Teil 19 - Und das aus deinem Mund

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Wenn man liebt, fühlt man sich, als würde man fliegen. Intensive Gefühle verleiten einen zu emotionalen Taten.
Wenn man liebt, verändert man sich. Man geht Kompromisse ein, gibt nach und passt sich an.
In den letzten Monaten hatte ich mich sehr verändert. Nicht, weil ich jemand neues liebte, sondern weil ich auf eine andere Weise gelernt hatte, das Leben zu lieben.
Zwar hatte ich Harry gebeichtet, dass ich mit Lucas geschlafen hatte, doch das schlimmste wartete noch auf mich - ich musste es Lya erzählen. Ich lud sie für den nächsten Tag ein und wartete dann auf sie. Harry entschuldigte sich, da er noch etwas zu tun hatte und verschwand für den Rest des Tages. Ich war mir nicht sicher, ob er nicht doch einfach nur das ganze ausblenden wollte und deshalb ging. Als Lya kam, wusste sie gleich, dass ich ihr etwas zu beichten hatte. Sie setzte sich auf die Couch und während sie eine Schale Chips auf ihrem Schoß hatte, lag auf meinem Sammy und schnurrte. Das beruhigte mich etwas.
„Also, was hast du mir verschwiegen?", fragte Lya. Ich rollte mit den Augen, atmete tief durch und begann dann zu erzählen.
„Ich hatte vorgestern ein Date mit Lucas.", fing ich an.
„War's gut?"
„Naja, Harry hat mich in der Nacht noch bei ihm abholen müssen.", sagte ich.
„Also habt ihr nicht?", fragte Lya. Als wäre mir dieses Gespräch nicht unangenehm genug, brachte meine Freundin es auch noch genau auf den Punkt.
„Doch."
„Mary...", seufzte Lya und hielt sich die Hand vor die Augen.
„Was machst du nur?"
„Ich weiß doch auch nicht. Der Abend war ganz schön und ich hatte irgendwie Lust drauf und dann habe ich es eben getan.", sagte ich und blickte zu Sammy runter. Er schien schon fast zu schlafen.
„Wenn der Abend schön war, wieso musste Harry dich dann abholen und weiß er es?" Ich beantwortete die zweite Frage zuerst, indem ich leicht nickte.
„Ja, ich hab es auch ihm erzählt. Es ist nicht so, dass der Sex nicht gut gewesen wäre, aber als er dann anfing zu kuscheln und mir zu sagen, wie sehr er mich doch vermisst hatte, habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten. Ich habe mich angezogen und bin aus seiner Wohnung geflüchtet. Dann habe ich Harry angerufen und er hat mich abgeholt." Lya sah mich an. Nicht verurteilend oder rechthaberisch, sondern als hätte sie Mitleid mit mir.
„Ich könnte dir jetzt sagen, dass ich Recht gehabt habe, doch das wäre nicht fair. Mit dieser Nacht hast du dir wohl selber bewiesen, dass du und Lucas einfach keine gemeinsame Zukunft haben. Du scheinst dich bei ihm nicht wohl zu fühlen. Dazu, dass du dann Harry angerufen hast, muss ich ja wohl nichts mehr sagen.", sagte Lya und grinste. Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Dann verschwieg ich ihr wohl besser, dass ich danach bei Harry geschlafen hatte.
„Wo ist unser Prinz Charming überhaupt?"
„Harry hatte noch etwas vor und ist wohl bis heute Abend weg.", sagte ich und ließ Sammy los, da er von meinem Schoß springen wollte. Ich verfolgte ihn mit meinem Blick und erst als ich wieder aufsah, fiel mir auf, dass Lya mich beobachtete.
„Was?", fragte ich aus diesem Grund.
„Wie ist es so, hier zu wohnen?" Ich lächelte und fing an, die Sätze in meinem Kopf vorzuformulieren. Wie war es, mit Harry zusammen zu wohnen? Einfach?
„Es ist schön. Harry kocht täglich für uns, eine Putzfrau macht alles sauber und ich habe meine Ruhe, wenn ich es möchte. Alles in allem einfach. Man kann es wirklich genießen."
„Ich meinte hier in der Wohnung, nicht mit Harry, aber du hast es mir mehr oder weniger beantwortet.", sagte Lya und lachte. Peinlich berührt spürte ich, wie meine Wangen sich vor Scham rot färbten.
„Tut mir leid, ich bin einfach davon ausgegangen, dass du das Zusammenleben mit Harry meinst.", entschuldigte ich mich.
„Hab ich gemerkt. Sag mal, ist Harry unordentlich?", fragte Lya. Ich schüttelte lachend den Kopf.
„Harry? Nein, kein bisschen. In seinem Zimmer ist alles wie geleckt. Willst du's sehen?" Lya nickte, weshalb wir aufstanden und nach hinten in Harrys Zimmer gingen. Lya staunte nicht schlecht, als sie das große Bett und die Fensterfront sah.
„Wow, was für ein geiles Zimmer.", sagte sie.
„Jap, das ist es. Und das Bett ist so mega gemütlich!", schwärmte ich.
„Woher weißt du das denn?", fragte Lya und lachte. Das nächste Fettnäpfchen.
„Ich, ähm, also ich habe hier schon ein paar mal geschlafen, aber mehr nicht." Lya sah mich mit hochgezogener Augenbraue an und schmunzelte. Ich seufzte und setzte mich auf die Kante des Bettes.
„Ich steig nicht durch, was das zwischen euch ist. Ihr wohnt zusammen und tanzt, als wärt ihr seit Jahren ein Paar. Doch du sagst, ihr seid nur Freunde." Ich sah zu Lya, die mich von der Fensterfront aus ansah. Ich verstand, warum sie so dachte. Doch es war nun mal so; Harry und ich waren nur Freunde.
„Ich kann es dir auch nicht erklären. Es ist ja nicht so, dass ich das alles so plane und mich an irgendwelchen Regeln orientiere. Ich lasse es einfach auf mich zukommen und Harry macht es zu dem, was es letztendlich ist.", sagte ich. Lya setzte sich zu mir und lächelte mich an. Ich hoffte, dass sie endlich verstanden hatte, dass sie aufgeben konnte, doch da irrte ich mich.
„Red dir das ruhig weiter ein!", sagte sie, grinste mich an und nahm dann meine Hand, um mich aus Harrys Zimmer zu zerren.
„Ich hab Hunger, was essen wir?" Ich zuckte mit den Schultern und sah in den Kühlschrank. Doch Lya schlug ihn mir vor der Nase zu.
„Da brauchen wir doch gar nicht reingucken, du kannst nicht so gut kochen, wie Harry."
„Und das aus deinem Mund.", ertönte plötzlich eine Stimme hinter uns. Synchron drehten wir uns um. Harry stand mit Einkaufstüten in der Tür und grinste uns an.
„Perfektes Timing. Gib uns den Einkauf und fang schon mal an zu kochen.", sagte Lya und riss Harry die Tüten aus den Händen. Etwas perplex ging er zum Waschbecken und wusch sich die Hände. Als er dann zum Kühlschrank ging, strich er mit seiner Hand über meinen Rücken.

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt