Kapitel 96 - Schachmatt, Kleines

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Seine grünen Augen musterten mich abschätzig. »Du bist so dumm, Kleines. Weißt du das?«, fragte er mich in einem mitleidigen Ton.

Ich starrte auf die Pistole, die er lässig von der einen Hand in die andere warf. Ich spürte, wie jede Faser meines Körpers sich anspannte. Ich war so gut wie tot.

Mein Herz schlug so heftig gegen meine Rippen, dass Klint meine Angst bestimmt hören konnte. Ich wollte weinen, schreien, nach Hilfe rufen, aber ich konnte nicht. Ich war wie gelähmt.

Plötzlich holte Klint aus und verpasste mir einen Schlag ins Gesicht. Ich taumelte und fiel rücklings in den Schnee. Ich hatte keine Zeit mir Sorgen wegen der Schmerzen zu machen. Ich war viel zu beschäftigt damit, auf seine Waffe zu starren, die genau auf mich zeigte.

Klints Haare waren völlig zerzaust. Seine Augen leuchteten vor Hass. »Viel zu lange habe ich auf diesen Moment gewartet«, flüsterte er.

Ein Schauder nach dem anderen durchjagte meinen Körper. Ich wollte nicht sterben! Ich war doch noch so jung! Ich musste etwas tun!

Ehe er die Finger auf den Abzug legen konnte, tat ich das Einzige, was mir logisch erschien. Das Einzige, was mir vielleicht das Leben retten könnte. Das Einzige, was irgendwie Sinn machte.

Ich holte fast schon reflexartig aus und trat gegen die Hand, in der er die Pistole hielt. Sie glitt ihm aus den Fingern und flog in hohem Bogen zur Seite, wo sie tief im Schnee landete.

Klint starrte mich böse an. Er wollte sich auf mich stürzen, aber ich wälzte mich zur Seite. Schweratmend richtete ich mich auf und wollte die Pistole zu fassen kriegen, Klint hielt jedoch mein Bein fest.

»Lass mich los!«, schrie ich und trat zu.

Aber er ließ nicht locker, sein Gesicht war wutverzerrt. Ehe ich mich versah, zog er mir zurück. Schmerzhaft knallte mein Kopf gegen den Baumstamm hinter mir. Benommen hielt ich mir den Schädel und musste dabei zusehen, wie er sich aufrappelte und seinen Revolver wieder zurück haben wollte.

Stöhnend richtete ich mich auf. Ich hatte keine Zeit mehr. Klints Finger waren beinahe bei der Waffe. Ich musste hier verschwinden. Sofort. Hastig rannte ich weg. So schnell ich konnte. Den ganzen Weg zurück. Dann könnte ich nach Hilfe schreien.

Ich rannte und rannte. Ich kam zu einer Lichtung. Alles sah gleich aus. Jede verdammte Tanne glich der nächsten. Wo war ich? Ich konnte mich doch nicht verlaufen haben. Nicht jetzt.

Schweratmend lief ich weiter in der Hoffnung unser Haus oder die Straße wiederzufinden. In der Hoffnung auf Hilfe zu stoßen.

Als ich um den nächsten Baum lief, stieß ich gegen etwas Hartes und fiel wieder zu Boden. Schmerzhaft stöhnte ich auf und sah auf. Ich weitete die Augen.

Das Positive war, dass ich es nicht mit Klint zu tun hatte. Das Negative, dass es sich um Josh handelte.

Sofort rappelt ich mich auf und wich ein paar Schritte zurück. Ich spürte, wie sich ein schmerzhaftes Ziehen in meiner Brust breit machte. Was Jayden gesagt hatte, ließ nicht mehr von mir. Josh war ein Komplize.

»Allyson!«, seine Augen musterten mich besorgt, »Was ist passiert? Wir haben Schüsse gehört! Und der schwarze Van! Er steht direkt vor eurer Haustür! Wo ist der Typ? Geht's dir gut?« Er wollte nach meiner Hand greifen, aber ich wich zurück.

»Was ist los?«, fragte Josh und zog die Augenbrauen zusammen.

Ich presste meine Arme an meinen zitternden Körper. »Hilfst du ihm?«, fragte ich und versuchte nicht in Panik auszubrechen. Ich wusste, ich hätte nicht viel Zeit, aber ich musste die Wahrheit hören.

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