Kapitel 22 - Prinz Charming

7.6K 472 35
                                    

Gerade als ich Onkel Harrys Wagen steigen wollte, hörte ich, wie Danny meinen Namen rief. Er sprintete mit Vollgas in meine Richtung.

»Was willst du?«, brummte ich, als er vor mir stand.

Doch er ging gar nicht auf meine Frage ein, sondern schlug mir die Autotür vor der Nase zu. Anstatt mir vernünftig eine Antwort zu geben, baute Danny sich vor mir auf und stützte seine rechte Hand neben meinem Kopf auf der Autotür ab. Er war so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Der Gedanke, dass Josh mir heute Nachmittag auch so nahegekommen war, ließ mich erschaudern.

»Was hat Brad dir erzählt?«, fragte Danny.

»Das weißt du ganz genau!« Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? »Und jetzt lass mich in Ruhe«, keifte ich ihn an und versuchte ihn von mir weg zu drücken.

Doch Danny nahm mit Leichtigkeit meine Hände in seine. »Ich frage dich noch einmal«, seine Stimme war ruhig, »Was hat Brad dir erzählt?«

So fest wie er meine Hände hielt, bezweifelte ich, dass er mich ohne Antwort gehen ließ.

Ich stieß die Luft aus meinen Lungen. »Er hat gesagt, dass«, ich zögerte, »dass du jedes x-beliebige Mädchen anmachst und das deine Masche ist.«

Danny öffnete den Mund. »Dieser Vollidiot!«, fluchte er, »Du darfst ihm nicht glauben, Allyson. Der erzählt immer nur Mist über mich.«

Sollte ich ihm glauben? Da ich ihn nicht wirklich kannte, war es schwer einzuschätzen, ob er wirklich die Wahrheit sagte oder nicht.

Dann fiel mir ein, dass man Mom verdächtigte eine Mordtat begangen zu haben, obwohl sie unschuldig war. Vielleicht war Danny genauso unschuldig? Vielleicht hatte Brad wirklich gelogen? Das hoffte ich zumindest. Die Stunde im Café hatte mir nämlich wirklich gefallen. Außerdem konnte diesen hellen Augen doch keiner widerstehen.

Mir kam eine Idee. »Okay. Weißt du was?« Ich biss mir auf die Lippe. »Meine Mom sitzt im Knast.«

Klar, jeder würde jetzt denken, ich wäre wahnsinnig, aber wenn das Danny nicht abschreckte, was ich stark bezweifelte, dann mochte er mich vielleicht wirklich und ich wusste, dass er die Wahrheit sagte.

Danny senkte den Kopf. »Ich weiß«, murmelte er, »Das tut mir leid.«

Ich glaubte mich verhört zu haben. Hatte er soeben gesagt, dass er bereits davon wusste?

Danny kratzte sich am Hinterkopf. »Irgendwie hast du mich die ganze Zeit an jemanden erinnert, dessen Bild in der Zeitung gesehen habe«, brachte er zögernd hervor, »Als du bei meinem Witz nicht gelacht hast, ist es mir irgendwie klar geworden.«

Also damit hatte ich nun echt wirklich gerechnet. Ich war so erstaunt, dass ich kein einziges Wort hervorbrachte. Er wusste von Mom? Danny wusste, dass sie gerade in Untersuchungshaft saß und war mir trotzdem nachgelaufen? Er verurteilte mich nicht?

Mit durchströmte ein Glücksgefühl. Plötzlich gefiel mir Danny umso mehr. Allein die Tatsache, dass er unter diesen Umständen freiwillig mit mir redete, stimmte mich fröhlich. »Okay, ich glaube dir« , lächelte ich ihn an, woraufhin er die Hand triumphierend in den Nachthimmel hob.

* * *

Ich konnte es nicht fassen! Ein Tag, der nicht schlimmer hätte sein konnte, endete zur Abwechslung mal gut. Zufrieden ließ ich mich ins Bett fallen. Danny hatte mich all meine Sorgen vergessen lassen. Und nächsten Freitagabend würden wir zusammen auf eine angesagte Party gehen, zu der er mich eingeladen hatte. Dort würde er sogar mit seiner Band auftreten, was mich noch glücklicher stimmte. Ich wollte unbedingt seine Stimme hören. Ich wollte mehr über ihn erfahren.

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt