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Damons Sicht:

Den ganzen Sommer über hatte ich nach Möglichkeiten gesucht, Sadie zurückzuholen. Ich hatte alle Hexenbücher, die ich finden konnte, gelesen, jede Person ausfindig gemacht, die mir helfen konnte. Doch ich hörte immer dasselbe. Tote sollten Tote bleiben. Bonnie hatte es versucht, hatte stundenlang versucht ihren Körper zurück ins Leben zu holen. Sie war auf die andere Seite gegangen, hatte dort nach Sadie gesucht. Sie sagte, sie war nicht dort. Elena hatte sich verkrochen und redete mit niemandem. Nicht einmal Stefan kam an sie heran. Aber es war mir egal. Nachdem keiner meiner Versuche gefruchtet hatte, hatte ich angefangen zu trinken. Es gab keine Minute, in der ich nicht betrunken war. Ich wusste, wenn sie hier wäre, würde sie mich ausschimpfen und wäre sauer. Manchmal stellte ich mir vor, dass sie neben mir saß und mir eine Rede darüber hielt, dass man seine Gefühle nicht in Alkohol ertränken konnte. Wie sehr wünschte ich mir, das nur noch einmal zu hören.

Jede Nacht schreckte ich aus demselben Alptraum auf. Ich rannte durch das große Haus in einen Raum. Ich wusste nicht mehr wie der Raum aussah, er war verschwommen. Das Einzige, was wichtig war, war Klaus, in dessen Arme eine Gestalt lag. Ich hatte keiner Ahnung, wer es war, aber ich musste zu ihr. Ich schleuderte Klaus davon und nahm die Gestalt in meine Arme. Tränen rannen mir über die Wangen. Erst da erkannte ich, wer es war. Immer wieder riss es mich in den Abgrund. Dieser Tag, an dem ich Sadie tot in Klaus Haus auffand, war der Schlimmste meines Lebens gewesen. Wie konnte sie uns einfach so verlassen? Warum hatte sie mir das angetan?

Ich konnte noch genau die Wut spüren, die sich in meinem Bauch gesammelt hatte. Ich ging auf Klaus los. Er hatte nicht aufgepasst, sie allein in einen Raum gesperrt, in dem sie sich ungestört umbringen konnte. Ich wusste, dass ich keine Chance gegen ihn hatte, dennoch verschonte er mich. Er stieß mich nur zur Seite und verließ den Raum. Doch vorher konnte ich noch sein Gesicht sehen. Es war ausdruckslos und schmerzverzerrt zugleich. Seine Lippen bebten und seine Hände zuckten. Das war das erste und einzige Mal, dass ich Mitleid mit ihm hatte. Ich wusste genau, wie er sich fühlte.

Elena und Stefan waren bei mir gewesen. Ich wusste genau, dass sie meine Unterstützung gebraucht hätten, aber ich konnte nicht. Ich musste weg, eine Lösung für das Problem finden. Ich rief Bonnie an, sie musste so schnell wie möglich herkommen. Als sie eintraf, traf sie der Schock. Sie rang nach Luft und presste ihre Hände gegen die Stirn. Ich hatte ihr am Telefon nicht gesagt, dass Sadie tot war. "Du kriegst das wieder hin, ist das klar?", knurrte ich sie drohend an. Sie sah mich an, die Augen und den Mund aufgerissen, wie zu einem stummen Schrei. "Hol sie zurück!", schrie ich. Sie kniete sich neben Sadie und legte ihre Hände auf Sadies Gesicht. Ein paar Augenblicke später fiel sie zu Boden. Elena und Stefan kauerten zusammen in einer Ecke. Sie hatten aufgegeben. Wie konnten sie?!

Nach ewigen Stunden erwachte Bonnie. Doch Sadie bewegte sich nicht. "Was ist?", rief ich verzweifelt. Bonnie sah mich nur mit Tränen in den Augen an. "Sie ist nicht da. Sie muss schon weitergezogen sein.", flüsterte sie tonlos. Die Worte klangen in meinen Ohren, aber ich konnte nicht verstehen, was sie bedeuten. Ohne, dass ich merkte, wie mir geschah, stand ich vor Bonnie und meine Hand schloss sich um ihren Hals und zog sie auf die Zehenspitzen. Sie klammerte sich an meine Hände und rang nach Luft. "Du solltest an ihrer Stelle tot sein! Nicht sie sollte sterben, sondern du!", funkelte ich sie wütend an. "Ich weiß. Los, Tu es!", röchelte sie. "Damon, nein!", schrie Elena und kam auf mich zugestürmt. Ich sah sie an. Sie schüttelte bittend den Kopf. Ich ließ Bonnie fallen und stürmte aus dem Zimmer. Ich konnte Sadie nicht mehr so sehen. Ich musste mir ihre menschlichen, lebenden Züge merken, nicht die kalten, toten.

Ich blinzelte. Diese Erinnerungen jagten mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken und Tränen in die Augen. Ich hatte nicht mal zu ihrer Beerdigung gehen können. An diesem Tag fand das größte Besäufnis meines Lebens statt. Erst Tage später wagte ich mich auf den Friedhof, was allerdings nur zur Folge hatte, dass sich das riesen Loch in meiner Brust noch weiter aufriss.

Das Ganze war schon Monate her, aber niemand hier hatte sich davon erholt. Das neue Schuljahr hatte heute angefangen und überall sah man traurige Gesichter. Stefan konnte Elena gerade so überreden, in die Schule zu gehen. Er versuchte stark für sie zu sein, aber ich sah genau, wie sehr es ihn schmerzte. Sie war seine beste Freundin gewesen, die Schwester, die er nie hatte. Er unterdrückte seinen Kummer, doch ich wusste, dass sie irgendwann, ohne Vorwarnung aus ihm herausbrechen würde.

Ich konnte meinem Verstand nicht mehr trauen. Überall sah ich Halluzinationen von Sadie. In der Bar, in meinem Bett, beim Einkaufen. Jetzt gerade schien es mir, als würde sie über die Wiese zum Schuleingang laufen. Ich rieb meine Augen. Sie war immer noch da! Das war ganz eindeutig Sadie, sie lief neben einem etwas jüngeren Mädchen her, hörte ihr zu. Sie sah lächelnd zu ihr und dann wieder zur Schule. Mein Mund klappte auf. Konnte das wirklich sein?



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