Kapitel 19 - Bitte Abstand

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Nachdem ich uns zurück nach Brulestown gefahren hatte, trug ich den Inhalt des Kofferraums wieder ins Haus. Onkel Harrys Hilfe hatte ich dankend abgelehnt, wofür er mich nochmals als stur abgestempelt hat.

In Dauerschleife lief rein und wieder raus, um die Klappstühle und alles andere, was ich heute zum Verkauf benötigt hatte, ins Haus zu tragen. Josh ging mir dabei tierisch auf die Nerven. Mal wieder stand er vor seiner Haustür und zog an seiner Zigarette. Sein hämisches Grinsen entging mir dabei nicht. Er genoss es richtig, mich schuften zu sehen.

»Mistkerl!«, fluchte ich vor mich hin und lief mit bepackten Armen wieder ins Haus.

Als ich rauskam, war Josh endlich verschwunden. Das dachte ich zumindest. Jetzt stand er direkt neben Onkel Harrys alten Mustang und musterte den Wagen.

»Was willst du denn hier?« Ich verbarg gewiss nicht, dass ich ihn nicht leiden konnte.

Joshs Blick wanderte vom Auto zu mir. Auf den Lippen trug er immer noch dieses gehässige Grinsen, was mich um meinen Verstand brachte. Nur mit diesem Grinsen war dieser Typ in der Lage, mich zu provozieren.

Mit einem Ruck schlug ich den Kofferraum zu und hievte den letzten Karton hoch. Josh stand im Weg, ich machte einen Bogen um ihn herum. Abstand. Ich brauchte ganz viel Abstand. Sonst würde ich explodieren. Aber der Abstand brachte nichts. Ich war immer noch wütend auf Josh. Wenn es nach mir ginge, läge er auf der Straße und ich würde mit dem Auto gleich mehrere Male über ihn rollen. Ich war mir sicher, dass auch Onkel Harry das gutheißen würde.

Was tat Josh hier überhaupt? Ja, klar, er wohnte hier. Aber wozu beobachtete er mich? War er nur hier, um mich zu provozieren? Oder wartete er darauf, dass ich wieder in Tränen ausbrach und er sich darüber lustig machen konnte?

Ich rümpfte die Nase und marschierte an ihm vorbei.

Gerade, als ich dachte, ich wäre den Idioten los, fiel mir ein, dass ich meine Tasche im Auto vergessen hatte. Ich schlug die Hände auf dem Kopf zusammen und weigerte mich wieder aus dem Haus zu gehen. Da draußen stand ein Penner.

Aber all das Aufregen brachte nichts. Ich musste raus. Mit einem falschen Lächeln trat ich wieder in die Kälte und versuchte einfach auszublenden, dass Josh überhaupt existierte.

Ich öffnete den Wagen und nahm meine Tasche an mich. Doch dann ging plötzlich die Beifahrertür auf. Josh rutschte auf den Sitz und machte sich dort breit.

Ich runzelte die Stirn. »Was zum Teufel soll das denn jetzt werden?«, klaffte ich ihn an und war rasend vor Wut. Wenn Onkel Harry das sah, flippte er aus.

Auf Joshs Lippen lag ein Grinsen. Ehe ich ihn rausschmeißen konnte, öffnete er das Handschuhfach und ließ die Hand hineinrutschen.

Ich wusste nicht, was mich mehr schockierte. Dass er einfach in den Wagen gesprungen war oder die Dreistigkeit besaß, ins Handschuhfach zu greifen.

Ich knallte die Tür zu und umrundete das Auto, um auf seine Seite zu kommen. Wie eine Furie packte ich Josh am Arm. »Raus da. Sofort.«

Es interessierte ihn nicht. Es war ihm vollkommen egal. Unbekümmert strich er mit den Fingern über das Armaturenbrett und nahm den Wagen genauer in Augenschein. »Schickes Teil!«, flötete er. Seine Augen leuchteten, als er sich weiter umsah.

Ich war sprachlos. Dreist. Wenn es eine Eigenschaft gab, die man diesem Kerl zuordnen musste, dann war es das Wort dreist.

Sein Verhalten brachte mich so auf die Palme, dass ich vor Wut bebte. »Raus aus dem Auto!«, befahl ich erneut, »Oder ich-«

»Oder du was?«, unterbrach Josh mich. Zynismus lag auf seinem Gesicht und das Grinsen einer Reihe strahlend weißer Zähne, die ich ihm am liebsten sofort aus dem Mund geschlagen hätte.

Ich verschränke die Hände vor der Brust. »Oder ich haue dir eine rein«, beendete ich meinen Satz prompt.

Obwohl das mein ernst war, erntete ich nur Gelächter. »Du hast doch gar keine Chance gegen mich«, lachte Josh mich an, »Du bist schwach.«

Schwach? Ich stützte die Hände in die Hüften. »Ich bin nicht schwach!«, erwiderte ich empört.

