Kapitel 14 - Grausame Erinnerungen

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Nachdem ich Meggie mein Herz ausgeschüttet und ihr alles - wirklich jedes noch so kleine Detail - erzählt hatte, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Ab jetzt wollten wir versuchen uns immer heimlich zu treffen, wie zum Beispiel morgen nach der Schule. Wir mussten uns sehen. Meggies Eltern konnten uns nicht davon abhalten. Es war die richtige Entscheidung gewesen, zu diesem Treffen zu kommen. Denn nun hatte ich endlich meine beste Freundin wieder.

Ich wechselte die Straßenseite. Ich musste um jeden Preis herausfinden, was Mom am Abend des Juwelierüberfalls getan hat. Sollte ich ein paar von ihren Freundinnen und Kollegen anrufen? Wussten die vielleicht etwas?

Ich schüttelte den Kopf. Das hatte die Polizei bestimmt schon erledigt und wenn dabei etwas Brauchbares herausgekommen wäre, hätte man sicherlich bereits davon erfahren.

Ein Motorbrummen, das seit einigen Momenten weder leiser noch lauter wurde, weckte meine Aufmerksamkeit.

Ich drehte mich um und entdeckte einen schwarzen Van mit abgedunkelten Scheiben, der schleppend die schwach beleuchtete Straße entlangfuhr.

Erst dachte ich mir nichts dabei, aber als der Wagen nach fünf Minuten immer noch langsam hinter mir her rollte, fühlte ich mich beobachtet. Verfolgte der Van mich etwa oder war das nur meine voreilige Paranoia?

Absichtlich wählte ich einen Umweg, um zu sehen, ob der Van mir folgen würde. Ich bog ab und warf einen flüchtigen Blick nach hinten. Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass der Van ebenfalls nach links schwenkte. Hastig beschleunigte ich mein Tempo, was Fahrer mir gleichtat.

Nun war es klar. Wer auch immer in diesem Wagen saß, verfolgte mich.

Der Gedanke schnürte mir die Kehle zu und verwandelte meine Beine in Blei. Blei, das mich immer langsamer vorankommen ließ. Der Sturz vom Fahrrad machte mir immer noch zu schaffen.

Was sollte ich tun? Bis zu Onkel Harry waren es zwar nur noch fünf Minuten, aber zwischen der Riverstreet und dieser Straße gab es ein ganzes Stück, das völlig unbewohnt war. Dort alleine herumzulaufen wäre wahnsinnig.

Verängstigt starrte ich das letzte Haus dieser Straße an und ging dann ohne zu zögern darauf zu. Ich tat so, als würde ich hier wohnen und im Notfall klopfte ich an.

Mit rasendem Herzen sprintete ich die Stufen hoch und legte die Hand auf den Türknauf. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich den Wagen.

Der dunkle Van wurde langsamer. Ich zitterte bis in die Knie.

Mit unruhiger Hand tat ich so, als würde ich in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel suchen.

Der Wagen beschleunigte und fuhr rasend davon.

Ich sollte erleichtert sein, doch mein Herz schlug immer noch wie verrückt gegen meinen Brustkorb. Wer auch immer im Van saß, hatte mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt.

Ich wartete noch einige Momente ab, bis ich mir zu hundert Prozent sicher sein konnte, dass er endgültig verschwunden war. Dann sprintete ich die letzten fünf Minuten durch.

Mich plagte die Angst, dass mein Verfolger irgendwo auf der Lauer war und nur darauf wartete, dass ich ihm in die Arme lief. So zuckte ich bei jedem Knacken der Äste und Rascheln im Gebüsch wie eine Geisteskranke zusammen.

Das Atmen fiel mir schwerer. Erste Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Erst als Onkel Harrys Haus endlich in Sichtweite war, wurde mir wieder etwas behaglicher zu Mute. »Endlich...«, brachte ich keuchend hervor und verlangsamte mein Tempo.

Mit dem Gedanken, mich gleich wieder in meinem sicheren Zimmer zu befinden, normalisierte sich mein Puls allmählich.

Nur, um dann wieder in die Höhe zu schießen, als mich plötzlich jemand von hinten packte und eine große Hand sich auf meinen Mund presste.

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