Teil 55 - Bedingungen

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Alles war schwarz. Egal wo ich hinsah, entdeckte ich nur erneut schwarz. Schwarze Kleider. Schwarze Jacken. Schwarze Hüte. Schwarz. Wie der Tod.
"Bevor wir uns nun nach draußen begeben, wird Lillys Mutter ein paar Worte an uns richten.", sagte der Pastor und trat beiseite. Lillys Mutter, die noch immer sehr verweint und traurig aussah, legte ein paar Zettel parat und räusperte sich dann.
"Zuallererst möchte ich Ihnen allen danken, dass Sie heute hier erschienen sind. Dieser Tag ist nicht nur für mich schwer, also ist es schön, ihn mit Menschen zu teilen, denen Lilly wichtig gewesen ist.", sagte sie leise. Ohne das Mikrofon hätte sie wohl niemand verstanden.
Harry drückte meine Hand, weshalb ich zu ihm aufsah. Er lächelte mich aufmunternd an, was ich erwiderte. Ich war so froh, dass er mit mir hier war.
"Es fällt mir schwer, mich von meiner Tochter zu verabschieden, wo wir doch nur so wenig Zeit miteinander hatten..." Lillys Mutter redete weiter über Erinnerungen und wichtige Ereignisse, die sie mit ihrer Tochter noch hatte erleben dürfen. Ich lauschte ihr und lehnte mich an meinen Begleiter. Harry küsste mich auf den Kopf und zog mich in seine Arme.
"Besonders danken möchte ich einem Menschen, der uns diesen Tag hier ermöglicht und meiner kleinen Tochter die letzten Wochen bereichert hat. Danke, Mary-Jane, dass du so eine Unterstützung warst.", sagte sie und alle drehten sich aus diesem Grund zu mir um. Ich schluckte und lächelte, bis Lillys Mutter zum Glück fort fuhr. Nach ihrer Rede wurde der kleine Sarg nach draußen getragen und in die Erde nieder gelassen. Während die anderen Gäste rote oder weiße Rosen in das Grab warfen, hatte ich mich für Sonnenblumen entschieden. Sie erinnerten mich an das strahlende Grinsen des kleinen Mädchens und ihre lebhafte Art und Weise.
Auf meinen Wunsch hin lud Lillys Mutter die Trauergäste noch zum Leichenschmaus ein, welchen wir jedoch nicht wahrnahmen. Harry und ich fuhren nach Hause, wo ich mich erschöpfte rückwärts auf die Couch fallen. Ich hörte, wie Harry seine Jacke weghängte und dann zu mir kam. Er setzte sich neben meinen Kopf und hob diesen dann auf seinen Schoß. Ich dachte an Lilly, während Harry mir über den Kopf streichelte und zu mir hinab sah. Wir verweilten eine Weile so, bis Harry mich ansprach.
„Es ist vermutlich nicht der beste Augenblick dafür, doch wo wir jetzt grade ein paar ruhige Minuten haben, dachte ich, also, ich meine du bist immer hier und nicht dass ich das nicht mag, aber was hältst du eigentlich davon, ganz hier einzuziehen?", fragte er. Ich sah Harry die Überwindung an, die ihn diese Frage gekostet hatte. Weiterhin sah ich ihn fragend an und überlegte. Wenn ich ehrlich mit mir war, hatte ich schon länger mit diesem Gedanken gespielt. Es war weder abwegig noch ein großer Schritt, da wir eh jede freie Minute miteinander verbrachten.
Ich begann zu Lächeln, weshalb Harry seufzte. Sanft legte ich meine Hände an seine Wangen, zog ihn zu mir runter und küsste ihn.
„Es wäre mir eine Freude, hier bei dir zu wohnen.", sagte ich und küsste Harry erneut.
„Das freut mich."
Und so war es beschlossen. Schon am nächsten Tag rief ich meinen Vermieter an, um ihn über meinen Auszug zu informieren. Mr. Betskowski war zwar nicht begeistert, wünschte mir jedoch für die Zukunft alles Gute und das Gedeihen dieser jungen Liebe.
Da ich nichts an Harrys Appartement verändern wollte, lagerte ich die meisten meiner Möbel ein. Harry wollte dies nicht, doch ich versicherte ihm, dass mir das wirklich nichts ausmachte. Allerdings mussten wir uns noch über eine Bedingung meinerseits einig werden...
„Du möchtest das Gästezimmer? Wofür?", fragte Harry und stellte den Karton ab.
„Als Arbeitszimmer.", erklärte ich.
Harry schien zu überlegen und nickte schließlich.
„Ok, du kriegst das Gästezimmer. Aber nur unter einer Bedingungen.", sagte Harry und zog mich an der Hüfte zu sich. Grinsend und misstrauisch legte ich meine Arme um seinen Hals und wartete auf seine Forderung.
„Du lässt das wundervoll kurze T-Shirt zum Schlafen weg."
„Und worin soll ich dann schlafen?", fragte ich verwirrt. Anstelle einer Antwort, bekam ich von Harry ein schiefes Grinsen, gekrönt mit etwas Augenbrauenakrobatik. Ich lächelte Harry an, küsste ihn und hob dann den Karton hoch.
„Träum weiter, Schatz. Hilfst du mir mit dem schweren Karton?" Harry seufzte und folgte mir dann widerwillig.
„Das ist unfair.", murrte er.
„Wieso ist das unfair? Wir können gerne auch zwei Schreibtische hier rein stellen, dann können wir es beide nutzen.", schlug ich vor.
„Und was soll ich an dem Schreibtisch dann machen?"
„Schreiben?", erwiderte ich und lachte. Harry schien damit noch lange nicht zufrieden zu sein. Belustigt zog ich ihn uns Schlafzimmer auf das Bett und kuschelte mich an ihn, während wir aus dem Fenster sahen.
„Ich kann es ja erst mal einrichten und wenn du oder wir es einmal für etwas anderes brauchen, mache ich Platz." Harry sah mich schockiert an und erst da fiel mir auf, was ich eben so subtil angedeutet hatte.
„Oh, ich meinte jetzt nicht direkt für ein Kinderzimmer.", berichtigte ich mich.
„Ich dachte schon... nicht, dass ich keine Kinder will, aber jetzt? Bevor ich weiter darüber rede, bist du schwanger?", fragte Harry und legte seinen Kopf auf meinen Bauch. Lachend schob ich ihn runter und rollte mich auf ihn.
„Im Moment befinden sich in dieser Wohnung nur du und ich und Sammy. Wir sind ganz für uns.", hauchte ich und strich ihm eine Haarsträhne von der Stirn. Harry verstand den Wink mit dem Zaunpfahl; fuhr mit seinen Händen meinen Rücken hinab bis zu meinem Hintern.
„Gut, dass du jetzt hier wohnst, dann kann ich dich immer vernaschen, wenn mir danach ist." raunte er und begann meinen Hals zu küssen. Ich ließ mich trotz der Aussagen darauf ein und rührte mich nicht, als er uns umdrehte und so über mir war.

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt