Kapitel 88 - Verletzende Worte

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Auf dem Weg nach Hause traf ich zufällig Bill Brandt, den Anwalt meiner Mutter. »Guten Tag, Miss Parker!«, grinste er mich an und schüttelte meine Hand.

Ich erwiderte sein Lächeln und war irgendwie erleichtert ihn zu treffen. Denn dieser Mann war momentan der Einzige, der meiner Mom wirklich helfen konnte. »Wie geht es voran?«

Brandt strich sich die Krawatte zurecht. »Sehr gut! Das Geständnis Ihrer Mutter kann uns in vielerlei Hinsicht weiter bringen! Die Ermittler knüpfen genau an diesen Punkten an und wenn wir Glück haben, kann noch vor dem Prozess die Unschuld ihrer Mutter bewiesen werden.« Brandts grünen Augen strahlten nur so vor Optimismus. Seine Worte zauberten mir ein Grinsen auf die Lippen. Er wusste, wie man jemanden überzeugte. Plötzlich hatte ich wirklich Hoffnung, dass ich Mom bald wieder in den Arm nehmen könnte. Ihre Freiheit war mir unglaublich wichtig.

»Gut«, grinste ich, »Dann bis irgendwann!«

Brandt strich noch einmal über seine Krawatte. »Wenn Sie noch Fragen haben, meine Visitenkarte besitzen sie ja. Bloß keine Scheu! Alles wird gut. Das verspreche ich Ihnen!«

Erst als ich mich von ihm verabschiedet hatte, wurde mir eine Sache so richtig bewusst: Wenn Mom und Dad sich immer noch liebten... würden sie dann wieder zusammenkommen?

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Die Vorstellung wieder mit meinem Vater unter einem Dach zu leben, versetzte mir einen Stich in den Magen.

Ich hatte das Ganze nicht richtig durchdacht. Ich konnte dieses Monster nicht wieder an meiner Seite haben, auch wenn es ihm leid tat.

War es egoistisch, Mom lieber im Gefängnis zu haben, als mit Dad wieder zusammenzuleben? Ja, Allyson. Natürlich war das egoistisch.

* * *

Zwei Tage später wollte ich mir endlich Coach Hills Worte zu Herzen nehmen. Entschlossen wartete ich draußen vor Joshs Wagen. Gleich stand wieder Selbstverteidigung an, was zumindest schon mal ein Schritt in die richtige Richtung war. Ich musste lernen, mich zu verteidigen, aber gleichzeitig auch wieder aus meinem dunklen Loch kriechen. Hinfallen hieß nicht immer verlieren, rief ich mir die Worte von Coach Hill ins Gedächtnis.

Josh trat endlich aus seinem Haus. Sichlich überrascht sah er in meine Richtung. »Also, das hätte ich nun echt nicht erwartet!«, grinste er, als er vor mir stand, »Dann konnte ich dich ja doch motivieren!«

Ich verdrehte die Augen. »Du hast gar nichts gemacht! Das war mein Trainer!«

Josh zuckte mit den Schultern. »Ist mir auch Recht. Hauptsache du tust was für deinen Körper. Du hast in letzter Zeit echt zugenommen.«

Empört starrte ich ihn an.

Joshs Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »War nur Spaß!«

Böse funkelte ich ihn an. »Das hoffe ich für dich!«

Nachdem wir angekommen waren, ging ich direkt auf Louis zu, der alleine auf der Bank saß. »Hey!«, begrüßte ich ihn.

Er erwiderte dies mit einem leichten Lächeln.

»Wo ist May?«, wollte ich wissen und setzte mich neben ihn.

»Oh... May ist leider krank!«, stammelte er.

»Die Arme...«, seufzte ich, »...wünsch ihr gute Besserung von mir!«

Louis wandte den Kopf ab und kratzte sich nervös am Hinterkopf. »M-mach ich!«

Ich fragte mich, warum er so übernervös war. Als ich Scotts verfeindeten Blick sah, erklärte sich alles.

In meinem Magen bildete sich ein Knoten. Hoffentlich ließ er mich heute in Ruhe. Ich beschloss direkt, heute auf keinen Fall alleine herumzulaufen. Scott und ich waren keine wirklich gute Kombination.

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