Kapitel 36 - Zwei Streithähne

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Ich war so überfordert, dass ich kein einziges Wort herausbrachte. Wie erstarrt sah ich zu Onkel Harry, der wütend die Arme vor der Brust verschränkte und Josh verachtend musterte.

»Was soll das hier werden?«, fragte er finster und spannte den Kiefer an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Denn egal, was ich sagen würde, Onkel Harry würde mir sowieso nicht glauben.

Hilflos sah ich zu Josh. Innerlich hoffte ich, dass er mich nur dieses eine Mal verschonte.

Seine braunen Augen funkelten mich mysteriös an. War das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Verunsichert hielt ich die Luft an.

Dann ließ Josh mich endlich los und richtete sich auf. Angespannt sah ich ihm dabei zu, wie er auf Onkel Harry zu ging, der vor Wut nur so kochte.

Eigentlich hätte ich mir denken können, dass Josh mir natürlich nicht aus dieser Situation heraus half. Es war dumm, auch nur einen Moment anzunehmen, dass er vielleicht doch eine gute Seite besitzen könnte.

Er steuerte auf die Tür zu. »Ich gehe schon!«, seufzte er genervt.

Onkel Harry zog die Augenbrauen in die Höhe und beobachtete jeden einzelnen seiner Schritte.

Ehe Josh die Tür schloss, musste er jedoch unbedingt darauf anlegen. Er liebte es, Onkel Harry zu provozieren und ließ sich diese perfekte Gelegenheit natürlich nicht entgehen.

»Eins muss man deiner Nichte lassen!«, grinste er verlogen, »Sie ist eine exzellente Küsserin!« Mit diesen Worten warf er die Tür hinter sich zu und machte seinen Abgang.

Mir klappte der Mund auf. Onkel Harry fing an, zu knurren. »Allyson, sofort ins Wohnzimmer!«, er kochte vor Wut, »Max, komm. Ich bringe dich nach oben.«

Er nahm meinen kleinen Bruder bei der Hand und brachte ihn hoch.

Ich schluckte schwer. Das würde Ärger geben.

Mit wackeligen Beinen begab ich mich ins Wohnzimmer und versuchte mir krampfhaft, eine Ausrede einfallen zu lassen. Mir fiel nichts ein. Aber die Wahrheit konnte ich ihm auch nicht sagen. Wenn er von meiner Verletzung oder dem Sturz von der Treppe erfahren würde, würde er vor Besorgnis sterben und mich nie wieder aus dem Haus lassen.

»Was fällt dir ein, ausgerechnet Josh zu küssen?«, fuhr er mich direkt an, sobald er den Raum betreten hatte, »Ich habe dir doch ausdrücklich gewarnt, dich von ihm fernzuhalten! Er ist gefährlich!« Abweisend verschränkte er die Arme vor der Brust.

»Ich habe ihn nicht... geküsst!«, war das einzige, was ich zu meiner Verteidigung sagen konnte.

Onkel Harry lachte verbittert auf. »Dieses Mal kannst du dich nicht rausreden! Ich wusste doch, dass zwischen euch beiden etwas läuft!«

Mir klappte die Kinnlade herunter. Er dachte ernsthaft, dass zwischen mir und Josh etwas laufen würde?

»Zwischen uns läuft überhaupt nichts!«, erwiderte ich entsetzt.

Das Einzige, was da lief, war ein andauernder Krieg! Was zum Teufel bildete sich Onkel Harry da ein?

Enttäuscht schüttelte er den Kopf. »Ich fasse es nicht!«, rief er wütend aus, »Warum ausgerechnet dieser Teufelsbraten? Allyson, wieso?« Seine Stimme klang fast schon verzweifelt. Die Verachtung gegenüber Josh war kaum zu überhören.

»Ich habe nichts mit Josh! Onkel, du musst mir glauben«, versuchte ich ihn zu überzeugen, »Ich hasse diesen Typen! Er wäre der Letzte, mit dem ich etwas anfangen würde!«

Onkel Harry schüttelte enttäuscht den Kopf. »Dass du mich anlügst, macht es nur noch schlimmer!« Ein Schatten legten sich über sein Gesicht.

Ich habe nicht gelogen! Wütend schnaubte ich auf. Josh wurde mir von Tag zu Tag immer unsympathischer! Doch Onkel Harry schien so überzeugt zu sein, dass die ganze Diskussion keinen Sinn mehr machte. Genervt stand ich auf und wollte auf mein Zimmer.

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