Kapitel 63 - Ängste und Unsicherheiten

6.1K 413 82
                                    

Die nächsten drei Tage blieb ich zu Hause. Ich fühlte mich zu schwach, um zur Schule zu gehen. Onkel Harry dachte, dass ich krank war, da ich aussah wie eine Leiche. Meine Augen waren rot unterlaufen, die Haut blass, das Haar spröde. Die ganze Zeit musste ich an Halloween denken.

Meinen Verband hatte ich vor Onkel Harry versteckt gehalten und stets ein langes Oberteil angezogen. Er durfte nicht wissen, was wirklich los war. Teilweise dachte er sogar, dass es an meinen Albträumen lag, da ich jede Nacht schreiend aus dem Schlaf schreckte. Mit der Vermutung lag er gar nicht mal so falsch. Denn die Albträume wurden von Nacht zu Nacht schlimmer. Ich hatte das Gefühl, dass ich selbst in meinen Albträumen verfolgt wurde. Der Sensenmann war überall.

Mittlerweile war es Samstag Abend. Gestern war ich nicht einmal zur Arbeit in die Tankstelle gegangen. Ich spielte mit dem Gedanken dort wieder aufzuhören. Ich hatte einfach viel zu große Angst. Schon bei dem kleinsten Geräusch wurde ich paranoid und befürchtete das Schlimmste. Mein Handy hatte ich in der kompletten Zeit ausgeschaltet. Ich wollte keine Anrufe von Jayden. Er hatte mich eiskalt belogen. Ich fühlte mich verraten. Am Mittwoch war er da, aber mein Onkel hatte ihn direkt an der Haustür abgewiesen, da ich ihn einfach nicht mehr sehen wollte.

Lustlos stieg ich aus dem Bett und schlüpfte in meine Hausschuhe. In der Küche angekommen, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass ich ganz allein zu Hause war.

>> Max und ich gehen ins Kino. - O <<

Der Zettel am Kühlschrank ließ meinen Magen verkrampfen. Die konnten mich doch nicht einfach Abends ganz allein lassen! Ich begann am ganzen Leib zu zittern. Denn sobald es draußen dunkel wurde, überkam mich die Angst.

Mit wackeligen Beinen ging ich auf den Hinterausgang zu und drehte den Schlüssel gleich zwei Mal um.

Wenn ich aus dem Fenster schaute, sah ich nichts als Finsternis. Mein Verfolger könnte überall da draußen stecken. Ich zog die Jalousien herunter, da ich den Anblick nicht ertragen konnte. Im Wohnzimmer wollte ich ebenfalls die Vorhänge zuziehen, doch dann ertönte ein merkwürdiges Geräusch.

Ich zuckte zusammen.

Was war das?

Mein Herz schlug mir augenblicklich bis zum Hals. Dann stellte ich aber fest, dass es sich lediglich um einen Ast handelte, der immer wieder gegen das Fenster tippte. Der kleine Ast glich dem Finger eines Skeletts, der mich schien warnen zu wollen. Langsam verlor ich echt den Verstand.

Ich setzte mich auf die Coach und starrte auf die Uhr. 20:43 Uhr. Ich wollte, dass Max und Onkel Harry so schnell wie möglich zurückkamen. Das Ticken des Zeigers machte mich nervös und ließ jede Sekunde wie eine Ewigkeit vorkommen.

Gerade wollte ich den Fernseher anschalten, als ich plötzlich Schritte hörte. Erschrocken sprang ich aus dem Sessel. Die Schritte im Flur wurden lauter.

»Onkel Harry...?«, krächzte ich.

Es kam keine Antwort.

Panisch griff ich nach der Fernbedienung und umklammerte sie. Im Flur kam ein großer Schatten zum Vorschein.

»Wer ist da...?«

Mein Herz hämmerte wie wild gegen meinen Brustkorb.

Als der Eindringling um die Ecke kam, schrie ich auf und warf die Fernbedienung gegen seinen Kopf. Sie landete scheppernd auf dem Boden. Es war ein Wunder, dass sie nicht in ihre Einzelteile zersprang.

Erschrocken starrte ich Josh an, der sich den Kopf hielt. »Sag mal, spinnst du?«, fragte er und verzog Gesicht.

Verständnislos starrte ich ihn an. »Soll das ein Witz sein?«, quiekte ich atemlos, »Du hast mich zu Tode erschreckt! Ich dachte... ich dachte, du-« Mir brach das Wort ab. Ich wollte es nicht aussprechen, geschweige denn daran denken.

UnderratedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt