Kapitel 56 - Sieben Minuten im Himmel

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Insgesamt waren wir 27 Jugendliche, die im Kreis saßen. In der Mitte stand die leere Flasche. Melissa und Teddybär spielten mit, Bree hatte sich im letzten Moment dagegen entschieden. Zu unserem Bedauern, denn jetzt war die Wahrscheinlichkeit kleiner, den richtigen Leuten eine Frage zu stellen. Außerdem mussten Meggie und ich hoffen, dass die beiden Hauptverdächtigen Wahrheit wählten. Die Chance war zwar sehr gering, aber immerhin besser als gar nichts.

Das Einzige, was mir überhaupt nicht gefiel, war die Tatsache, dass Scott und Josh ebenfalls mitspielten. Scott war schon angetrunken und warf mir immer wieder interessierte Blicke zu, was mich anwiderte. Josh dagegen sah man an, dass er sich fragte, warum ich nach meinem vorgetäuschten Toilettengang nicht wieder aufgetaucht war.

Sofort wandte ich den Blick ab und sah zu Meggie, die anfing, die Flasche zu drehen. Sie hielt bei einem süßen Mädchen im Katzenkostüm, dass nur drei Plätze weiter saß.

»Wahrheit oder Pflicht?«, fragte Meggie.

Das Mädchen nahm Wahrheit.

Meine beste Freundin stellte ihr eine Standardfrage. »Wie war dein erster Kuss?«

Sofort lief das Mädchen rot an. Ihre Freundin musste ihr in die Seite stoßen, damit sie antwortete. »Ich hatte meinen ersten Kuss noch nicht...«, stammelte sie daraufhin hochnervös.

»Ich melde mich freiwillig!«, jolte ein Typ in Werwölfskostüm und zwinkerte ihr zu. Ein paar Jungs fingen an zu lachen.

Das Mädchen wurde nur noch roter. Nervös nahm sie die Flasche in die Hand, um sie zu drehen. Nach ein paar Umdrehungen zeigte die Flasche auf den Zombiejungen, der mich vorhin bei meiner Lauscherei gestört hatte. Er nahm Pflicht.

Das Katzenmädchen ließ sich von ihrer Sitznachbarin etwas zuflüstern.

»Zeig dein Sixpack!«, forderte das Mädchen ihn plötzlich auf.

Stolz erhob er sich von seinem Platz und gab mit seinem trainierten Oberkörper an.

Das war ja noch harmlos. Aber ich wusste, dass einen Unangenehmes erwarten könnte, wenn man Pech hatte.

Wie erwartet ließ das Unglück nicht lange auf sich warten.

Nach dreißig Minuten starrte ich mit umgedrehten Magen auf die Flasche, die sich immer weiter im Kreis drehte. Der komplette Plan war nach hinten geschossen. Meggie und ich konnten kein einziges Mal einen Treffer auf Melissa oder den Teddybären erzielen.

Der Spieß ist sogar umgedreht worden! Einmal hatte die Flasche auf mich gezeigt - ausgerechnet, als Melissa sie gedreht hatte.

Ich hatte sofort Wahrheit genommen, weil ich nicht so wie Meggie enden wollte, die einen Jungen mit schmieriger Gelfrisur küssen musste. Die Frage, die Melissa mir gestellt hatte, war im Gegensatz dazu vollkommen harmlos. »Wen würdest du jetzt gerne küssen?«, hatte sie von mir wissen wollen. Ich hatte einfach mit dem Namen eines heißen Sängers geantwortet und mich geschickt aus der Sache gemogelt.

Jetzt war die letzte Runde. Irgendwie war ich erleichtert, aber auch enttäuscht, dass dieses Spiel nur unnötig unsere Zeit vergeudet hatte. Ich warf Meggie einen flüchtigen Blick zu. Sie lächelte mir aufmunternd zu und beobachtete dann die Flasche, die wieder gedreht wurde.

Sie hielt bei Josh, der schon die ganze Zeit von allen Mädchen angegafft wurde. Ich musste mir selbst eingestehen, dass dieser Smoking ihm echt gut stand. Perfekt schmiegte er sich an seinen Körper und stellte seine Muskeln zur Schau.

»Pflicht«, wählte er.

Die Augen des Mädchens, das die Flasche gedreht hatten, trugen ein mysteriöses Funkeln in sich. »Gut«, grinste sie, »7 Minuten im Himmel mit der Person, auf die die Flasche als nächstes zeigt. Egal, ob Mann oder Frau.«

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