Kapitel 29 - Auf sich allein gestellt

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Doch dann verging Officer Brown sein Grinsen. Ruckartig erhob er sich von seinem Stuhl und stapfte davon. Was war denn jetzt los?

Mit ahnungsloser Miene wandte ich mich dem anderen Polizisten zu, der mich sofort aufklärte. »Das Blatt, in der Form wie Sie es gefunden haben, ist exakt vierzehn Tage alt«, erklärte er mir anhand der Analyseergebnisse, »Der Überfall auf Don's Juwelier ereignete sich jedoch vor fünfzehn Tagen. Das heißt, dass der Brief erst nach dem Verbrechen erstellt worden ist.«

Ich runzelte die Stirn. »Also, bin ich unschuldig?«

Der Officer nickte. Danach hielt er mir eine Predigt. Ich solle in Zukunft direkt zur Polizei kommen, wenn etwas nicht stimmte. Das erleichtere die Arbeit und erspare eine Menge Stress. Das glaubte ich ihm aufs Wort.

Ich verließ das Polizeipräsidium. Da hatte ich nochmal Glück gehabt. Damit war auch Collin davongekommen. Wenn das hier nämlich schlecht ausgegangen wäre, hätte ich ihm den Kopf abgerissen. Trotzdem schuldete er mir noch eine Erklärung.

Draußen dämmerte es bereits. Mit schnellen Schritten machte ich mich auf dem Weg nach Hause. Die ganze Zeit kursierten meine Gedanken um dieses dämliche Stück Papier. Irgendwann leuchtete mir ein, dass mich der Brief auf eine komplett falsche Fährte gelockt hatte. Waren am Verbrechen doch nicht zwei Personen beteiligt? War es vielleicht doch nur eine Person gewesen, die George Haal ermordet hatte?

Nachdenklich lief ich die Straße entlang. Dieses verdammte Stück Papier hatte plötzlich keinerlei Bedeutung mehr. Jetzt war ich genauso schlau wie am Anfang. Wie zum Teufel sollte ich nun Moms Unschuld beweisen? Ich hatte keine Anhaltspunkte und irgendwie sprach auf einmal alles dafür, dass sie es doch war. Ihre Nervosität am Tag vor dem Verbrechen. Die Tatsache, dass sie nicht sagen wollte, wo sie zum Tatzeitpunkt war. Ich wollte nicht daran denken, aber was war, wenn ich mich geirrt hatte? Was war, wenn meine Mutter wirklich eine Mörderin war?

Den ganzen Weg hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen. Als ich fast zu Hause ankam, erblickte ich Josh, der mal wieder rauchend vor seiner Haustür stand. Am liebsten hätte ich direkt einen ganz großen Bogen um ihn herumgemacht. Ich hatte mich nämlich total blamiert. Anstatt, dass er festgenommen wurde, war ich diejenige, die von der Polizei abgeführt wurde.

Ich versuchte stumm an ihm vorbeizulaufen und ihn einfach zu ignorieren. Doch der erstickende Zigarettengeruch machte es mir nicht gerade leicht. »Schon wieder auf freiem Fuß, Parker?«, fragte er neckend.

Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und an ihm vorbei in Onkel Harrys Haus. Genervt schloss ich die Tür hinter mir und ging in die Küche. Max und Onkel Harrys saßen bereits am Tisch und hatten ihr Abendessen. Champignontasche mit Spinatcremesoße. Man, duftete das himmlisch! Sofort lief mir das Wasser im Mund zusammen. Erst jetzt merkte ich, was für einen großen Hunger ich eigentlich hatte. Kein Wunder, im ganzen Chaos hatte ich ja das Mittagessen verpasst!

»Allyson, wo warst du die ganze Zeit?«, erkundigte sich mein Onkel, »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«

Ich stieß einen Seufzer aus. »Auf dem Polizeirevier!«

Onkel Harry verschluckte sich beinahe an seinem Essen. »Was zum Teufel ist passiert?«

»Das ist eine lange Geschichte«, murmelte ich, »Auf jeden Fall war der ganze Stress umsonst und ich durfte wieder gehen.«

Onkel Harry musterte mich erwartungsvoll. Ich ließ den Kopf hängen. »Tut mir leid. Ich habe jetzt echt keine Lust, darüber zu reden.«

Mit einem verständnisvollen Nicken wandte er sich wieder seinem Essen zu. Ich starrte auf den Teller und begann wie ein wildes Tier zu essen.

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