Epilog

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36 TAGE SPÄTER

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Ich atmete den Duft von frischer Erde ein. Vorsichtig platzierte ich eine weiße Rose auf dem Grabstein und strich über den Namen. Parker.

Weinen konnte ich nicht. In den letzten Wochen hatte ich nämlich die letzten Tränen vergossen. Ich starrte auf die geschwungene Schrift. Todesdatum. 25. November.

»Allyson, kommst du?«, hörte ich Joshs Stimme hinter mir. Er stand neben der Tanne und hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben. Ich nickte leicht und strich noch einmal über den Namen. Eric Parker Payton.

Nachdem herauskam, dass mein Vater und Mom sich über ein Jahr lang heimlich getroffen hatten, hatte sie mir auch noch gestehen müssen, dass er wieder den Namen Parker angenommen hatte. Im Nachhinein war ich froh darüber. Schließlich war er ein Teil der Familie. Die Narben, die ich wegen ihm trug, erinnerten mich zwar immer noch an die grausamen Tage damals, aber mittlerweile konnte ich mit ihnen leben.

Moment, ihr dachtet, ich - Allyson Parker - läge eigentlich unter dieser Erde begraben? Da habt ihr euch geirrt. Nachdem Klint mich angeschossen hatte, lag ich ein paar Tage im Krankenhaus. Er hatte mir in den Bauch geschossen. Um genau zu sein in die Seite. Ich lag ganze zwei Wochen im Krankenhaus. Zurück blieb eine hässliche Narbe. Aber daran war ich ja gewöhnt.

Für meinen Vater kam jede Rettung leider zu spät. Die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun. Ich war froh, dass ich ihm zumindest noch verzeihen konnte. Er war von mir gegangen, aber wir hatten uns im Guten getrennt - auch wenn ich es wirklich bereute, ihm nicht früher verziehen zu haben.

Ich richtete mich auf und ging zu Josh. »Fertig?«, fragte er behutsam. Ich nickte. Ich kam seit Erics Tod jede Woche einmal hierher und saß mindestens zehn Minuten am Grab. Ich stand in seiner Schuld. Wäre er nicht gewesen, wäre ich jetzt tot.

»Weisst du was?«, fragte Josh plötzlich, als wir auf dem Weg zu seinem Wagen waren, »Ich habe meinen Vater gestern angerufen... wir treffen uns am Dienstag.«

Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. »Wirklich?«, fragte ich ungläubig. Josh hatte fast ganze zwei Jahre nicht mit seinem Vater gesprochen!

Er brachte ein leichtes Lächeln zustande. »Ich will einen Neuanfang...«, meinte er zögernd, »...das, was geschehen ist, hat mir die Augen geöffnet. Ich will ihn nicht so im Stich lassen.«

Die beiden hatten keinen guten Draht zueinander gehabt und dass Josh das jetzt ändern wollte, machte mich glücklich. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn an mich. »Ich finde die Idee toll!«, grinste ich und spürte, wie er meine Umarmung erwiderte.

Ich schloss die Augen und genoss das Gefühl, das seine Nähe in mir auslöste.

»Freust du dich schon auf heute Abend?«, fragte er plötzlich.

Ich löste mich von ihm und sah in seine braunen Augen. »Ich weiß nicht...«, murmelte ich, »...ich bin nicht so in Partylaune. Ich hoffe meine Mutter übertreibt nicht.«

Josh grinste. »Aber es ist doch Silvester. Das muss man feiern!«

Ich brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Du hast Recht... aber ich finde es schade, dass mein Onkel nicht dabei sein kann...«

Nachdem Klint festgenommen wurde, hat mein Onkel alles gestanden. Klint hatte also gar keine andere Wahl gehabt, als Onkel Harrys Aussagen zu bestätigen. Schließlich wurde er ja auf frischer Tat ertappt, als er kurz davor war, mich umzubringen.

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