Erst spät am Abend war ich wieder daheim. Ich war mir sicher, dass Karl schon schlief, doch gerade als ich im Bad meine Zähne putzte, kam er hinein. „Na, wie war's?" „Du bist noch wach?" „Sagen wir wieder. Ich habe gehört, als du eben heimgekommen bist", meinte er. „Oh, das tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken", entschuldigte ich mich sofort. „Muss es dir nicht. Mich interessiert es doch, wie es mit Elias war." Neugierig starrte er mich an. Ich glaube mein überglücklicher Gesichtsausdruck verriet alles. Ich spuckte die Zahnpaste-Überreste aus, spülte meinen Mund aus und wusch noch kurz mein Gesicht. Dann erzählte ich Karl vom heutigen Abend – angefangen damit, dass ich so lange auf ihn warten musste. Den Teil mit der Dusche ließ ich aus. Vom Kuss hingegen erfuhr mein Mitbewohner.
Wir waren inzwischen im Wohnzimmer auf dem Sofa. Karl war sehr still geworden. „Hast du denn ein Problem damit? Ich meine, wir haben nie direkt über das Thema Elias gesprochen. Zumindest nicht alleine. Ich habe dich nie gefragt, ob es für dich in Ordnung wäre, wenn ich deinen Mitspieler... naja und deine Affäre... date." Ich bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen. Ich war einfach davon ausgegangen, dass es für Karl kein Problem wäre, doch jetzt hatte ich das Gefühl, es würde ihn belasten. „Es ist nicht leicht", setzte er an, „Ich mag Elias wirklich sehr. Mehr als er mich wahrscheinlich mag. Wir sind zwar so verblieben, dass wir Freunde bleiben, aber eben nicht mehr miteinander schlafen. Ich glaube, von meiner Seite aus sind da mehr Gefühle im Spiel, als ich anfangs dachte." Seine Antwort überraschte mich. „Das wusste ich nicht", seufzte ich und fühlte mich immer schlechter. „Weißt du, Vanessa, ich habe mich wirklich für dich gefreut und war auch echt interessiert, aber jetzt wo du das alles so erzählst, merke ich, dass ich doch mehr für Elias empfinde und es mich verletzt, das zu hören. Glaub mir, ich wusste selbst nicht, dass ich so darauf reagiere und es war sicher nicht meine Absicht, jetzt heute mit dir über meine Gefühle ihm gegenüber zu sprechen." „Hast du denn mal mit Elias über deine Gefühle gesprochen?", fragte ich meinen Mitbewohner. Dieser schüttelte den Kopf.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war auch nicht leicht für mich. Ich stand zwischen den Stühlen. Was haben Karl und Elias denn letzte Woche besprochen, als ich nicht da war? Scheinbar nicht das Wesentliche...
„Ich gehe ins Bett", verkündete ich schließlich. „Ich bin auch müde. Tut mir leid. Ich wollte dir den Abend nicht versauen", entschuldigte sich Karl. Bedröppelt schlich ich in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Warum kann es nicht einfach mal einfach sein? Elias hatte mir noch eine Nachricht geschickt. Diese munterte mich wenigstens auf und ließ mich mit einem guten Gefühl einschlafen.
...
Die nächsten zwei Wochen liefen super. Elias und ich sahen uns fast täglich. Ich verfolgte seine Heimspiele vor Ort in der Wunderino Arena und die Auswärtsspiele vor dem Fernseher. Wir waren hauptsächlich bei ihm daheim, da das mit Karl noch immer nicht 100%ig geklärt war. Er hatte zwar versprochen, mit Elias emotional abzuschließen, dadurch, dass die beiden sich aber täglich im Training sahen und Elias ohnehin keine Ahnung davon hatte, war es nicht so einfach für ihn. Ich versuchte mich deswegen aber nicht runterziehen zu lassen, denn ich schwebte gerade wirklich auf Wolke Sieben. Ich war verliebt. Zweifelsohne. Wir gingen zusammen shoppen, spazieren, essen und lernten uns einfach besser kennen.
Wir lagen gerade im Bett, schauten nebenher einen Film an und eigentlich wollte ich nachher noch nach Hause fahren, doch dann fragte Elias plötzlich: „Willst du hier schlafen?" Es mag wie eine ganz normale Frage klinge, doch es steckte mehr dahinter. Unsere Definition von „Wir gehen es langsam an" war es, nicht die Nacht gemeinsam zu verbringen, da wir beide Angst hatten, dass wir es damit überstürzen würden. Auf den Sex wollten wir nicht verzichten, auf das Küssen schon gar nicht – also wollten wir an einer anderen Stelle Abstriche machen. Elias' Frage mag immer noch banal klingen – schließlich beginnen andere Beziehungen damit, dass man nebeneinander einschläft – doch für uns hatte es eine Bedeutung. Eine emotionale Bedeutung. Man zeigte sich beim Schlafen verletzlich. Man war angreifbar. Man hatte nicht mehr die Kontrolle.
DU LIEST GERADE
Sweet Lies
FanfictionEine Beziehung, die bereits auf einer Lüge aufbaut, kann keine Zukunft haben. Das weiß auch die 23-Jährige Vanessa, doch der Reiz und die Versuchung ist größer. Sie kann einfach nicht widerstehen, auch wenn sie genau weiß, dass ihr Verstand etwas An...