„Wie kommst du darauf?", wollte Elias wissen. Er wirkte überrascht. „Wir haben gesprochen. An dem Tag, als wir zusammen in der Halle waren. Vielleicht redest du mal mit ihm." „Was hat er denn gesagt?", fragte Elias weiter. Er konnte einfach nicht locker lassen. Ich hatte so Angst, dass er mich verlassen würde. Für ihn. Dass mich das runterzog, merkte er. Er schloss mich in seine Arme. Gerade wollte ich von Karls Gefühlen erzählen, da kam Besagter zur Türe herein. „Hey!", rief er trocken und ging an uns vorbei in sein Zimmer. „Okay, das war komisch", erkannte auch Elias. „Gehen wir in mein Zimmer. Da sind wir alleine", schlug ich vor.
„Schön hier", lächelte mein Gast und schaute sich um. Ich hatte vergessen, dass er unsere Wohnung zwar kannte, mein Zimmer aber noch nie gesehen hatte. „Ist etwas größer als Karls Zimmer, aber das ist für ihn in Ordnung", klärte ich auf. „Seit wann wohnt ihr jetzt hier zusammen?" „Gute Frage", grübelte ich, „Karl kam 2022 zum THW. Das Jahr davor waren wir beide in Montpellier. Wir haben die Wohnung damals gemeinsam ausgesucht, weil wir beide wussten, dass wir nach Kiel ziehen würden. Karl war dann glaub ab Juli drin und ich bin Mitte August dann nachgekommen." „Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?" Elias klang wirklich interessiert. Ich erzählte ihm also auch diese Geschichte: „Eigentlich ganz zufällig. Das Studentenwohnheim war unmittelbar neben dem Sportzentrum, wo auch ein paar Spieler wohnten. Unter anderem Karl. Auf irgendeiner Studentenparty ist er mit paar Freunden aus seiner Mannschaft aufgekreuzt und die haben ordentlich mitgemischt. Da haben wir das erste Mal miteinander gesprochen. Ich hatte dann eine Zeit lang was mit einem seiner besten Freunde dort, der an diesem Abend auch auf der Party war, und so sind wir uns halt immer wieder über den Weg gelaufen. Letztlich war es aber nicht mehr als eine lockere Affäre mit dem Typen und nachdem wir einen einvernehmlichen Schlussstrich gezogen hatten, habe ich angefangen, mich immer häufiger mit Karl zu treffen. Wir waren ja sowas wie Nachbarn. Und für uns war von Vornherein klar, dass das rein platonisch ist und wir uns auf einer so guten Wellenlänge verstehen, dass wir einfach alles miteinander teilen können. So eine Freundschaft habe ich noch nie erlebt. Nicht mal mit Marie." „Ist es jetzt immer noch so?" Elias' Neugier brachte mich wirklich zum Schmunzeln. Auch wenn die Frage mich etwas runterzog. „Ich kam hier in Kiel mehr oder weniger in mein altes Umfeld zurück. Ich hatte hier Freunde, Familie, ich kannte mich aus. In Montpellier sag ich mal, haben wir beide in einer Art „Bubble" gelebt, die uns dort Sicherheit gegeben hat. Sicherheit, die ich hier in Kiel nicht brauchte. Ich sage nicht, dass unsere Freundschaft schlechter geworden ist, sie hat sich einfach nur verändert", fasste ich zusammen. „Und was ist jetzt mit Karl in Bezug auf mich?", fragte Elias zum Abschluss. Ich seufzte. Ich hatte schon wieder vergessen, dass es ursprünglich darum ging.
Ich dachte psychologisch - wenn ich ihm von Karls Gefühlen erzählen würde, würde er eher bei mir bleiben und mir versichern, dass er mich will, als wenn Karl das selbst täte. Elias könnte aus Mitleid handeln und das Mitleid sollte er maximal für mich verspüren. Ob das der wahren Psychologie entsprach, weiß ich nicht, ich habe keine Ahnung davon. Für mich klang es in diesem Moment aber plausibel. Ich wusste auch, dass meine Herangehensweise vielleicht etwas egoistisch war, aber irgendwann musste man einfach auch mal an sich denken.
Nachdem ich Elias aufgeklärt hatte, wirkte er verunsichert. Es war ihm offensichtlich nicht bewusst, was Karl wirklich für ihn empfand. Er erzählte vom heutigen Mittagessen und vom Training. Nie hatte er den Eindruck gehabt, dass Karl was von ihm wolle. Signale hatte er Elias offenbar auch nicht gesendet. Zumindest keine eindeutigen.
„Du sagtest, ihr habt vor zwei Wochen geredet - vielleicht haben sich seine Gefühle ja verändert", überlegte der Handballer. Ich lachte daraufhin: „Erinnere dich nochmal daran, wie Karl vorhin zur Türe hereinkam und stelle mir dann dieselbe Frage nochmal." „Ja, okay, du hast ja recht", stimmte er mir schließlich zu. Ich muss gestehen, dass ich froh war, dass es raus war. Marie hatte Recht. Die Wahrheit tat gut.
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Sweet Lies
FanfictionEine Beziehung, die bereits auf einer Lüge aufbaut, kann keine Zukunft haben. Das weiß auch die 23-Jährige Vanessa, doch der Reiz und die Versuchung ist größer. Sie kann einfach nicht widerstehen, auch wenn sie genau weiß, dass ihr Verstand etwas An...