Kapitel 66 - Unterschätze Niemanden

5.5K 407 63
                                    

Plötzlich schien sich die ganze Welt um 180 Grad zu drehen. Es war so, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.

»D-du bist der... «, ich wollte es gar nicht aussprechen, so schockiert war ich.

Collin beendete meinen Satz: »Ja, ich bin der Sensenmann!«

Ich spürte, wie sich jede Faser meines Körpers anspannte. Mein Herz schlug so laut gegen meine Rippen, dass Collin meine Angst bestimmt hören konnte.

Verständnislos starrte ich ihn an. »A-ber... aber wieso?« Meine Stimme war nur noch ein kaum hörbares Piepen.

Collin verschränkte die Arme vor der Brust. »Weil deine Mutter meinen Onkel ermordet hat.«

Mir klappte der Mund auf. »George Haal ist dein Onkel?!«

Collin grinste. »War es denn so schwer, darauf zu kommen?«

Entsetzt sah ich in seine eisblauen Augen, die mich eindringlich musterten.

Ich konnte es nicht fassen. Collin war... mein Verfolger?

»Aber... das heisst ja, dass du mich von Anfang an belogen hast!« Vor lauter Anspannung bebte mein ganzer Körper.

»Ja, das stimmt!« , gab Collin nickend zu, »Du warst so naiv, Allyson! Es war fast schon zu einfach.«

»Du... hast den Stammbaum gefälscht...« , flüsterte ich fassungslos, »...du hast mich die ganze Zeit an der Nase herumgeführt... und ich habe es nicht mal bemerkt.«

Ich spürte, wie mich meine Gefühle überwältigten. Meine Augen fingen an zu brennen. »Ich dachte die ganze Zeit... wir... wir... wären Freunde!«, schluchzte ich und presste verbittert die Lippen aufeinander.

Collin lachte verspottend auf. »Das ist also deine Definition von Freundschaft? Du hast mich doch nur benutzt«, seine Miene verfinsterte sich, »Ich hätte dir am liebsten von Anfang an den Hals umgedreht.«

Ich war schockiert. Schockiert, dass Collin in Wahrheit so empfand.

Ich wischte mir über das Gesicht. »Und was ist mit der roten Farbe? Der Farbeimer, der auf dich gefallen ist, als du mich aus dem Schrank befreit hast? War das auch eine deiner Drohungen?«

Collins grinste wieder. Aber es war kein Grinsen aus Freude, sondern ein wahnsinniges, ein verrücktes Grinsen. »Eigentlich war das so gar nicht geplant, aber als du mich gebeten hast, dir etwas aus deinem Spind zu geben, hatte ich eine viel bessere Idee! Ich habe die Farbe auf mich genommen, um mein perfektes Alibi noch perfekter zu machen.«

Er machte einen Schritt auf mich zu. Doch ich war nicht fähig mich zu bewegen. Ich versuchte das alles zu verstehen. »Und das durchgeschnittene Fahrradkabel?«, fragte ich unsicher.

Collin lachte auf. »Schade, dass du dir an dem Tag nichts gebrochen hast!«

Ich schüttelte den Kopf. »Das Video?«

Collins Grinsen wurde noch breiter. »Jaydens Gesicht war unbezahlbar, als er dachte wir wären ein Paar. Ich wollte ihm auch mal so richtig eins auswischen!«

Entsetzt starrte ich ihn an. Aber dann fiel mir etwas viel Schlimmeres ein. »Oh, Gott!«, stöhnte ich, »Du warst bei der Polizei und hast den Zettel, den ich im Wald gefunden habe, dort abgegeben! Wegen dir wurde ich festgenommen und verdächtigt! Es ist nie jemand bei dir eingebrochen!«

Er schmunzelte. »Du verstehst schnell.«

Ich konnte es nicht glauben! Nein, ich wollte es nicht glauben! Collin war mein Verfolger?

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt