Kapitel 21 - Blutrote Tränen

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Mit dunkelroter Farbe stand das Wort tot auf der Windschutzscheibe geschrieben. Zitternd stieg ich aus dem Wagen und wischte die einzelnen Buchstaben weg. Die Farbe grub sich in meine Haut und färbte sie blutrot.

Mein Herz pochte. Ich sah mich um. Langsam, bedächtig. Doch weit und breit war kein schwarzer Van zu sehen. Nur ein paar Leute, die abends noch unterwegs waren.

Ich nahm meine Tasche aus dem Wagen und stürmte ins Café. Hoffentlich war Meggie noch nicht gegangen. Ich brauchte meine beste Freundin jetzt mehr als alles andere.

Erst als ich das warme Café betrat, wurde mir klar, wie sehr ich zitterte. Ich schlotterte bis auf die Knie.

Ich hielt nach Meggie Ausschau. Enttäuscht musste ich feststellen, dass sie schon gegangen war. Kein Wunder, ich war ganze fünfzig Minuten zu spät. Da ich mich aber alleine nicht mehr nach draußen traute, suchte ich mir einen Platz ganz hinten in der Ecke und ließ mich auf einen der Stühle nieder.

Ich fühlte mich furchtbar. Er wollte mich umbringen. Dieser fremde Mann wollte mich tot sehen.

Verbittert starrte ich auf meine rote Hand. Was sollte ich nur tun? Zur Polizei?

Das würde nichts bringen. Ich wusste weder wie der Mann aussah, noch wie sein Autokennzeichen lautete. Vor lauter Angst hatte ich das Wichtigste einfach übersehen.

Trotz der behaglichen Wärme im Café blieb mein Körper eiskalt. Ich sah mich um. Der Laden war in einem altmodischen Stil gehalten. Die Farbe Braun überwiegte und gab dem Café ein gewisses Flair. An den roten Tischen hielten sich überwiegend Senioren auf. Das kam mir Recht. Ich wollte nicht, dass jemand aus der Schule mich so aufgelöst und fertig sah.

Als die Bedienung kam, wischte ich mir die letzten Tränen aus dem Gesicht. »Guten Abend. Was darf's sein?«, fragte mich der Kerl in Schürze und zückte seinen Notizblock.

»Nur einen Cappuccino«, krächzte ich.

Die dunklen Augen des Kerls leuchteten auf. Ich senkte den Kopf. Ich wollte nicht, dass jemand bemerkte, dass ich geweint hatte. Ich brauchte kein Mitleid.

»Kommt sofort«, sagte die Bedienung schließlich und verschwand.

Ich holte mein Handy hervor und starrte aufs Display. Ich wollte Meggie erklären, warum ich sie versetzt hatte, aber ich konnte nicht. Sie hatte mir verboten, ihr Nachrichten zu schicken. Und andere Freunde hatte ich leider nicht mehr.

Ich legte den Kopf in die Arme, die ich auf den Tisch platziert hatte. Die ganze Zeit fragte ich mich, wie ich nach Hause kommen sollte. Ich hatte Angst wieder in den Wagen zu steigen. Was war, wenn der Mann nur darauf wartete, dass ich die dunklen verlassenen Straßen ganz allein entlangfuhr?

Bei dem Gedanken fröstelte ich. Im Vergleich dazu war Joshs Schreckattacke von Montagnacht gar nichts mehr. Das war nämlich nur ein mieser Streich gewesen. Die Verfolgung aber war wirklich passiert.

Das Klirren einer Tasse ließ mich den Kopf heben. Mein Cappuccino war da. Doch das war nicht alles. Unter der Tasse lag ein Zettel. Meine Finger wanderten unter den Kaffeeteller.

»Wenn du bis zum nächsten Schichtwechsel bleibst, geht der Cappuccino auf's Haus! ;D«

Mein Blick wanderte durch das Café zur Bedienung. Der Kerl von eben balancierte mehrere Tassen auf dem Tablet und war auf dem Weg in die hinterste Ecke. Mit seinem störrischen hellbraunen Haar, das man am liebsten durchwuscheln wollte, und den weiche Gesichtszügen sah er zwar nicht übel aus, aber ich war momentan überhaupt nicht in der Stimmung.

Andererseits wollte ich kein Geld ausgeben, da ich Jayden ja noch eine ganze Menge schuldete. Also hatte ich wohl keine andere Wahl als zu Bleiben.

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