Gemeinsam sangen wir Weihnachtslieder. Gemeinsam war relativ - Theo war zu cool dafür mitzusingen, mein Vater kannte die Texte nicht, ich hatte schlechte Laune und brummte eigentlich nur mit, so gaben letztlich nur Alina und meine Mutter Vollgas. Ich fragte mich, was Elias gerade wohl tat. Im nächsten Moment dachte ich an Karl. Dachte er vielleicht gerade auch an mich? Hatte er es sich anders überlegt und entwickelte nun doch echte Gefühle für Marie? Hatte er ihr vielleicht schon von den beiden Nächten erzählt?
„Vanessa, Geschenke!", holte mich mein kleiner Bruder in die Realität zurück. Genervt seufzte ich. Es war das schlimmste Weihnachten seit Jahren!
Theo wurde überschüttet mit Geschenken und auch bei Alina hatte man keine Kosten und Mühen gescheut. Ich dagegen bekam von meinen Eltern einen Café-Gutschein und einen Markenpullover. Wow. Ich bedankte mich halbherzig und schaute zu, wie meine beiden Geschwister ein Geschenk nach dem anderen aufrissen, ihre Augen zu leuchten begannen und sie einfach nur glücklich waren. Auf der einen Seite war es schön, das mitanzusehen - gleichzeitig ging es mir aber mehr als dreckig in diesem Moment. Hätte ich doch bloß nichts getrunken - dann hätte ich einfach nach Hause fahren können.
Elias hielt ich die ganze Zeit auf dem Laufenden. Schließlich schrieb er:
Elias❤️: Sven kann dich abholen nachher, dann kannst du daheim schlafen🙈❤️
Vanessa: Wie jetzt?
Elias❤️: Hab grad bei den Jungs nachgefragt, ob jemand in Kiel ist. Er hat sich gleich angeboten☺️
Vanessa: 😱🤩 ich kann zuhause schlafen!!!
Elias❤️: Ich hätte dich ja auch selbst abgeholt, aber bis dahin wärst du schon längst wieder ausgenüchtert😂❤️
Vanessa: Ich liebe dich sooooooooooo😭❤️ du weißt gar nicht, wie glücklich ich gerade bin!!😍
Elias❤️: Für dich mache ich das immer❤️ Sven meldet sich bei dir
Vanessa: Dankeeeeeeee🥺❤️Mein Glück ließ sich nicht in Worte fassen. Keine fünf Minuten später hatte ich auch schon eine Nachricht von Sven auf meinem Handy. Er fragte, wann er wo sein sollte. Ich schickte ihm die Adresse und meinte, er könnte gleich schon losfahren. Je früher ich hier wegkam, desto besser. Es würde mich sowieso keiner vermissen. Trotzdem sagte ich vorerst nichts.
Die Geschenke waren alle aufgepackt, jetzt wurde geredet. Es dauerte nicht lange, da fingen meine Eltern schon wieder mit dem Elias-Thema an. „Und wie kommst du eigentlich zu Elias? Ein Profihandballer trifft man ja nicht einfach so auf der Straße." „Naja, unser erstes Treffen war auf der Straße", sagte ich provokant. Alina klärte aber freundlicherweise auf: „Sie haben sich über eine Dating App kennengelernt." „Was sucht denn so jemand auf einer Dating App?", fragte mein Vater unmissverständlich. „Ihr redet so, als wäre Elias ein Heiliger - er ist ein Mensch wie wir auch. Scheinbar vergessen das die Leute immer wieder", seufzte ich. „Du glaubst doch wohl nicht, dass er sich da angemeldet hat, um eine Beziehung zu finden?", redete meine Mutter weiter. „Mama, was denkst du denn, warum ich mich dort angemeldet habe?" Ich grinste verstohlen. Den Satz mussten sie erst einmal verarbeiten.
„Manchmal passieren Dinge eben unerwartet", schob ich hinterher. Dabei musste ich auch daran denken, was für eine Rolle Karl bei alldem spielte. Oh, wenn sie davon nur wüssten... sollte ich es ihnen reindrücken?! Nein, besser nicht. Ich wollte nicht für noch mehr Aufsehen sorgen. Außerdem war Sven bald da - das würde den nächsten Skandal geben, wenn ich gleich sagte, dass ich ging.
Mein Handy klingelte. Sven. „Ja?", nahm ich ab und wurde schon kritisch beäugt, „alles klar... ich komme gleich raus... Ja, bis gleich!" Irritiert schauten mich meine Eltern und meine beiden Geschwister an. „Ich werde abgeholt. Ich hab's mir anders überlegt, ich fahre doch zurück nach Kiel. Danke für das Essen und für die Geschenke. Wir sehen uns dann morgen bei Oma und Opa", sagte ich kühl und stand auf. Meinen Eltern klappte bei diesen Worten fast die Kinnlade nach unten. Alina hatte sich dann aber als erste wieder gefasst: „Und dein Auto?" „Schwesterherz, du bist achtzehn und hast einen Führerschein. Nimm es oder lass es stehen - irgendwie wird es schon zurück nach Kiel kommen und du wirst auch irgendwie zurückkommen. Ich kann es im Laufe der Woche abholen, egal wo es steht."
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Sweet Lies
FanfictionEine Beziehung, die bereits auf einer Lüge aufbaut, kann keine Zukunft haben. Das weiß auch die 23-Jährige Vanessa, doch der Reiz und die Versuchung ist größer. Sie kann einfach nicht widerstehen, auch wenn sie genau weiß, dass ihr Verstand etwas An...