Kapitel 46 - Enis Geburtstag

1.2K 76 1
                                    

Der Geburtstag meines Bruders stand vor der Tür. Wir beschlossen alle gemeinsam zum Grab zu gehen. Admir und Dion (Lauras Verlobter) kamen auch mit. Sie gehörten zur Familie und als Familie wollten wir dahin. Wir machten uns fertig und hatten alle riesen Blumensträusse in der Hand, bis auf mich. In meiner Hand war nur eine weisse Rose zu sehen. Ich liebte weisse Rosen. Sie sprachen Ruhe und Reinheit aus. Sie gaben mir Hoffnung auf ein gutes Leben. Ein gutes und schönes Leben, welches ich im Inneren auch für Enis lebte. "Seid ihr fertig?", rief meine Mama mit einer zittrigen Stimme. Für sie war es jedes Jahr ein Kampf. Ein Kampf gegen diesen Schmerz, gegen diese Leere und fehlende Liebe. Wir versuchten ihr jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, doch es war nicht einfach. Ihr fehlte ihr kleiner Prinz. Ihr Engel. Mir liefen die Tränen über die Wangen, als ich an die strahlenden Augen von Enis dachte. Es hätte alles anders kommen können. Doch das nannte man Leben. Genau dann, wenn du es nicht erwartest, passiert etwas. Es passiert Gutes, es passiert Schlechtes. Wir erlebten beides. Uns kam nach jedem Höhenflug ein Tiefpunkt entgegen. Konstant glücklich zu sein, kannten wir nicht. Das gab es seit meiner Kindheit nicht.

"Urime ditlindjen princi jonë (Alles Gute zum Geburtstag unser Prinz).", sagte ich leise. Admir drückte meine Hand fest. Ich wendete mich zu ihm und bemerkte eine Träne auf seiner Wange. Ich strich ihm diese weg und schmiegte mich an seine Brust. "Danke, dass du mir Halt gibst. Dass du mir Kraft und Liebe gibst." Er drückte mir einen Kuss auf den Kopf und hauchte ein "Selbstverständlich zemer", in mein Ohr. Meine Mama hatte sich neben das Grab meines Bruders gesetzt und strich über seinen Namen und bewegte ihre Lippen. Wahrscheinlich redete sie zu Enis oder aber betete zu Gott. Dieser Anblick tötete mich innerlich. Es schmerzte sie so zu sehen. Es schmerzte zu wissen, dass sie ihren Sohn nicht in die Arme nehmen konnte. Wir standen noch eine ganze Weile vor seinem Grab, als wir plötzlich von einem Räuspern aus unseren Gedanken gerissen wurden.

Wunden heilen nie!?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt