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Ich wusste genau, was ich tun musste und dennoch schauderte ich bei dem Gedanken. Wie konnte ich das unbemerkt über die Bühne bringen? Klaus würde angesichts des Lärms, den mein Vorhaben mit Sicherheit machen würde, sofort alarmiert werden. Ich war Schmerz gewohnt, also musste ich eben einfach so stark sein und keine Geräusche von mir geben. Immer noch haderte ich mit mir. Die einzige Möglichkeit mich zu töten, war, das Heilmittel zu schlucken. Dann konnte ich mir das Stuhlbein, das ich mir gerade zu einem spitzen Pfahl geschnitzt habe, in den Bauch rammen und hoffen, dass ich schnell verbluten würde. Ich atmete tief durch. Auch wenn ich es lieber Elena oder Stefan gegeben hätte, musste ich es jetzt notgedrungen nehmen. Ich riss den Deckel ab und sah mir die rote Flüssigkeit genau an. Sie roch nicht besonders ansprechend, aber ich stürzte sie hinunter. So wie ich sie geschluckt hatte, verlor ich das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir kam, sah ich, dass Klaus nicht nach mir gesehen hatte. Der Pfahl lag noch neben mir. Ich spürte sofort, dass das Verlangen nach Blut verschwunden war. Der Schmerz wegen all der Menschen, die ich verloren hatte, war ein wenig abgeklungen. Ich fühlte mich wunderbar. Ein Mensch zu sein, hatte ich mir seit meiner Verwandlung sehnlichst gewünscht. Jetzt war es soweit und ich hatte nur ein paar Augenblicke, um das zu genießen. Ohne darüber nachzudenken, was ich tat, nahm ich den Pfahl in meine Hand und stieß ihn so fest ich konnte in meinen Bauch. Ich hatte mir fest vorgenommen nicht zu schreien, daher musste ich mir auf die Zunge beißen, um es zu unterdrücken. Nur ein leises Keuchen entfuhr mir. Noch nie in meinem Leben hatte ich so einen Schmerz verspürt. Das warme Blut rann mir über die Hände und floss auf den Boden. Die Ränder um mein Sichtfeld verschwammen und mir wurde schwindelig. Mit letzter Kraft zog ich das Holzstück aus meinem Bauch und es fiel, wie ich, zu Boden.

Klaus Sicht:

Als Sadie vor mir stand, diesen entschlossen Gesichtsausdruck im Gesicht, war mir klar, dass das nicht gut enden würde. Das sie sich aber dazu entschlossen hatte, sich an meiner Stelle zu töten, hatte mich umgehauen. Ich liebe sie mehr als alles andere, aber, dass sie mich ebenso liebt, hatte ich nicht gewusst. Natürlich konnte ich nicht zulassen, dass sie sich etwas antut. Mein Notfallraum war da genau das Richtige. Ein wenig plagten mich deshalb schon die Schuldgefühle, schließlich habe ich sie einfach allein dort eingesperrt. Aber es war nur zu ihrem Besten. Sie würde es verstehen, wenn es alles vorbei wäre. Oder vermutlich nicht. Indem ich sie schütze, bringe ich ihre Freundin Bonnie in Gefahr. Selbstredend, dass sie sich natürlich auch für sie geopfert hätte.

Ich klopfte an die Stahltür. "Sadie, Liebes. Ich habe was zu Trinken für dich.", bot ich ein kleines Friedensangebot. Keine Reaktion. Sie war also immer noch sauer. "Schätzchen, bitte. Ich will dir nichts Böses. Ich kann nur nicht zulassen, dass du dich umbringst. Ich kann nicht riskieren, dich zu verlieren. Darf ich reinkommen?", fragte ich bittend. Wieder antwortete sie nicht. "Na, schön.", murmelte ich leise und öffnete die Tür.

"Es ist immer noch mein Haus, ich darf die Zimmer betreten, wann ich will. Schläfst du?", fragte ich verwirrt, weil sie auf dem Boden lag. Erst jetzt registrierte ich den Geruch von Menschenblut und den blutigen Pfahl neben ihr. Ich stürmte an ihre Seite und hob ihr Gesicht an. Es war blass und leblos. Ihren Bauch zierte eine riesige, dunkle Wunde. "Aber, wie kann das sein?", flüsterte ich tonlos. Ihre Hand war zu einer Faust geballt. Ich entkrampfte sie und nahm das kleine Ding in die Hand, dass darin war. Es war eine leere Blutampulle.

Da kam es mir. Sie hatte das Heilmittel genommen, um sich zu töten. "Nein!", entfuhr es mir knurrend. Ich biss in mein Handgelenk und presste die blutende Stelle auf ihren Mund. "Trink! Trink gefälligst!", schrie ich Sadie an. Doch sie bewegte sich nicht. Im Innern wusste ich, dass ich sie verloren hatte. Ihr Körper war steif und eiskalt. Es war mindestens schon zwei Stunden her, dass sie sich umgebracht hatte. Warum zum Teufel hatte ich nicht eher nach ihr gesehen?! "Komm schon. Komm!", schrie ich weiter verzweifelt. doch es brachte nichts. Es war nutzlos. Tränen strömten mir über die Wange. Niemals in meinem Leben hatte ich geweint, um keine Menschenseele. Doch dieses Mädchen hatte mir alles gegeben, wovon ich nicht mal wusste, dass ich es wollte, es brauchte. Und jetzt hatte sie mir das alles wieder genommen. Ich schluchzte. "Wie konntest du nur? Wieso hast du mich nicht einfach umgebracht? Wieso bin ich dir mehr wert, als dein eigenes Leben?", krächzte ich. Ich nahm sie in meine Arme und küsste ihre Stirn. Ich dachte, ich hätte mich wieder weitgehend unter Kontrolle, doch wieder durchzuckte mich ein Schauer und Tränen tropften auf Sadies Wangen. Ich beugte mich über sie und ließ meiner Trauer freien Lauf.



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