Teil 40 - Ärztlicher Rat

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„Können Sie mir bitte endlich sagen, was mit meinem Mann ist?", flehte meine Mum. Ich hob den Kopf an, wischte mir die Tränen von der Wange und ging zu ihr. Sie warf sich in meine Arme, während die Schwester nur wieder betreute, dass der Arzt sicher gleich kommen würde.
Ich zog meine Mum zu den Stühlen und setzte mich neben sie. Sie drückte meine Hand und schniefte.
„Es war so schlimm, als ich ihn gefunden habe..." Ich streichelte ihr über den Rücken und versuchte nicht wieder zu weinen. Eigentlich hätte ich müde sein müssen, doch mein Körper unterdrückte die Müdigkeit gekonnt.
„Mrs. Hensley?" Vor uns erschien ein Mann in weißen Kittel mit Klemmbrett in der Hand.
„Ja?"
„Sie können gleich zu ihrem Mann, doch vorher möchte ich Ihnen noch erläutern, wie genau es jetzt mit seiner Verfassung aussieht." Meine Mum nickte, der Arzt begann zu erklären.
„Zu allerart, Ihrem Mann geht es gut. Wir vermuten, dass keine Folgeschäden bleiben werden."
„Vermuten?", fragte ich. Der Arzt seufzte.
„Es ist so, dass wir ihn in ein künstliches Koma versetzen mussten, um die Schäden zu minimieren. Er hat gut auf die Medikation reagiert und deshalb vermuten wir, dass wir ihn in wenigen Tagen wieder aufwecken können." Meine Mum schluchzte und lehnte sich an mich. 
„Wenn Sie möchten, können Sie jetzt zu ihm.", sagte der Arzt und führte uns zu dem Zimmer, in dem mein Dad lag. Er war an ein Beatmungsgerät angeschlossen und das gleichmäßige Piepen seines Herzschlages hatte etwas Beruhigendes. Während meine Mum sofort seine Hand ergriff und mit ihm redete, bedankte ich mich bei dem Arzt und ging dann um das Bett herum. Er sah etwas gespenstig aus, doch ich war so froh, dass er noch lebte.
Wir blieben noch eine Weile und fuhren dann schließlich nach Hause. Meine Mum weinte nicht mehr, doch sprechen tat sie auch nicht. Zuhause angekommen machte ich ihr einen Tee, bevor sie zu Bett ging. Erschöpft setzte ich mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an. Doch auf das Programm sah ich nicht. Stattdessen holte ich mein Handy hervor und sah durch meine Nachrichten. Ich hatte ein paar von Lya. Sie hatte ich  angerufen, als ich in London losgefahren war. Direkt nachdem ich Harry nicht hatte erreichen können. Ich antwortete Lya und legte mein Handy dann gähnend beiseite. Ich war so erschöpft. Anscheinend sogar so erschöpft, dass ich auf der Couch einschlief. Am nächsten morgen weckte meine Mum mich zärtlich.
„Guten morgen, Schatz.", sagte sie und lächelte mich an. Sie sah sehr müde und ausgelaugt aus.
„Morgen, Mum. Wie geht es dir?", fragte ich und setzte mich auf.
„Abgesehen von den Kopfschmerzen und Sorgen, gut. Wieso hast du nicht oben geschlafen?" Wir gingen in die Küche und frühstückten etwas, bevor wir wieder ins Krankenhaus fuhren.
„Ich bleibe hier, bis es Dad wieder besser geht.", sagte ich, als wir die Lobby des Krankenhauses betraten.
„Das musst du nicht, Mary. Du hast doch deinen Job und deinen kleinen Kater."
„Ich kann mir aussuchen, wann ich arbeite, Mum. Und Sammy ist noch bei Harry, also brauche ich mir darüber keine Gedanken machen. Du brauchst auch gar nicht mit mir darüber diskutieren, ich bleibe, keine Widerrede." Meine Mum lächelte und sagte nichts mehr. Wie betraten das Krankenzimmer, wo mein Dad noch genau wie gestern lag.
„Ich hole noch schnell etwas Tee.", sagte ich, um meiner Mum etwas Zeit mit Dad zu geben. Am Ende des Ganges ging ich zu einem Automaten und kaufte zwei Becher Tee.
„Ihrem Vater geht es etwas besser." Ich drehte mich um und entdeckt den Arzt, der uns gestern aufgeklärt hatte.
„Hallo, tatsächlich?", fragte ich. Er nickte und kaufte sich einen Kaffee.
„Ja, seine Vitalzeichen haben sich verbessert. Ich hätte Sie beinahe nicht erkannt, Mrs. Hensley.", sagte er.
„Erst als ich Ihren Namen aussprach, stellte ich die Verbindung her. Ich bin sehr erfreut, Sie kennen zu lernen." Ich lächelte und trat den Rückweg an.
„Ich bin großer Fan Ihrer Bücher.", sagte er mir folgend.
„Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen gerne eines meiner Bücher signieren." Der Arzt sah mich überrascht an, als ich mich von ihm anwandte und das Zimmer von meinem Dad betrat.
„Da fand dich aber jemand interessant.", sagte meine Mum und grinste. Ich zuckte mit den Schultern und reichte ihr ihren Tee. Dann setzte ich mich auf den Stuhl am Fenster.
„Er hat gesagt, dass Dads Werte besser geworden sind.", sagte ich und nippte an meinem Tee.
„Das ist schön. Ist er denn nett?"
„Mum!", sagte ich schockiert.
„Was denn? Bis jetzt hast du mir nicht bestätigt, dass du vergeben bist. Also wieso so schockiert?" Ich schüttelte den Kopf und schmunzelte. Natürlich hatte ich ihr nicht gesagt, dass ich vergeben war, denn ich war es nicht. Nicht mal annähernd.
„Möchtest du darüber reden?", fragte sie, als wüsste sie genau, was für ein Chaos in mir herrschte. Ich seufzte und stellte meinen Becher vorsichtshalber beiseite.
„Es ist, also, ich kann dir nicht mal sagen, was es ist! Seit Wochen gibt es Momente, in denen er sich verhält, als würde er mehr für mich empfinden. Doch im nächsten Moment weist er mich von sich und geht auf Abstand. Das macht mich alles so verrückt.", seufzte ich. Meine Mum lachte leicht und während ich zu ihr blickte, sah sie meinen Dad an und streichelte seine Hand.
„Ich vermisse es nicht, jung zu sein. Es ist verwirrend und aufregend. Die Liebe ist ein die durchwachsendes Spiel. Dein Dad war deinem Harry früher sehr ähnlich. Es hat und Weile gedauert, bis wir uns gefunden hatten. Dadurch, dass dein Dad damals keinen Job hatte, hat er sich nicht als gut genug gesehen, mir den Hof zu machen. Auch wenn mein Herz ihm schon lange gehört hatte. Vielleicht geht es deinem Harry ja ähnlich.", sagte sie. Ich sah aus dem Fenster und dachte an Harry, der jetzt wohl in London saß und sich beschäftigte. Ob er wohl auch an mich dachte...
„An deiner Stelle würde ich ihm etwas Zeit lassen. Wenn du diese jedoch nicht hast, zeig ihm, was er an dir hat und wieso er sich für dich entscheiden soll."

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt