Am nächsten Morgen hatten wir drei einen leichten Kater. Spätestens beim Abflug wurde uns das bewusst. Elias und ich hatten noch nicht über den gestrigen Abend gesprochen - wir waren stimmungsmäßig dazu aber aktuell auch nicht in der Lage. Im Flugzeug saßen wir nebeneinander und kurz nachdem die Maschine abgehoben hatte, waren wir beide eingeschlafen. Mein Kopf lag dabei die ganze Zeit auf seiner Schulter. Mit dem Signal, dass sich alle Passagiere nun wieder anschnallen sollten, wachten wir wieder auf. „Na, gut geschlafen?", meinte er zu mir. „Erstaunlich gut", lachte ich und schmiegte mich wieder an ihn.
Das Flugzeug setzte zur Landung an und wir stiegen nach und nach alle aus. Pauli, der zwei Reihen hinter uns gesessen hatte, wirkte genauso müde. Naja, kein Wunder. Um halb vier war er aus unserem Zimmer gegangen und nur zwei Stunden später mussten wir schon wieder aufstehen. Es war eine lange und intensive Nacht gewesen.
Ein Bus brachte uns in das Hotel. „Trainiert ihr heute noch?", fragte ich, als Elias und ich mit unseren Koffern unser Zimmer suchten. „Nein, bis 16 Uhr haben wir Freizeit." „Das ist ja entspannt", überlegte ich. Ich hatte von Karl schon mitbekommen, wie es in der Schwedischen Nationalmannschaft zuging. Die Lehrgänge dort waren kein Zuckerschlecken. Aber die Faröer gingen das alles locker an. Das gefiel mir.
Elias und ich legten uns beide noch ein paar Stunden schlafen. Das Mittagessen verpassten wir. Um 14.30 Uhr klingelte dann sein Wecker. Erneut wachte ich in seinen Armen auf. Er meinte, er habe noch eine halbe Stunde, ehe er sich für das Spiel fertig machen müsste. Diese halbe Stunde nutzen wir. Wir redeten.
„Das gestern war zu viel, oder?", setzte er an. Man hörte sein schlechtes Gewissen heraus. Ich zuckte erstmal nur mit den Schultern und sagte dann: „Es hatte was. Ich meine, es hat sich so ergeben und wir wollten es ja irgendwie beide und dann gab es plötzlich auch kein Zurück mehr." „Ich war aber derjenige, der das erst eingefädelt hat. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Ich wollte Spaß haben - aber ich glaube, ich habe Grenzen überschritten", seufzte Elias. „Kann es sein, dass du nicht das erste Mal mit Pauli was am Laufen hattest?", fragte ich nun ziemlich direkt. Die Frage hatte mich nicht nur gestern Nacht beschäftigt, sondern auch jetzt musste ich noch die ganze Zeit daran denken. Elias langes Schweigen war fast schon Antwort genug. Er präzisierte: „Als Jugendliche hat man sich hin und wieder ausprobiert. Auch sexuell. Weißt du, auf den Faröer Inseln gibt es nicht viel. Pauli und ich kennen uns gefühlt seit 20 Jahren." „Also ja?", hakte ich nach. „Ja, es war nicht das erste Mal, dass wir uns nähergekommen sind.", bestätigte Elias nun selbst, „Aber Vanessa, es ist anders als du denkst. Ich würde es nicht mal als Affäre bezeichnen. Wie gesagt, wir waren jung und naiv und haben uns ausprobiert." Ich musste bei diesen Worten schlucken. Es verletzte mich. „Ich bin kurz im Bad", murmelte ich und stand auf. Ich musste einen Moment durchatmen.
Wie viele Liebschaften hatte Elias denn noch?
Leise setzte ich mich wieder neben ihn. „Ich war eifersüchtig. Ich war noch nie eifersüchtig", sagte ich gefestigt. Elias kaute auf seiner Unterlippe herum. „Mich hat es geil gemacht, zu sehen, wie du mit meinem besten Freund rummachst", gestand er daraufhin. „Ach scheiße", fluchte ich. Ich befürchtete, wir hatten uns mit dem gestrigen Abend alles kaputt gemacht, was wir uns in den letzten Wochen so mühevoll aufgebaut hatten. Verzweifelt schlug ich die Hände vor mein Gesicht. Warum? Warum nur?
„Ich sollte mich langsam fertig machen", erinnerte Elias und begann, seine Tasche fürs Spiel zu packen. Stumm schaute ich ihm dabei zu. Ab und zu blickte ich aus dem Fester hinaus auf die wunderschöne Landschaft Islands, die mindestens genauso beeindruckend war, wie die der Faröer Inseln. „Hätten wir uns das gestern nicht sparen können?", gab ich verzweifelt und traurig von mir. „Bereust du es?", fragte Elias. Wieder hatte ich keine Antwort. Ich bereute es nicht, einen Dreier gehabt zu haben, aber ich bereute es, dass das Verhältnis zu Elias nun wieder angeknackst war.
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Sweet Lies
FanfictionEine Beziehung, die bereits auf einer Lüge aufbaut, kann keine Zukunft haben. Das weiß auch die 23-Jährige Vanessa, doch der Reiz und die Versuchung ist größer. Sie kann einfach nicht widerstehen, auch wenn sie genau weiß, dass ihr Verstand etwas An...