Kapitel 40 - Tiefe Narben

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Da ich es nicht mehr aushielt, auch nur einen Moment länger in Joshs Nähe zu sein, lief ich einfach aus der Sporthalle. Ich wollte nach Hause. Einfach nur weg von hier. Weg von Josh.

Auf meinem Weg nach draußen, nahm ich aber plötzlich einen erstickten Schrei wahr. Erschrocken wirbelte ich herum und hielt inne.

Aus der Jungsumkleide kam erneut ein Schrei. Daraufhin ertönte ein wütendes Fluchen. Für mich hörte es sich ganz so an, als wäre ein heftiger Streit ausgebrochen.

Zögernd ging ich auf die Tür zu und lauschte.

»Hör auf!«, hörte ich eine Stimme wimmern, »Bitte!«

Reflexartig legte ich meine Hand auf den Türknauf und wollte sie öffnen. Irgendjemand brauchte Hilfe. Das war sicher.

Schritte näherten sich mir.

Ich drehte mich um und entdeckte May im Gang. »Weisst du, wo Louis ist? Er ist schon seit zehn Minuten verschwunden!« Ihr Gesicht sah mehr als besorgt aus, als sie plötzlich ebenfalls die Schreie aus der Umkleide wahrnahm.

Ich schlug die Tür auf und lief mit May geradewegs in die Umkleide. Die Tür zu den Sammelduschen stand offen, ein weiterer Schrei war zu hören.

Sofort stürmten wir dort rein. Was May und ich aber dann zu Gesicht bekamen, schockierte uns beide so sehr, dass wir entsetzt aufstöhnten.

Louis lag zusammenkauert auf dem Boden und war völlig durchnässt. Er hielt sich die Nase und sah mit angstverzerrtem Gesicht zu Scott auf, der drohend die Fäuste durch die Luft schwang.

»Sag mal! Was zur Hölle soll das hier werden?«, schrie ich Scott an und stellte mich mit ausgestreckten Armen vor Louis, um weitere Angriffe zu verhindern.

May kniete sich sofort zu ihrem Freund herunter und redete beruhigend auf ihn ein.

Scotts grauen Augen blitzten mich verachtend an. Er sah furchtbar wütend aus. Ich konnte mir auch schon denken warum.

Nur wegen mir musste er mit Josh die Übung vormachen und sich demütigen lassen.

Aber das war meiner Meinung nach noch lange kein Grund so auszurasten und wenn, dann doch nicht an Louis! Ich war doch diejenige gewesen, die ihren Mund aufgemacht hatte.

Scott ballte die Hände zu Fäusten. »Du!«, fuhr er mich an, »Nur wegen dir habe ich mich vor allen blamiert!«

»Das war aber zum Teil auch deine eigene Schuld!«, keifte ich ihn an.

Doch das stimmte Scott nicht gerade fröhlicher. Verspottend ließ er den Blick an mir herabwandern. »Wo ist denn das unschuldige Mädchen verletzt?«, fragte er in höhnischem Ton.

Ertappt blickte ich zu May und Louis, die uns angespannt beobachteten.

Dann wandte ich mich wieder Scott zu. »Das geht dich überhaupt nichts an«, gab ich schnippisch von mir und verschränkte die Arme vor der Brust.

Äußerlich machte ich vielleicht einen starken Eindruck, doch innerlich sah es ganz anders aus. Irgendwie hatte Josh es geschafft, mir Angst einzujagen. Was war, wenn meine Wunde doch wieder aufging?

»Ich glaube dir kein Wort!«, Scott verengte die Augen zu Schlitzen, »Aber ich weiß, wie wir hier gleich jemanden vor uns stehen haben können, der wirklich verletzt ist.« Ehe ich reagieren konnte, packte er mich und schubste mich gegen die Wand hinter mir.

Schmerz zuckte durch meinen Schädel, als er gegen die Fließen stieß. Ich stöhnte.

So wie Scott aussah, hätte er sich sicherlich auf mich gestürzt, aber May und Louis verhinderten dies, indem sie sofort aufsprangen und sich schützend vor mich stellten.

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