Teil 27 - Verstecken

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Gegen Mittag läutete es an der Tür. Lya stand breit grinsend vor mir. Ich bat sie herein und bereitete uns einen Tee zu.
„Bist du gestern noch gut nach Hause gekommen?", fragte sie. Ich sah sie erstaunt an, da sie mit ihrer Frage ja mehr oder weniger direkt ins Schwarze getroffen hatte.
„Äh, ja wieso?", fragte ich scheinheilig.
„Ich hab noch gesehen, wie du in Harrys Wagen gestiegen bist und eigentlich dachte ich auch, er wäre hier." Lya lachte und rührte etwas Zucker in ihren Tee. Ich schmunzelte.
„Er hat mich nach Hause gefahren und ist dann gegangen. Nichts besonderes.", sagte ich und zuckte mit den Schultern. Dabei sah ich auf den Strudel in meinem Tee und lächelte. Ich dachte zurück an Harrys Worte, den Kuss, seine Lippen...
„Nichts besonderes also... das letzte mal, dass du so gelächelt hast, war, als du dein erstes Buch in den Händen gehalten hast. Also, bitte noch einmal von vorne mit allen schmutzigen Details." Ich sah Lya an und schluckte. Sie kannte mich einfach zu gut, als dass ich ihr etwas vormachen könnte. Wo sollte ich anfangen?
„Also-„
„Ihr habt euch geküsst.", unterbrach Lya mich. Ich sah sie überrascht an und spürte, dass meine Wangen sich rot färbten.
„Äh, naja, ja haben wir.", sagte ich. Lya begann zu quietschen und hielt sich dann erwartungsvoll die Hände vor den Mund.
„Harry hat mich her gefahren und unten habe ich ihn gefragt, ob er noch mit hochkommen möchte. Er hat gelächelt und ist mir dann gefolgt. Vor der Haustür dachte ich dann aber, dass ich doch lieber alleine sein würde und plötzlich stand er direkt vor mir. Dann hat er mich einfach geküsst und gesagt, dass er geht, wenn ich das noch möchte. Ab da war mein Hirn ausgeschaltet. Ich habe ihn am Sakko zu mir runter gezogen und geküsst. Er hat den Kuss erwidert und mich mit seinem Körper gegen die Wand gedrückt. Wir haben uns eine Weile geküsst und dann hat er gute Nacht gesagt und ist gegangen.", beendete ich die Nacherzählung.
„Wie? Das war's?", fragte Lya schockiert. Ich nickte.
„Ja, mehr nicht."
„Nicht, dass das nicht viel wäre, nachdem ihr euch monatelang angeschmachtet habt, aber was sollte der Abgang?"
„Das habe ich mich danach auch gefragt. Ich verstehe nicht mal, wieso er mich geküsst hat.", sagte ich und fuhr mir durch die Haare. Ich rückte meine Brille grade und sah wieder zu Lya. Sie sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.
„Was?"
„Wenn du dich fragst, wieso er dich geküsst hat, solltest du dich vielleicht mal fragen, wieso du ihn geküsst hast." Ich schluckte und spürte, wie mein Kopf sich erhitzte.
„Naja, es hat sich gut angefühlt."
„Weil...", führte Lya weiter. Ich runzelte die Stirn und versuchte den Satz zu vervollständigen.
„Weil Harry gut küssen kann?" Es klang mehr wie eine Frage, weil ich mir nicht sicher war, auf was Lya hinaus wollte.
„Verdammt, Mary! Du bist so ein intelligenter Mensch und doch so dumm, wenn es im Gefühle geht.", seufzte sie. Ich trank etwas Tee und sah aus dem Fenster, bis mein Handy vibrierte. Ich sah hinauf und lächelte.
„Was für ein Zufall.", sagte ich und zeigte Lya die Nachricht, in der Harry fragte, ob wir nicht vorbei kommen wollten.
„Haha, dann hast du ja jetzt genug Möglichkeiten, herauszufinden, was das zwischen euch ist.", sagte sie und stand auf.
„Heißt das, du kommst nicht mit?"
„Nein, ich bin in einer Stunde mit meiner Mum verabredet, aber geh du ruhig.", sagte sie. Ich trank meinen Tee aus und stellte die Tassen in die Küche.
„Aber nur, wenn du mich nicht mehr mit diesem Blick anschaust." Lya lachte auf und zog sich ihre Jacke über.
„Ich würde jetzt sagen Ich hab's dir ja gesagt , aber du streitest es ja noch immer ab. Viel Vergnügen mit Harry und denk immer dran, nur geschütztes Sex ist guter Sex.", rief Lya noch, als ich sie die Tür hinaus schob. Grinsend lehnte ich mich mit den Gedanken bei Harry an die Haustür und seufzte.
War es tatsächlich möglich, dass, also, dass ich mich in Harry verliebt hatte, ohne es selber zu merken? Mein erhöhter Puls wäre ein Indiz dafür. Ich lief in mein Schlafzimmer, um mir etwas Schickeres anzuziehen. Danach zog ich Jacke und Schuhe an und verließ meine Wohnung. Vor Harrys Appartement überlegte ich, ob ich meinen Schlüssel benutzen oder klingeln sollte, die Entscheidung würde mir jedoch abgenommen, als Harry die Tür öffnete und mich dann erschrocken ansah.
„Oh, hey Mary.", sagte er.
„Wieso so überrascht?"
„Ähm, naja, also irgendwie kann ich Sammy nicht finden.", sagte er verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. Ich lachte und trat an ihm vorbei in die Wohnung. Dabei strich mein Arm seinen und ein kribbeln breitete sich über meinen Oberkörper aus.
„Hast du schon überall geguckt?"
„In der Küche, im Bad, in deinem Zimmer, im Wohnzimmer.", zählte er auf. Süß, dass er das Gästezimmer noch immer als mein Zimmer bezeichnete.
„Ich helfe dir suchen.", sagte ich, ganz ohne Sorge. Wenn Sammy sich irgendwo wohl fühlte, haute er nicht ab und hier fühlte er sich definitiv wohl.
„Ich gucke mal im Schlafzimmer." Ich ging nach hinten und öffnete die Tür. Es war wie immer aufgeräumt. Dieses Mal fiel mir auf, dass das gesamte Zimmer nach Harry roch. Und es roch gut. Ich sah hinter die Regale und Kommoden und lehnte mich schließlich über das Bett, im darunter nachzuschauen.
„Hast du ihn?", hörte ich Harry fragen. Ich hob die lange Decke an und entdeckte Sammy in einer Ecke. Vorsichtig zog ich ihn heraus und drehte mich auf den Rücken. Da entdeckte ich Harry in der Tür, der mich anstarrte.
„Alles gut?", fragte ich und kraulte meinen Kater. Harry schüttelte den Kopf und lächelte mich verlegen an.
„Ja, gut, dass wir ihn gefunden haben." Ich lachte und ließ Sammy runter. Harry kam zu mir und setzte sich. Seine Hand war nur knapp neben meiner und er sah, wie ich sie betrachtete. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte er mich an. Sofort dachte ich an den Kuss. Den ersten. Und sehnte mich danach.

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt