Kapitel 46 - Eine Beichte

6.5K 424 51
                                    

Während alle anderen in meinem Alter Freitag Abend Party machten, war ich gerade dabei Süßigkeiten und Zeitschriften in Regale zu räumen. Am Dienstag hatte ich unzählige Anrufe getätigt und mich wegen freien Stellen für einen Minijob erkundigt. Sobald ich aber meinen vollen Namen genannt hatte, wurde sofort wieder aufgelegt. Anscheinend wollte niemand in seinem Geschäft die Tochter einer angeblichen Mörderin angestellt haben.

Also blieb mir nichts anderes übrig, als außerhalb nachzufragen. Bei einer Tankstelle hatte man noch eine Angestellte gesucht. Den Leuten dort war es zur Abwechslung einmal egal, wer ich war. Und so kam ich hierher - in eine Tankstelle außerhalb von Brulestown, wo ich Zeitschriften und anderes Zeug in die Regale räumen musste. Viel verdiente man hier nicht, aber immerhin etwas.

Eigentlich wollte ich erst nur wegen meinen Schulden bei Jayden hier anfangen, aber da er das Geld jetzt doch nicht sofort brauchte, war es wohl eher, um etwas Geld für ein anständiges Halloweenkostüm zusammenzukratzen. Außerdem könnte ich dann wieder Benzin bezahlen und Onkel Harrys Wagen benutzen. Jayden hatte ich von meinem neuen Job jedoch nichts erzählt, da er sich sonst Sorgen machen würde und das wollte ich auf keinen Fall.

Seufzend stellte ich die letzte Zeitschrift in das Regal und richtete mich auf. Ich lief zur Kasse, wo Dean - ein weiterer Angestellter - saß und sich langweilte, weil gerade kein einziger Kunde da war. Das lag wohl daran, dass es bereits so viele Tankstellen in Brulestown gab und diese hier nicht gerade die Beliebteste war. Die Tatsache, dass ich hier arbeiten durfte, war wohl Beweis genug.

»Du hast dir deinen ersten Arbeitstag bestimmt spannender vorgestellt, nicht wahr?«, grinste Dean mich an und strich sich über seinen Drei-Tage-Bart. Er wirkte mit seinen 25 Jahren recht sympathisch. Ich mochte es, wie sein aschblondes Haar bis zu den Schultern ging. Seine kräftigen Arme zierten unzählige Tattoos, aber sie wirkten keineswegs abschreckend. Ich war zu ihm eingeteilt worden, da er schon etwas länger hier arbeitete. Doch leider würden wir erst um Mitternacht wieder abgelöst werden.

Ich stützte mich am Tresen ab. »Naja, von einer Tankstelle hab ich wirklich nicht viel erwartet.«

Dean lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände ineinander. »Wie kommt's dann, dass du ausgerechnet hier angefangen hast?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Kein anderer Laden wollte mich.«

Ein verschmitztes Grinsen machte sich auf Deans Gesicht breit. »Macht sich auch total super, wenn man als die Tochter einer Mörderin abgestempelt wird, nicht wahr?« Ich sah in seine blauen Augen, die vor Sarkasmus nur so leuchteten.

Ich stöhnte. »Ganz toll!«

Dean seufzte. »Mach dir nichts draus. Mein Bruder saß drei Jahre im Knast. Wer nicht damit leben kann, hat gar nichts zu melden.«

Ich hob die Mundwinkel. »Da hast du wohl Recht.« Ich wollte wissen, was sein Bruder getan hatte, aber zu fragen, erschien mir irgendwie unangemessen. Ich schätzte, es hatte irgendetwas mit Drogen zu tun, sonst wäre er wohl kaum so offen.

»Was kann ich noch machen?«, fragte ich stattdessen und deutete auf die Regale. Ich hatte in der letzten Stunde bereits drei Kartons voller Waren eingeräumt, aber meine Finger juckten nur danach, noch mehr zu tun. Mich einfach abzulenken.

Dean musste lachen. »Vielleicht fegen? Nachts gibt es echt nicht mehr viel zu tun, da kaum jemand vorbeikommt« , grinste er, »Was ich übrigens ganz toll an diesem Job finde! Du kannst so viel Unsinn machen wie du willst, niemand merkt es!«

Und mit diesen Worten legte er die Füße hoch.

Ich zog die Augenbraue hoch. »Gibt's denn hier keine Überwachungskameras oder so?«

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt