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Seine Worte hallten in meinem Kopf wider. Immer wieder, als hätte Jemand sie aufgenommen und würde sie ständig erneut vor mir abspielen. "Du begleitest mich." Drei einfache Worte, die objektiv betrachtet keine große Bedeutung hatten. Doch für mich veränderten sie alles. Er verlangte von mir meinen Tod, damit ich die Welt von ihm befreien konnte. Viel über eine Entscheidung nachzudenken, gab es dabei für mich nicht. Es war ganz klar, dass ich mein Leben, ohne mit der Wimper zu zucken, hergeben würde. Doch die Ereignisse meines letzten Todes waren mir nur zu gut im Gedächtnis geblieben. Wie konnte ich meinen Liebsten begreiflich machen, dass es sein musste? Sie würden es nie verstehen, es nie zulassen. Doch was war die Alternative? Klaus egomanischer, brutaler, grausamer Wesenszug durfte auf Erden nicht gestattet werden. Es war weiterhin meine Aufgabe für seinen Tod zu sorgen. Dass dies aber meinen beinhaltete, hatte ich nicht geahnt.

So saß ich grübelnd in meinem Zimmer, in einem Haus, dass mein Zuhause sein sollte, mit einer Familie, die mich für Jemanden hielt, der ich nicht war. Konnte ich ihnen das antun? Sie hatten ihre Tochter verloren und an ihrer Stelle kehrte ich zurück. Es war nicht fair, dass sie so großen Qualen ausgesetzt wurden. Sie waren für mich eine echte Familie geworden.

Bei diesem Gedanken kam mir mein Vater in den Sinn. Ich hatte seit Ewigkeiten keinen Kontakt zu ihm. Ob er von meinem Tod wusste? Würde er um mich trauern? Er hatte nie viel über meine Mutter gesprochen. Ich kannte weder ihren Namen noch ihr Aussehen. Das Einzige, dass ich von ihr wusste war, dass sie bei meiner Geburt gestorben war. Jetzt würde ich nie erfahren, wer sie war. Vielleicht war es auch besser so. Bei unserer Familiengeschichte müsste ich mich da sicher auf einige Überraschungen gefasst machen.

Leise Schritte näherten sich meinem Zimmer. Anhand des Rhythmuses wusste ich schon, um wen es sich handelte. "Joy, darf ich reinkommen?", ertönte vorsichtig die Stimme meiner "kleinen Schwester". Jess streckte ihren Kopf herein und ich lächelte sie beruhigend an. Ich musste wohl wie eine vollkommen Verrückte ausgesehen haben, wie ich verstört murmelnd nach Hause gekommen und direkt in meinem Zimmer verschwunden war.

Ich klopfte einladend auf mein Bett, woraufhin Jess sich setzte. Sie sah aus, als würde sie mit sich ringen. Ich fragte mich, was sie mir zu sagen hatte. "Geht es dir gut?", fragte sie besorgt. Ich sog ruhig die Luft ein, um so überzeugend wie möglich zu klingen. "Ja, alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen." Sie sah nicht zufrieden aus. Ihre Stirn zog sich zu einigen Falten zusammen, was sie älter erscheinen ließ, als sie war. Ich wollte unbedingt, dass dieser Ausdruck aus ihrem Gesicht verschwand. "Du musst mich nicht belügen. Ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Warum verrätst du mir nicht, was los ist?", beharrte sie. Ihre Augen blickten tief in mich hinein. Es wäre so schön, über all das Chaos in mir zu sprechen, ihr alles anzuvertrauen. Warum nicht? Es war so einfach...



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