Josh ließ sich im Sitz nach hinten sacken. Er zog die Augenbrauen hoch. »Und was war das dann am Montag, als du dich heulend auf dem Boden geschmissen hast?«

Mir lief ein Schauder über den Rücken. Meine Finger verkrampften sich. Röte stieg mir ins Gesicht. Ich wollte vergessen, wie ich mich verhalten hatte. Sonst zeigte ich mich immer stark, aber in der Situation, wo es darauf ankam, war ich wie eine Vollidiotin zusammengebrochen.

Um die Peinlichkeit dieser Situation zu überspielen, starrte ich Josh aus zusammengekniffenen Augen an, woraufhin er sich endlich vom Beifahrersitz erhob und aus dem Auto stieg.

Hastig schlug ich die Tür zu und verriegelte den Wagen. Endlich konnte ich verschwinden!

Ich drehte mich um und stieß gegen Joshs Brust. Entsetzt zuckte ich zurück. Josh stand direkt vor mir und das für meinen Geschmack etwas zu nahe.

Er starrte mich an, als hätte ich irgendetwas im Gesicht kleben. Sein Blick war durchdringend und hochkonzentriert.

Ich zog eine Strähne zu Recht. »Was ist? Habe ich einen Aufkleber mit dem Schriftzug schwach auf der Stirn kleben oder warum glotzt du so blöd?«

Seine Augen verdunkelten sich. »Das nächste Mal, wenn du dich nachts herumschleichst, solltest du besser aufpassen... «, er sprach die Worte so leise aus, dass ich erzitterte, »...wir wollen doch nicht, dass der kleinen Allyson etwas zustößt.«

Seine Worte meißelten sich wie eine Drohung in meinen Schädel. Plötzlich fühlte ich mich in meiner Haut unwohl. Ich hatte das Gefühl, dass er mehr über mich wusste, als mir lieb war. Dass er ganz genau wusste, was er da am Montag losgetreten hatte.

Dass Josh mir so nahe stand machte es nicht besser. Ich wollte mich von Ort und Stelle bewegen, aber da streckte er auf einmal die linke Hand aus und platzierte sie neben meinem Kopf an der Autotür. 

Da ich keine Angst zeigen wollte, hielt ich seinem Blick stand. Ich bemühte mich eines starken Tonfalls. »Soll das etwa eine Drohung sein?«

»Ja, das würde mich auch mal interessieren!«, sprach plötzlich eine andere Stimme.

Mein Kopf zuckte zur Seite. Onkel Harry stand mit verschränkten Armen auf dem Gehweg und warf Josh Blicke zu, die töten könnten. »Lass sofort meine Nichte in Ruhe oder ich rufe die Polizei.«

Joshs Muskeln verhärteten sich. Sein Kiefer spannte sich an. Er trat von mir weg. Aber nicht, ohne mir einen letzten Blick zu warf, der bedeuten sollte, dass ich nachts lieber die Tür verriegeln sollte.

Ich keuchte. Es zu verneinen wäre falsch, aber vielleicht fürchtete ich mich doch ein wenig vor unserem Nachbar. Ich wusste, zu was er in der Lage war und das gefiel mir überhaupt nicht.

Jede Faser meines Körpers bebte. Auch noch, als Josh endlich weg war. Unsicher presste ich den Rücken gegen den Wagen.

Onkel Harry bewegte sich auf mich zu. »Allyson, was habe ich dir gesagt?«, aufgebracht warf er die Hände in die Luft, »Halt dich bloß von diesem Teufelsbraten fern!«

Ich biss die Zähne zusammen. Wieso glaubte Onkel Harry immer, ich wäre diejenige, die Joshs Nähe suchte. »Er ist doch plötzlich aufgetaucht!«, gab ich brummend von mir, »Ich habe ihn ganz sicherlich nicht eingeladen. Und dann hat er sich einfach in dein Auto gesetzt. Wie dreist kann man bitte sein?«

Onkel Harry erblasste. Jegliche Farbe, die er bis eben noch im Gesicht hatte, verschwand. »Was hat Grant in meinem Wagen zu suchen?«

Ehe ich ihm eine Antwort geben konnte, schob Onkel Harry mich zur Seite und riss die Beifahrertür auf, um das Handschuhfach zu durchsuchen.

Verwirrt beobachtete ich ihn dabei. Glaubte er etwa, dass Josh etwas geklaut hatte? War es merkwürdig, dass ich ihm genau das nicht zutraute? Josh schien mir nicht der Typ zu sein, der Dinge mitgehen ließ. Ich stufte ihn eher in die Kategorie der Kerle, die anderen einen Schauder über den Rücken jagten, indem sie nach ihren Schwachstellen suchten und sie Stück für Stück gegen einen verwendeten.

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