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Ich wachte auf. Meine Glieder schmerzten, mein Kopf tat weh. Es war dunkel und ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Mit den Händen versuchte ich zu ertasten, auf was ich lag. Es fühlte sich weich und kuschelig an. 'Ein Bett', schoss es mir durch den Kopf. Ich konnte mich an nichts erinnern. Was war passiert, wo war ich, wie war ich hierher gekommen? Doch die wichtigste aller Fragen war: Wer war ich? Ich konnte weder sagen, wie ich hieß, noch wie ich aussah. Hatte ich einen Unfall gehabt? Vielleicht lag ich in einem Krankenhaus?

Ich setzte mich vorsichtig auf. Mein ganzer Körper fühlte sich ausgelaugt und wund an. Ich schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Schwankend versuchte ich in der Dunkelheit die Orientierung zu finden. Langsam einen Schritt nach dem Anderen, tastete ich mich vorwärts. Schließlich fanden meine Hände eine Wand, an der ich mich vorwärts bewegte. Meine Finger streiften eine Unebenheit in der Wand. Ein Lichtschalter. Ich drückte ihn und sofort wurde das Zimmer erhellt. Doch es handelte sich nicht um ein Krankenzimmer, es war ein gewöhnliches Schlafzimmer. Überall standen Fotos von Menschen, die ich noch nie gesehen hatte. Ein Mädchen fiel mir auf. Es posierte für die Kamera und hatte ein ansteckendes Lächeln.

Erst jetzt bemerkte ich, dass jemand vor mir stand und mich anstarrte. Ich schreckte zurück, was offenbar die Person überraschte, denn auch sie wich zurück. Ich blinzelte. Meine rechte Hand hob sich, ebenso die Ihre. Prustend ging ich näher. Wie konnte ich so doof sein? Mein eigenes Spiegelbild hatte mich erschreckt. Das war also Ich. Haselnussbraune Augen sahen mich durch einen dunklen Wimpernkranz an. Volle Lippen mit einem leichten Rosa-Ton verzogen sich zu einem erstaunten Lächeln. Karamellbraune Haare fielen mir in leichten Wellen auf die Schultern. Sie umrahmten mein Gesicht und ließen es schmaler wirken. Irgendwo hatte ich das Mädchen, also mich, schon gesehen. Da fiel es mir ein. Auf den Fotos! Ich war überall darauf mit etlichen anderen Menschen. Doch wer waren sie? Offenbar war das mein Zimmer. Also war das auch mein Leben. Wieso konnte ich mich an nichts erinnern?

Ich versuchte verzweifelt, Licht ins Dunkel zu bringen, aber alles was in meinen Kopf war, war schwarze Leere. Konnte ich überhaupt sprechen? "Hallo", ließ es es verlauten. Ich kam mir albern vor, deshalb beließ ich es dabei. Offenbar hatte nur der Teil meines Gehirn, der für die Erinnerungen zuständig war, etwas abbekommen. Ich blickte mich im Zimmer um. Ein King-Size-Bett stand hinter mir an der Wand, voller Kissen. Ein kleiner Stoffhase lag darin. Ich nahm ihn an mich und sah ihn genauer an. Doch auch er sagte mir nichts. Ich legte ihn vorsichtig zurück und ging weiter auf Erkundungstour. Die Kommode mit den Fotos hatte ich vorher schon sorgfältig begutachtet, auch sie half mir nicht weiter. Nun ging ich zur Wand mit dem einzigen Fenster. Hier hing eine Collage mit weiteren Bildern, auf denen ich und eine Menge anderer Leute waren. Niemand kam mir bekannt vor. Es war zermürbend.

Seufzend setzte ich mich zurück aufs Bett. Vielleicht sollte ich es wagen und durch die Tür gehen. Es könnte mir weiterhelfen, wenn ich den Rest des Hauses begutachtete. Aber irgendwas hinderte mich daran. Ich hatte Angst, was mich dahinter erwarten würde, Angst davor, dass ich noch nicht bereit dazu war. Als hätte die Tür meine Bedenken gehört, öffnete sie sich in diesem Augenblick. Eine Frau mittleren Alters trat herein. Sie hatte lange, blonde Haare und grüne, sorgenvolle Augen. Sie trug einen langen Pyjama. Als sie mich sah, erhellte sich ihr Gesichtsausdruck und ihre Augen begannen zu leuchten. "Joy, du bist wach!", rief sie erleichtert, überrascht und erfreut zugleich. Ich blinzelte nur und hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte.



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