Kapitel 39 - Unfreiwilliger Partner

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»Wow, du bist aber heftig!«, staunte May, »Ich hätte echt nicht gedacht, dass du nachdem, was letzter Woche passiert ist, wieder hier auftauchst.«

Louis nickte zur Bestärkung.

Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. May hatte vollkommen Recht. Letzte Woche erlebte ich den peinlichsten Auftritt meines Lebens und wurde von Josh bis in die Ohnmacht getrieben. Doch jetzt stand ich wieder hier in dieser Sporthalle und wollte am Selbstverteidigungskurs teilnehmen.

Im ersten Moment schien es verrückt, weil ich ja noch die Wunde am Bauch hatte. Aber es war gar nicht so schlimm, wie ich zuerst angenommen habe. Als ich mich gestern nämlich endlich getraut hatte, unter dem Pflaster nachzusehen, musste ich feststellen, dass nur zwei nicht so tiefe Schnittwunden meinen Bauch zierten.

Meiner Meinung nach war das kein Grund, sich komplett zurückzuziehen. Außerdem war ich gekommen, weil ich nur auf Nummer sicher gehen wollte, um mich im Ernstfall verteidigen zu können und für meinen Verfolger keine leichte Beute zu sein.

Okay, der wahre Grund war eigentlich, dass ich Josh irgendwie fragen wollte, warum sein Handy am Samstag in meiner Jackentasche steckte. Oder warum ich sein Shirt getragen hatte. Bei dem Gedanken lief es mir eiskalt über den Rücken.

»Wie wäre es, wenn wir nicht über mich reden«, grinste ich May und Louis an, »Erzählt mir doch mehr über euch! Das kam letzte Woche nämlich echt kurz.« Ich wollte wissen, wie sie zusammen gekommen waren. Ich war mir nämlich sicher, dass dahinter eine süße Geschichte steckte.

Doch ehe die beiden auch nur ein Wort über die Lippen bringen konnten, betrat Josh die Sporthalle und trommelte alle zusammen. »So, Leute! Nachdem wir letzte Woche den Würgegriff von hinten behandelt haben...«, sein Blick wanderte durch die Runde und blieb plötzlich bei mir stehen.

Sichtlich überrascht musterte er mich. Seinem Gesichtsausdruck zufolge, hatte er nicht damit gerechnet, mich ausgerechnet hier wieder zu sehen. Als wäre es das Absurdeste, was es gab. Was war daran so merkwürdig, dass ich hier stand? Mir war zwar immer noch peinlich, was am Samstag vorgefallen war, dennoch hielt ich seiner verwunderten Miene weiterhin stand und versuchte mir nichts anmerken zu lassen.

Nach ein paar unerträglichen Sekunden räusperte er sich endlich. »Heute geht es um Folgende Situation...«, fuhr er zögernd fort und nickte Louis zu, der das Gesicht verzog. Man sah ihm deutlich an, dass er die Übung nicht mit Josh vormachen wollte. Wieso wählte er ausgerechnet ihn dafür aus? Louis war doch viel zu schwach und verletzlich! Und das wusste Josh ganz genau!

Sofort bahnte sich in mir Wut an. Und ehe ich wirklich darüber nachgedacht hatte, platzte es einfach aus mir heraus: »Wieso wählst du immer Louis dafür aus? Nimm doch jemanden, der das freiwillig machen will!« Meine schrille Stimme drang durch die ganze Halle.

Sofort waren alle Blicke auf mich gerichtet. Louis wurde vor Scham nur noch roter. Aber May grinste mir dankend zu. Naja, und Josh? Wie sollte man das ausdrücken? Der zeigte mal wieder seine kratzbürstige Seite. »Okay, Parker!«, böse funkelte er mich an, »Wenn du unbedingt meinst meinen Unterricht verbessern zu müssen, wählen wir ruhig jemanden anderen aus! Wer will?«

Plötzlich bereute ich es, irgendetwas gesagt zu haben, denn ausnahmslos alle starrten mich an. Keiner meldete sich freiwillig, vielmehr verurteilten mich die Blicke. Anscheinend waren bisher alle zufrieden damit gewesen, dass immer Louis ausgewählt wurde.

»Sie kann die Übung vormachen«, sprach einer der Jugendlichen den Gedanken aller aus. Der blonde Typ zeigte auf mich. Sofort stimmten alle zu, woraufhin sich mein Magen verkrampfte. Was zur Hölle hatte ich angerichtet? In meinem Eifer, Louis zu schützen, hatte ich mich selbst in Schwierigkeiten gebracht!

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