Teil 41 - Nein, du bist nicht Mary!

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Nach etwa einer Woche im künstlichen Koma hatten sich die Ärzte dafür entschieden, meinen Dad aufzuwecken. Glücklicherweise hatten sie kurz darauf festgestellt, dass keine Folgeschäden bestanden. Während meine Mum bei ihm im Krankenhaus geblieben war, um die Untersuchungen und Test zu überwachen und den Papierkram zu erledigen, war ich bereits Zuhause und räumte auf. Das wollte ich meiner Mum abnehmen. Wenn alles gut lief, würde sie später mit meinem Dad nach Hause kommen. Ich entschied etwas zu kochen, dafür musste ich jedoch erst einkaufen. Ich fuhr in den großen Supermarkt um die Ecke und ging durch die Gemüseabteilung, als mich meine alte Lehrerin ansprach.
"Mary-Jane?"
"Hallo, Mrs. Peterson. Wie geht es Ihnen?", fragte ich.
"Gut, gut, Schätzchen. Und dir? Ich habe gesehen, dass du jetzt große Karriere machst." Ich lächelte die alte Dame an.
"Auch gut. Ich kann mich nicht beschweren."
"Das mit deinem Vater tut mir sehr leid, er ist ein so guter Mann. Wie geht es ihm inzwischen?", fragte sie und putzte ihre Brille. Es erinnerte mich an früher, wo sie stets meine Lieblingslehrerin gewesen war.
"Sie haben ihn heute aus dem künstlichen Koma erweckt. Es geht ihm den Umständen entsprechend aber so weit gut.", sagte ich.
"Das ist sehr schön zu hören. Es war sehr schön, dich wieder zu sehen, Kindchen. Grüße an die Familie."
"Auf Wiedersehen, Mrs. Peterson.", rief ich ihr nach. Die alte Dame ging und ich machte mich wieder an den Einkauf. Es war merkwürdig, hier einzukaufen. Es war kaum mit dem Einkaufen in London zu vergleichen. Ach, London... Es fehlte mir schon etwas. Auch wenn es wohl möglich eher Harry war, der mir fehlte. Ich hatte auf den Rat meiner Mum gehört und mich vorerst von ihm ferngehalten. Er sollte die Zeit kriegen, die er brauchte. Auch wenn es nicht leicht war.
An der Kasse bezahlte ich den Einkauf und fuhr nach Hause, wo ich das Essen zubereitete. Auch wenn meine Mum es nicht nötig fand, hatte ich entschieden, wenigstens noch das Wochenende hier zu bleiben und ihr mit Dad unter die Arme zu greifen. Sicher würde sie es auch alleine schaffen, doch erstens hatte ich zurzeit keinerlei Verpflichtungen in London und zweitens hatte ich es nicht eilig, Harry wieder zu sehen. Auch, wenn ich mich danach sehnte.
Nachdem ich gekocht hatte, setzte ich mich etwas vor den Fernseher. Die Nachrichten informierten mich über alles was ich in London und der Welt der Reichen und Schönen verpasst hatte. Madonna hatte ihr inzwischen elftes Kind adoptiert, Prinz Harry und seine Frau erwarteten Zwillinge und Liam hatte ein neues Album herausgebracht. Es waren alles keine Nachrichten, die mich überraschten, bis es zu den weniger erfreulichen Vorfällen kam. Während die Reporterin über einen Wagen erzählte, der in der vergangenen Nacht in einen Einkaufsladen gefahren war, starrte ich auf das Bild neben mir, was das Unfallfahrzeug zeigte. Es war schwarz und unter dem Glas und Schutt konnte man die vier Ringe erkennen, die den Audi zierten. Mich erschreckte jedoch eher das Kennzeichen, welches mir nur zu gut bekannt war. Als die Reporterin kurz darauf bestätigte, was ich schon lange wusste, schluckte ich. Ob Harry wohl etwas passiert war?
Die Haustür ging auf, meine Mum stellte das Gepäck meines Vater beiseite und lächelte mich dann an. Bis sie meinen Gesichtsausdruck sah.
"Alles gut, Mäuschen?", fragte sie. Mein Dad kam zu mir und warf einen Blick auf den Fernseher.
"Mach mal etwas lauter.", sagte er. Meine Mum tat dies und stellte sich hinter mich.
"Während der Laden und das Auto nicht mehr zu retten waren, geht es den Insassen des Fahrzeuges gut. Weitere Informationen finden sie auf unsere Homepage unter..."
Ich schluckte und schaltete den Fernseher aus. Es war mal wieder so typisch, dass dies genau geschah, sobald ich nicht in London war.
Während meine Mum mir versicherte, dass es ok wäre, wenn ich fahren würde, saß ich den Rest des Tages in meinem Zimmer und überlegte, was das richtige war. Im Netz fand ich weitere Schlagzeilen über Harry. Selbst wenn sie nicht so schlimm waren, wie jene aus den Nachrichten, waren sie erschreckend. Ich hatte gedacht, dass Harry diese Seite hinter sich gelassen hatte, doch da hatte ich mich wohl getäuscht.
Leise klopfte jemand an meiner Tür und gleich darauf steckte meine Mum ihren Kopf in das Zimmer. Sie setzte sich lächelnd zu mir und nahm mich für einige Minuten in den Arm.
„Wie geht es Dad?", fragte ich.
„Gut, er schläft jetzt. Ich kann verstehen, dass du ihn nicht alleine lassen möchtest, aber es geht ihm wirklich gut, Mary. Außerdem gibt es grade jemanden,  der deiner Hilfe weit mehr bedarf." Ich sah sie an und nickte.
„Vermutlich hast du recht. Ich fahre morgen früh.", entschied ich.
„Fahr lieber noch heute, ich glaube, dein Harry braucht tatkräftige Unterstützung." Ich lächelte, weil sie wie immer dein Harry sagte. Dann packte ich meine Sachen zusammen und rief mir ein Taxi. Nachdem ich mich von meinen Eltern verabschiedet und ihnen versichert hatte, dass sie nur anzurufen hatten und ich würde sofort wieder her kommen, fuhr ich los in Richtung London. Da Harry auf die Nachrichten, die ich ihm von unterwegs schrieb nicht antwortete und ich irgendwie das Gefühl hatte, dass er wütend auf mich war, fuhr ich zuerst nach Hause. Es war lange dunkel, als das Taxi vor dem Haus hielt und ich ausstieg. Ich schrieb grade Lya, als ein Geräusch hinter dem Haus meine Aufmerksamkeit auf mich zog.
„Diese Blöde, Dumme, Beschissene... sie hat gesagt sie geht nicht und wo ist sie jetzt bitte?", murmelte jemand. Ich trat ängstlich etwas näher und realisierte schnell, dass es kein Unbekannter war.
„Harry?" Er drehte sich zu mir und funkelte mich an. Er wankte, sicher war er betrunken.
„Mary? Nein, du bist nicht Mary! Mary ist einfach abgehauen und hat mich hier sitzen lassen!", murmelte er. Er sah mich dabei nicht an. Ich trat näher, um ihn zu beruhigen, doch das stellte sich als Fehler heraus. Als ich nach seinen Arm griff, riss er mich vor sich und hielt mich zwischen sich und der Hauswand gefangen.

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt