Teil 9 - Nur ein Date

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Entgegen aller Ratschläge und der Stimme in meinem Kopf, hatte ich mich mit Lucas verabredet. Denn was hatte ich schon zu verlieren? Entweder würde es funktionieren und sich so anfühlen, als wäre da noch etwas zwischen uns oder eben nicht. Ich ließ mich mehr oder weniger überraschen.
Da noch Winterzeit war, war es schon etwas duster draußen, als ich mich in eines meiner Kleider zwängte. Natürlich hatte dieses einen Reißverschluss, der sich nur leider am Rücken befand, weshalb ich nach Harry rief.
„Ja?", antwortete er und blickte um die Ecke.
„Kannst du mir mal das Kleid schließen?" Harry nickte, kam zu mir und legte seine eine Hand an meine Hüfte, während die anderen den Reißverschluss hochzog. Ich hielt meine Haare über den Schulter und versuchte nicht zu lachen, als seine Finger mich leicht kitzelten. Als ich spürte, dass ich fest im Kleid saß, drehte ich mich zu Harry und lächelte ihn an. Seine zweite Hand war zu der auf meiner Hüfte gerutscht und ruhte dort nun, während er mich anlächelte.
„Das Kleid steht dir.", sagte er leise. Ich senkte verlegen den Blick und hoffte, dass meine Wangen nicht rot wurden. Es war ja schließlich nichts Neues, dass Harry mir Komplimente dieser Art machte. Harry legte seinen Finger unter mein Kinn und drückte es leicht nach oben, sodass ich ihm in die Augen sehen musste.
„Das muss dir nicht unangenehm sein. Bei deiner Figur steht dir fast jedes Kleid." Er flüsterte die Worte und es fühlte sich an, als würden sie wie Honig um meine Seele fließen. Eine sanfte Wärme breitete sich in mir aus und ich begann zu lächeln.
Als es an der Tür läutete, ließ Harry von mir ab und ging in Richtung Küche, während ich schnell in meine Schuhe schlüpfte und dann mit meiner Tasche in der Hand zur Tür eilte.
„Hey, Mary.", sagte Lucas und küsste mich auf die Wange.
„Können wir los?" Ich nickte und nahm mir noch schnell einen kurzen Mantel von der Garderobe.
„Wohin gehen wir?", fragte ich, doch Lucas war wie versteinert. Ich folgte seinem Blick und sah Harry am anderen Ende des Raumes stehen. Er sah finster zu uns herüber. Ich seufzte und rollte dabei mit den Augen. Dann ging ich zu ihm und zwang ihn mich anzusehen.
„Hey, es ist nur Lucas. Er hat mir nichts getan und wird es auch nicht. Es ist nur ein Date, also beruhig dich.", sagte ich und legte meine Hand an seine Wange. Harrys Miene beruhigte sich etwas und er lehnte sein Gesicht etwas in meine Hand. Ich lächelte.
„Vertraust du mir?" Harry sah erneut zu Lucas und nickte dann.
„Dir ja, nur ihm nicht.", sagte er. Ich lachte, gab ihm einen Kuss auf die Wange und ging zur Tür.
„Das reicht mir. Bis später.", rief ich und zog die Tür hinter mir zu. Dann drehte ich mich zu Lucas, der mich zwar anlächelte, doch sein Lächeln sah nicht aufrichtig aus.
„Was habt ihr Jungs nur immer mit euren Revierkämpfen?", sagte ich mehr zu mir selber und stieg in den Lift. Lucas folgte mir und legte seine Hand an meine Hüfte. Obwohl seine Hand sicher so groß war wie Harrys, fühlte sie sich anders an. Mehr oder weniger schweigend fuhren wir hinab, stiegen in das Auto von Lucas und fuhren los. Kurz darauf hielten wir vor einem Restaurant und betraten dieses. Essen gehen war zwar nicht das originellste Date, aber immerhin ein guter Anfang.
Wir setzten uns an den reservierten Tisch und bestellten die Getränke.
Hätte ich bin gewusst, worüber ich mit Lucas reden wollte, hätte ich dies nun getan, doch um ehrlich zu sein fiel mir nicht recht was ein.
„Ja, erzähl mal, wie läuft es so in der Literatur?", fragte er. Ich schmunzelte, weil er so unbeholfen und nicht so selbstbewusst wie sonst war.
„Ich hab mir erst mal eine kreative Pause genommen. Aber meine Lektorin hat mir viele interessante Jobs angeboten. Davon werde ich vermutlich einen annehmen, bis ich mit einem neuen Buch anfange." Lucas nickte und ich sah ihm an, dass er sich wirklich Mühe gab, mir zu folgen, jedoch keinerlei wahres Interesse an meiner Berufung hatte.
„Und bei dir? Wie genau läuft das jetzt ab?", fragte ich und augenblicklich erwachte Lucas zum Leben.
„Im großen und ganzen sitze ich im Büro, halte Konferenzen ab und skype um die ganze Welt. Zwar reise ich dort nicht mehr hin, doch die Zeitunterschiede machen es nicht grade leichter. Letzte Woche habe ich bis drei Uhr morgens gearbeitet, weil es in Asien so viel später ist." Als Lucas von seiner Arbeit erzählte, wirkte er wie ein anderer Mensch. Ich wusste, dass er seinen Beruf liebte und dass ihn die Literatur nicht lag, doch dieser Unterschied war mehr als nur gering. Nachdem wir das Thema Arbeit abgeharkt hatten, kamen wir irgendwann über Smalltalk zu normalen Themen und führten ein richtiges Gespräch. Es war angenehm, weil ich Lucas nicht von Neuem kennenlernen musste und in den wenigen Stunden doch Dinge an ihm entdeckte, die ich noch nicht kannte.
Nach dem Hauptgang, zwei Desserts und ein paar Gläsern Wein fuhr Lucas mich wieder zu Harry.
„Es war ein schöner Abend.", sagte Lucas, als wir vor dem Haus hielten. Ich nickte und lächelte ihn ehrlich an.
„Das war er. Danke dafür."
„Nichts zu danken.", sagte Lucas und lehnte sich etwas vor. Er tat es langsam, doch nicht sehr subtil und es war definitiv zu früh dafür. Ich gab ihm schnell einen Kuss auf die Wange und stieg dann aus. Ich fuhr nach oben und schloss die Tür zum Appartement auf, schmiss meine Schuhe zur Seite und rief nach Harry.
„Harry, bist du da?" Doch niemand antwortete. Die kleine Lampe auf dem Beistelltisch im Wohnzimmer brannte, doch mehr Leben fand ich nicht.
Etwas enttäuscht, weil ich mich auf einen gemütlich und vor allem gemeinsamen Ausklang gefreut hatte, zog ich mich in meinem Zimmer um und ließ mich aufs Bett fallen. In Gedanken starrte ich auf den Fernseher. Spät in der Nacht, es war sicher schon nach Mitternacht, hörte ich die Haustür. Erst wollte ich nach Harry schauen, doch ich entschied mich dagegen und drehte mich auf meinem Bett um, um endlich zu schlafen. Kurz bevor ich ins Reich der Träume abdriftete, hörte ich meine Zimmertür und jemanden, der versuchte leise zu mir zu gelangen. Das Bett hinter mir senkte sich, als Harry sich zu mir legte. Er kuschelte sich unter meine Decke, legte seinen Arm um mich und zog mich an sich. Sein Atem streifte meinen Hals und ich roch, dass er getrunken hatte. Doch dieses Thema hatte Zeit bis morgen.

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt