Kopf. „Die beiden werden schon noch zur Besinnung kommen, da bin ich mir sicher", lächelte Niko und ich bewunderte schon wieder seine positive Denkweise. Er war Optimist durch und durch. Das zu sehen war schön.

Der restliche Abend verlief friedlich und wir hatten noch viele andere Themen, über die wir reden konnten. Ich fühlte mich in dieser Gruppe so unglaublich wohl. Elias und ich fuhren mit dem letzten Bus nach Hause. Wir waren beide sehr gut angetrunken und so gab es daheim gleich die nächste Runde Sex. Wir konnten es einfach nicht bleiben lassen. Danach schliefen wir Arm in Arm ein.

...

Die Zeit bis Weihnachten war noch sehr stressig. Sehr viele Leute kamen mit irgendwelchen Anliegen zu uns ins Studio, brauchten noch kurzfristige Weihnachtsgeschenke und waren sehr ungeduldig. Marie und ich kamen mit unserer Arbeit kaum hinterher. Es hatte aber auch eine gute Seite, denn so blieb uns nur wenig Zeit für Privatgespräche und ich konnte das Thema mit ihr und Karl etwas in den Hintergrund drängen. Sie war jedenfalls gerade öfters bei uns in der WG als ich selbst.

Es war die letzte Woche vor Weihnachten und unser letzter Arbeitstag. Heute Abend spielten die Jungs ihr letztes Spiel vor der Winterpause gegen den TSV Hannover Burgdorf. Danach gab es eine kleine Weihnachtsfeier mit allen Familien, Partnern und Verantwortlichen. Natürlich waren Marie und ich als Begleitpersonen auch am Start. Die Feier war auch der Grund, weswegen wir morgen unseren Laden gar nicht mehr öffneten und in eine verfrühte Weihnachtspause gingen.

„Was machst du eigentlich an Weihnachten?", fragte ich meine Freundin, während wir aufräumten und zusammenpackten. „Ich feiere mit meiner Familie, ganz traditionell." „Nicht mit Karl?" „Er fliegt am Freitag schon nach Schweden. Ich wollte ihn dann nach den Feiertagen besuchen gehen", meinte sie. Wir waren fertig und verließen zusammen den Laden. Beim Rauslaufen fragte Marie: „Feierst du mit Elias?" „Nein, Weihnachten auch nicht. Er wird aber am Samstag meine Familie kennenlernen und Sonntag dann auf die Faröer Inseln fliegen. Er weiß es noch nicht, aber ich werde ihn über Silvester besuchen kommen. Habe alles schon mit seinem Bruder abgeklärt." „Oh mein Gott, wie romantisch!", schwärmte Marie und fasste sich ans Herz. Wir hatten ausgemacht, dass ich zwischen Weihnachten und Silvester im Studio die Stellung hielt und Marie dafür in der ersten Januarwoche. So konnten wir beide noch unsere Boyfriends in ihrer jeweiligen Heimat besuchen. Doch heute Abend stand erstmal die Weihnachtsfeier der Zebras an.

Tatsächlich ging ich dieses Mal zur Abwechslung zu mir nach Hause und auch Marie ging in ihre eigene Wohnung. Wir wollten nachher dann aber gemeinsam zur Halle fahren. So wirklich viel Kontakt zu den anderen Spielerfrauen hatte ich noch nicht aufgenommen und daher war ich gar nicht mal so unfroh, dass Marie heute dabei war. Karl war gerade am Gehen als ich in die Wohnung kam. Wir hatten uns schon länger nicht mehr gesprochen. „Viel Erfolg beim Spiel!", wünschte ich. „Danke." Damit ging er mit seiner Sporttasche aus dem Haus und ich war alleine. Es war eine ganz komische Begegnung gewesen.

Ich ging duschen, stylte mich mehr als sonst und setzte mich dann ins Auto, um Marie abzuholen. Lächelnd stieg sie auf den Beifahrersitz und erzählte davon, wie sehr sie sich auf den Abend freute. Das steckte an. Auch ich freute mich. In letzter Zeit hatte ich versucht, Erics Rat zu befolgen und nicht mehr so nachtragend zu ihr zu sein. Er hatte recht - rückgängig machen konnte sie ihre Aktion nicht mehr. Außerdem war ich kein Mensch, der seine Freundschaften einfach so schnell aufgab, nur wenn es einmal schwierig wurde. Trotzdem war ich noch vorsichtig, was ich ihr anvertraute und was nicht. Elias meinte aber schon zu mir, das sei völlig normal und ihm würde es mit Karl genauso ergehen. Wir kamen an der Wunderino Arena an. Es war schon ziemlich voll als wir die Halle betraten und unsere Plätze aufsuchten. Neben uns saß Stine, die Freundin von Rune, die selbst Profihandballerin war. Sie wirkte etwas einsam. „Hey! Stine, richtig?", ging ich auf sie zu und nahm sie in den Arm. Sie war super nett und ich glaube, sie war auch froh, dass wir auch nicht so viel mit den anderen Frauen zu tun hatten. Viele hatten ihre Kinder mitgebracht und man merkte einfach, dass sie sich untereinander alle bestens kannten. Stine erzählte, dass sie zwar auch alle kennt, aber einfach so selten da sein kann, dass sie sich eher fremd fühlt. „Als Sander noch in Kiel gespielt hat, hatte ich wenigstens noch meine Schwester, aber die beiden leben ja jetzt leider wieder in Norwegen", meinte sie etwas traurig. „Ich komme mir auch noch vor wie ein absoluter Fremdkörper", lachte Marie, „Vanessa hat halt schnell mit den ganzen Jungs connected, kennt Karl ja auch schon ewig, aber für mich ist das hier auch noch alles ziemlich neu." „Zu wem gehörst du nochmal?", fragte Stine an meine beste Freundin gewandt. „Karl. Wir sind aber erst ganz frisch zusammen." „Und du warst die Freundin von Elias? Habe ich das richtig in Erinnerung?", wollte die Norwegerin nun auch nochmal von mir wissen. „Genau", bestätigte ich.

Das Spiel ging los und die Kieler legten einen super Start hin. Ich war mal wieder richtig stolz auf Elias. Mit Stine kamen Marie und ich immer mehr ins Gespräch und so stieg meine Freude auf den bevorstehenden Abend auch immer mehr an. Wenn ich nur da schon gewusst hätte, wie der Abend noch enden würde...

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt