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Nachdem wir keine Lust mehr auf Volleyball hatten, legten wir uns kurz mal hin. Niko und Rune gingen los, um am Kiosk Getränke für alle zu kaufen. Ich hatte mich zwischen Magnus und Karl gelegt. Ich schloss die Augen und genoss das Meeresrauschen im Hintergrund, den Geruch nach Salz in der Luft und die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut.

Mit gekühlten Getränken auf dem Arm kamen die zwei Jungs kurz darauf wieder zurück. Gemeinsam stießen wir an. Elias und Tomas tasteten sich danach ans Wasser heran. Sie wollten beide eine Runde schwimmen gehen. Also dafür war es mir definitiv noch zu kalt! „Die beiden scheinen sich ja echt gut zu verstehen", merkte ich an. „Seit eurer Trennung", lachte Karl, der meine Worte als scheinbar einziger mitbekommen hatte. Leise raunte ich ihm zu: „Zwischen denen läuft aber nichts, oder?" „Nein! Also da bin ich mir zu 99% sicher", entgegnete Karl und schaute auch zu den beiden herüber. „Ich glaube, ich werde paranoid", klagte ich. „Es gibt keinen Grund dafür. Glaub mir." „Geht jemand mit mir auf Muschelsuche?", fragte Magnus in die Runde. „Bin dabei!", sagte ich gleich und stand auf. „Habt ihr nichts Besseres zu tun?", lachte Eric laut auf und schüttelte unmissverständlich den Kopf. „Warum denn nicht?", lachte ich bloß und folgte Magnus, der schon ein paar Schritte vorgegangen war. Karl winkte mir hinterher.

„Darf ich dich was fragen?", kam es von Magnus. „Klar!" „Kann es sein, dass sich da zwischen Karl und dir was anbandelt?" „Merkt man das?", wollte ich wissen und lief dabei rot an. „Ihr geht anders miteinander um. Rücksichtsvoller. Das ist mir heute ganz arg aufgefallen. Und auch wenn Karl von dir spricht, hat sich etwas geändert." „Karl spricht von mir?", fragte ich überrascht. „Ständig. Manchmal muss man ihn bremsen", witzelte der Däne. Die Worte sorgten für ein Lächeln auf meinem Gesicht. „Nein, ich meine es ernst", fuhr er fort, „Man merkt, dass ihr euch gut findet." Erleichtert sagte ich: „Das beruhigt mich." Etwas schief schaute mich der Handballer von der Seite an. „Was?", fragte ich. „Warum beruhigen? Hast du etwa Zweifel?" „Sehr große!", gestand ich. Daraufhin wurde Magnus stutzig. Er konnte sich nicht erklären, warum ich der Sache nicht über den Weg traute. Er hatte keine Ahnung. Er wusste nicht, dass es eine Vergangenheit zwischen ihm und Elias gab und dass es danach sehr kompliziert wurde. „Ihr redet auch beide nicht mehr schlecht übereinander", ergänzte Magnus, „Nicht, dass ihr je schlecht über den anderen geredet habt, aber ihr habt oft Witze auf eure eigenen Kosten gemacht. Wenn ich euch so vorhin zugehört habe, dann war das ein viel liebevollerer Umgang." „Ich habe tatsächlich derzeit Angst, irgendwas Falsches zu sagen", gestand ich. Ich befürchtete, ich könnte Karl sonst verlieren.

Ohne auch nur eine einzige Muschel gesammelt zu haben, kehrten wir zu den anderen zurück. Irgendwie war das klar. „Na, ihr Gräber?", empfing uns Eric. „Gräber?", fragte ich lachend nach. „Ihr wolltet doch Muscheln graben gehen", rechtfertigte sich der Schwede mit seinem gebrochenen Deutsch. „Sammeln. Muscheln sammeln", korrigierte ich und offenbarte: „Irgendwie haben wir uns dann aber doch verquatscht." „Gut, dass ihr jetzt aber da seid. Wir haben grad gesagt, dass wir langsam aufbrechen würden", meinte Eric. „Ja passt", sagte ich und schaute zu Karl. Dieser grinste mich bettelnd an: „Nimmst du mich mit? Mein Auto steht noch am Trainingszentrum." „Kein Problem. Hast du noch vor, das irgendwann abzuholen?", lachte ich. „Wenn ich das nächste Mal dort bin. Ich habe nette Mitspieler, die mich bestimmt mal zuhause abholen." „Quatschkopf", grinste ich und boxte ihm gegen die Schulter. Danach packte ich meine Sachen zurück in die Tasche und klopfte den Sand, so gut es ging, aus meinem Handtuch. Plötzlich stand Elias neben mir. Ich sprach ihn an: „Na, wart ihr im Wasser drin?" „Nein, nur bis zu den Knien. Das war schon kalt genug." „Bist du nicht anderes von den Faröer Inseln gewohnt?" Er meinte: „Da gehe ich ja aber nicht schwimmen. Außer es ist mal wirklich warm im Sommer." Von der Seite mischte sich Rune ein: „Wann ist es denn dort jemals warm?" Ein Lachen ging durch die Runde. „Ihr seid hier einfach viel zu verwöhnt in Deutschland", trotzte mein Ex-Freund und schüttelte lachend den Kopf. „Schau uns doch mal an, wir sind alle keine Südländer hier. Wenn Niko als Österreicher derjenige ist, der am südlichsten von uns aufgewachsen ist, dann sollten wir mal lieber nicht Dule oder Eduardo fragen", kam es von Tomas. Er hatte recht. 40 Grad im Schatten kannten wir alle nicht.

„Hast du noch was zu trinken?", riss mich Karl kurzzeitig aus dem Gespräch. Ohne zu zögern reichte ich ihm meine Wasserflasche. Ich sah Magnus im Augenwinkel, der alles genau beobachtete und dann nur in sich hineingrinste. Ich muss wirklich sagen, er hatte mir heute ein richtig gutes Gefühl gegeben und war der Grund dafür, dass ich doch mit sehr viel Vorfreude in den heutigen Abend hineinging.

Am Parkplatz trennten sich unsere Wege. Wir verabschieden uns voneinander. Karl stieg auf dem Beifahrersitz ein und steuerte sofort die Musik. Sollte er machen. Er hatte einen guten Musikgeschmack. „Ich hätte gesagt, wir machen uns daheim frisch und gehen dann los, oder?", schlug er etwas später vor. „Ja, ich würde halt ganz gerne duschen. Grad mit dem Sand und so", stellte ich klar. „Ja, ich auch. Und auch der Schweiß von Volleyballspielen." In der Sache waren wir uns also schon mal einig. Und genauso einig waren wir uns auch darüber, dass das heute ein wirklich schöner Nachmittag war und wir sowas eigentlich viel öfters mal machen sollten. Erst recht jetzt, wo das Wetter besser wurde. Ich glaube, Karls Teamkollegen sahen das genauso.

Es war schon etwas weird, dass sich Karl und ich im selben Bad zur selben Zeit für dasselbe Date richteten. Geduscht hatten wir aber nacheinander. So weit waren wir noch nicht. Trotzdem. Es blieb eine eigenartige Situation. Wie Jakob schon sagte, die erste Hürde hatten wir überwunden, denn wir wohnten längst zusammen. Viel geredet hatten wir währenddessen nicht. Ich war schon etwas aufgeregt. Mein Bauch kribbelte. Das schlimmste an einem Date fand ich oft die Begrüßung. Die sparte ich mir dieses Mal. Die brauchte es nicht. Wir reisten ja immerhin schon gemeinsam an. Die gleiche Hürde: Was passiert nach dem Date. Geht man noch miteinander nach Hause? Unsere einzige Frage später würde sein: Alleine oder getrennt schlafen. Nachdem wir aber auch schon zahlreiche Nächte im selben Bett verbracht hatten, war selbst das keine große Überwindung. Nur die Ausgangslage war eine andere.

Ich dachte viel über die Situation nach, während ich mich schminkte. Sollte man vielleicht genau deshalb nicht den besten Freund daten? Oder möglicherweise gerade deshalb? Worüber sollten wir reden? Wir wussten doch schon alles übereinander. An Gesprächsstoff hatte es uns noch nie gemangelt, aber war das der Gesprächsstoff, der bei einem Date angemessen war?

„Hast du Zweifel?", fragte Karl mich plötzlich von der Seite. „Nein, du?" „Ich auch nicht." Er lächelte in den Spiegel. „Wer fährt nachher?", wollte ich wissen. War eher als Witz gedacht, um die Stimmung aufzulockern. Ich hatte vergessen, dass Karls Auto ja gar nicht daheim war. Er erinnerte mich aber sofort daran: „Lass mich fahren. Wenn du schon das Auto stellst, will ich wenigstens auch einen Teil dazu beitragen." „Quatsch. Lad mich lieber ins Kino ein, da habe ich mehr davon", grinste ich. Und da war schon wieder diese Lockerheit zwischen uns, die ich so sehr liebte. „Das hatte ich eh vor", strahlte Karl zufrieden und betrachtete mich weiter durch den Spiegel. „Gentlemen", zwinkerte ich und machte mich nun an meinen Haaren zu schaffen.

Etwas später gingen wir los. Ich konnte mich durchsetzen und durfte mein eigenes Auto fahren. Erneut nahm Karl auf dem Beifahrersitz Platz. Selbst schuld, wenn er sein Auto alleine an der Halle zurückgelassen hatte. Warum sollte denn immer nur der Mann fahren? Frauen waren doch genauso fähig. Nach einer knappen Viertelstunde kamen wir an und ich begab mich auf Parkplatzsuche. „Wir hätten auch Bus fahren konnten", meinte Karl, „Dann hätten wir das Parkdrama jetzt nicht." „Ich fahre doch nicht bei meinem ersten Date Bus", warf ich sofort ein. „Warum denn nicht? Einfach mal die Dinge anders machen als gewöhnlich", grinste er. „Ich mag Busse nicht", nörgelte ich und freute mich im nächsten Moment, da ich gerade eine Parklücke entdeckt hatte. „Siehst du, auch Frauen kennen einparken", erklärte ich ihm, nachdem mein Auto perfekt stand und ich den Motor abstellte. „Ich habe es nie angezweifelt", behauptete Karl und stieg aus.

„Welchen Film schauen wir überhaupt an?", wollte ich wissen. Karl grinste: „Verrat ich dir nicht!" „Ich hasse Überraschungen", stöhnte ich gequält auf und folgte meinem Mitbewohner ins Kino hinein. Völlig unerwartet griff er nach meiner Hand. Ganz vorsichtig. Unsere Finger verschränkten sich ineinander und ich vergaß, was ich eben sagen wollte. Das Gefühl war etwas ganz Besonderes. Es fühlte sich anders an als alle bisherigen Berührungen von Karl. Es war vertrauter, inniger, einfach schön.

Nachdem wir uns Popcorn und Getränke gekauft hatten, warteten wir noch kurz, bis wir in den Saal durften. Noch immer hatte ich keine Ahnung, welchen Film Karl für uns ausgesucht hatte. Karl war übrigens der erste Mensch, mit dem ich bei der Auswahl der Popcorn einig wurde. Wir beide bevorzugten nämlich die salzige Variante und standen damit meist alleine da. In diesem Moment hatte ich tatsächlich etwas Neues über den Schweden gelernt. Vielleicht wusste ich doch noch nicht alles über ihn. „Wie heißt jetzt der Film?", drängte ich ungeduldig. Karl präsentierte mir das Online-Ticket auf seinem Handy. Ich las laut vor: „Ein Glücksfall... Warte, ist das nicht der mit der Dreiecksbeziehung?"

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt