Kapitel 67 - Ein Verrückter

5.9K 423 56
                                    

Er stemmte sein ganzes Gewicht auf mich. Sein Gesicht war wutverzerrt. Die blauen Augen brannten nur so vor Hass.

Panisch versuchte ich ihn von mir wegzudrücken. Doch es brachte nichts. Ich war im Nachteil. Mein Arm schmerzte so sehr, dass ich bereits die Befürchtung hatte, die Wunde wäre wieder aufgegangen. Außerdem bohrten sich Gitterstäbe unangenehm in meinen Rücken.

Plötzlich fasste Collin mich an den Schultern. Erschrocken schrie ich auf, als er mich weiter nach hinten drückte.

Mein Oberkörper ragte so weit über dem Geländer hervor, dass meine Füße nicht mal mehr den Boden berührten.

Weil ich nicht wusste, wie ich mir sonst anders helfen sollte, schlug ich Collin mit der rechten Faust direkt von unten gegen das Kinn, wofür er kurz aufschrie und mich losließ.

Als ich den Boden wieder unter meinen Beinen spürte, nutzte ich meine wahrscheinlich letzte Chance und verpasste ihm einen kräftigen Schubs.

Collin fiel mit dem Kopf voran gegen das Gitter.

Kurz dachte ich, er wäre ohnmächtig geworden, doch dann starrte er mich wutverzerrt an. Ich stöhnte auf und sprintete wieder in das Zimmer. Dann stürmte ich keuchend die Treppen herunter. Ich musste hier raus! Sofort!

»Na, warte!«, hörte ich Collin rufen. Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass er mir dicht auf dem Fersen war.

Ich erblickte die Haustür. Nur noch wenige Meter. Das musste ich doch irgendwie schaffen!

Hastig stolperte ich die letzte Stufe herunter. Doch genau in dem Moment bekam Collin mich zu fassen.

Meiner Kehle entwich ein schriller Schrei, als er plötzlich seinen Arm von hinten um meinen Hals legte. Der Druck wurde so fest, dass ich keine Luft zum Atmen bekam. Zappelnd versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien.

Aber ich hatte ihn vollkommen unterschätzt. Er war viel stärker, als ich gedacht hatte. Meine Lunge brannte wie verrückt. Ich konnte es mit Collin nicht aufnehmen.

Plötzlich kam mir etwas in den Sinn. Diese Situation hatte ich so ähnlich doch schon einmal erlebt. Bei der Selbstverteidigung!

Sofort hob ich die Hand und umklammerte Collins Arm. Ich sammelte meine letzten Kräfte und beugte dann meinen Oberkörper ruckartig nach vorne. Collins Griff löste sich und er landete im hohen Bogen auf dem Boden. Stöhnend verzog er das Gesicht. Es hatte funktioniert! Joshs Selbstverteidigungstechnik hatte zum ersten Mal geklappt!

Ich schnappt nach Luft und taumelte nach draußen. Der kalte Wind flog mir entgegen und ließ mich erschaudern.

Hilfesuchend starrte ich auf einen Fußgänger, der vor dem Haus stehen geblieben war. Anscheinend hatte er meine verzweifelten Schreie gehört. Mit rasendem Herzen lief ich auf ihn zu.

Dann bemerkte ich, dass es sich um Dean handelte. Seine blauen Augen sahen mich überrascht an. »Dean!«, keuchte ich erleichtert und stolperte auf ihn zu.

»Was ist passiert?« Seine Augen weiteten sich, als er mich genauer in den Augenschein nahm.

Ich hatte keine Nerven und vor allem keine Zeit, ihm alles zu erzählen. »Ruf die Polizei! Schnell!«, brachte ich krächzend hervor, »Sag denen, hier wollte mich jemand umbringen!« Die Worte klangen bitter. Aber es war die Realität. Collin hatte versucht mich umzubringen.

Dean stand vor Schock der Mund offen. »Geht es dir gut?«

Benommen schüttelte ich den Kopf und starrte zur Haustür, aus der jeden Moment Collin herausstürmen könnte.

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt