Teil 81 - Tick Tack...

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Erschrocken blickte ich meine Mutter an. Harry neben mir hustete, weil er sich verschluckt hatte.
„Wie bitte?", fragte ich erschrocken.
„Ich habe mit Dr. Robinson geredet und denke, dass es das beste ist, wenn wir die Geräte früher abschalten."
Ich sah zu Harry, der noch immer schnell atmete und mich hilflos anblickte.
„Wir werden die nächsten Tests abwarten und dann wohl in drei Tagen die Geräte abschalten.", sagte meine Mutter ruhig. Ich war sprachlos und mehr als überfordert.
„Spätzchen... ich weiß, dass das jetzt alles sehr schnell geht, aber ich bin mir sicher, dass dies genau das ist, was dein Vater gewollt hätte. Glaub mir." Sie drückte meine Hand und stand dann auf. Ich folgte ihr mit meinem Blick und blieb bei Harry hängen. Er sah mich besorgt an und ging um den Tisch herum zu mir. Schützend legte er seine Arme um mich. So verweilten für ein paar Minuten, bis ich mich gefasst hatte. Entschlossen stand ich auf und ging nach oben an. Ich klopfte an der Schlafzimmertür und trat dann hinein. Meine Mutter saß mit dem Rücken zu mir, doch ich sah, dass sie den Bilderrahmen mit dem Hochzeitsbild in der Hand hielt. Ich setzte mich neben sie und betrachtete das Bild.
„An diesem Tag hat mein neues Leben begonnen. Wusstest du, dass ich dort bereits mit dir schwanger war?", fragte sie ruhig. Ich schüttelte den Kopf und strich über den Rahmen.
„Am Tag deiner Geburt war er so stolz. Während ich mich ausruhte lief er mit dir auf dem Armen durch das Krankenhaus und präsentierte allen stolz seine kleine Tochter."
Ich blickte vom Bild auf zum Gesicht meiner Mutter, als eine Träne auf dem Glas der Rahmens landete. Vorsichtig nahm ich sie in den Arm.
„Du weißt, dass es an der Zeit ist, ihn gehen zu lassen.", sagte sie leise.
„Es macht es nur nicht leichter."
„Niemand hat gesagt, dass es leicht wird.", wandte meine Mum ein. Sie stand auf und fing an aufzuräumen.
„Ich helfe Harry eben in der Küche. Wollen wir dann ins Krankenhaus fahren?", fragte ich. Meine Mum stoppte und drehte sich dann zu mir.
„Ich glaube, du solltest heute alleine fahren." Ich sah sie für einen Moment an und nickte schließlich. Dann verließ ich das Schlafzimmer. Unten saß Harry noch immer am Esstisch und las Zeitung.
„Alles ok?", fragte er besorgt. Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf seinen Schoß.
„Ich fahre heute alleine ins Krankenhaus, wenn das für dich ok ist."
„Natürlich, mein Engel. Soll ich dann hier bei deiner Mutter bleiben?", fragte er. Ich sah ihm tief in die Augen und spürte in mir die Erleichterung, dass ich ihn bei mir hatte.
„Nur wenn es dir nichts ausmacht.", sagte ich.
„Für dich würde ich alles tun." Ich küsste Harry und stand von seinem Schoß auf. Wir räumten die Küche auf und dann ging ich mich anziehen. Ich brauchte etwas länger, aber dann fuhr ich los.
Im Krankenhaus fand ich meinen Dad nicht alleine vor.
„Tante Lissi.", sagte ich überrascht. sie stand von Stuhl auf und schloss mich in ihre Arme. Ich sah meine Tante nicht sehr häufig, da sie inzwischen nicht mehr in England wohnte. Trotzdem freute ich mich immer sehr, die Schwester meines Vaters zu sehen.
„Mary, wie geht es dir?", fragte sie. Ich setzte mich zu ihr und wir redeten über alles mögliche. Dabei umgingen wir geschickt alles, was mit meinem Vater zu tun hatte.
„Jetzt ist es also so weit.", seufzte meine Tante. Ich drückte ihre Hand und nickte traurig.
„Ja, wir müssen ihn gehen lassen."
„Wie geht es dir damit?", fragte sie.
„Nicht gut. Ich hatte nicht damit gerechnet, Dad oder Mum so früh zu verlieren."
„Das ist auch nicht natürlich, mein Schatz. Doch dein Vater war schon immer derjenige, der nicht das tat, was man von ihm erwartete.", sagte meine Tante und brachte mich damit zum schmunzeln.
„Er war schon jemand ganz besonderes.", fügte sie hinzu.
„Das war er.", sagte ich.
„Und ein unglaublicher Vater."
„Ich habe gehört, dass er deinen neuen Freund vergraulen wollte.", sagte meiner Akte mit hochgezogener Augenbraue. Ich lachte auf und sah zu meinem Dad. Ja, so war er gewesen.
„Er hat es versucht, aber Harry ist ziemlich hart im Nehmen.", sagte ich.
„Harry also. Ich würde ihn zu gerne mal kennen lernen." Ich lächelte meine Tante an und blickte dann auf den piependen Monitor. Plötzlich erklang ein lauter Piepen, das anders klang als die bisherigen. Kurz darauf liefen Menschen in den Raum und drängten uns hinaus. Ich schnappte Wortfetzen auf, die mich darauf schließen ließen, dass mein Vater einen Herzstillstand hatte. Ich klammerte mich an meine Tante und ließ mich von ihr in den Warterraum führen. Dort rief ich Harry an.
„So habe ich mir das mit dem Kennenlernen nicht vorgestellt.", sagte sie schockiert und drückte mich an sich.
„Was machen wir jetzt?", fragte sie.
„Wir warten. Sein Arzt wird sicher gleich kommen und uns alles erklären." Meine Tante nutzte die Wartezeit um ihren Mann anzurufen und über alles zu informieren. Dr. Robinson ließ nicht lange auf sich warten.
„Mrs. Hensley? Die Lage hat sich etwas verändert.", sagte er, ich nickte nur.
„Meine Mutter ist auf dem Weg, wenn sie noch kurz warten würden."
„Natürlich.", sagte er und setzte sich zu uns. Kurz darauf kam meine Mum mit Harry. Ich drückte mich an ihn, während meine Mum sich Halt bei Tante Lissi suchte. Dann setzten wir uns und der Arzt erklärte uns, was eben passiert war. Wie es aussah, würde mein Dad die nächsten Tage nicht überleben. Er rieht uns, uns zu verabschieden und uns auf seinen Tod vorzubereiten, wenn das überhaupt möglich war. Nach dieser Nachricht setzten wir uns alle in das Zimmer meines Vaters. Wir schwiegen erst, doch dann ergriff meine Mutter das Wort.
„Nach dem ersten Herzinfarkt bat er mich, ihn neben seiner Familie zu begraben. Ich habe alles organisiert und so wird die Beerdigung ungefähr eine Woche nach seinem Tod stattfinden.", sagte sie ruhig, doch dann bröckelte die Fassade und sie begann zu weinen.

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt