Teil 36 - Um 7

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Ich war mir nicht sicher, ob ich geträumt hatte, dass Harry sich von mir verabschiedet hatte, oder ob es wahr war. Auf jeden Fall war ich alleine, als ich aufwachte.
Ich streckte mich und lächelte. Eigentlich hatte ich mit einem Kater gerechnet, doch weder meinem Kopf, noch meinem Magen ging es schlecht. Bis auf das Gefühl von Hunger, welches mich wohl geweckt hatte. Gähnend stand ich auf und ging in Richtung Küche. Ich bog um die Ecke und blieb erschrocken stehen. Eine Frau stand in der Küche am Kühlschrank. Sie entdeckte mich und grinste.
„Oh hallo, du musst Mary sein. Ich bin Anne, Harrys Mutter.", sagte sie lächelnd und reichte mir die Hand. Ich zog verlegen das T-Shirt runter und fuhr mir durch die Haare.
„Es freut mich Sie kennen zu lernen, Mrs. Styles. Ähm, wissen Sie, wo Harry ist?" Sie schloss den Kühlschrank und setzte sich auf einen der Barhocker.
„Nenn mich doch Anne, Schätzchen. Harry und ich waren verabredet, anscheinend hat er das vergessen." Ich seufzte und überlegte, wie ich das Gespräch umlenken konnte, sodass ich mir etwas vernünftiges anziehen konnte.
„Ja, gut. Dann gehe ich mal nach hinten und rufe Harry an.", sagte ich und ließ Harrys Mutter in der Küche zurück. Sie lächelte mich an.
Kaum im Flur lief ich ins Schlafzimmer, warf mich auf das Bett und griff nach meinem Handy. Harry würde sein blaues Wunder erleben.
„Guten morgen, Mary.", trällerte er.
„Von wegen guten Morgen. Hast du vielleicht irgendetwas vergessen?" Ich setzte mich auf und suchte den Raum nach meinen Sachen ab. Harry musste sie wohl in die Wäsche getan haben. Ich zog einen langen Pulli von Harry aus dem Schrank.
„Nein, nicht dass ich wüsste. Ich habe mich heute morgen bei dir abgemeldet. Was ist denn los?"
„Was los ist? Ich bin eben aufgewacht und in deinen Sachen in die Küche gegangen, weil ich Hunger hatte und dann stand da deine Mutter.", schrie ich fast. Harry brach in lautem Gelächter aus. Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen, doch auch das half nichts.
„Hör auf zu lachen! Das war richtig peinlich!"
„Keine Sorge, für die bist du sowas wie eine Heilige. Du hast ihr immerhin ihren Sohn wieder gebracht.", sagte er lachend.
„Haha, sehr witzig.", murrte ich und zog mir den Pulli über den Kopf.
„Ich bin so in einer halben Stunde wieder da. Du kannst dich ja mit ihr unterhalten. So, wie ich sie kenne, hat sie dir inzwischen sicher schon Frühstück gemacht." Ich legte einfach auf, so wütend war ich. Dann ging ich ins Bad und suchte die Hose von Sarah wieder raus. Noch einmal wollte ich Harrys Mutter nicht ohne Hose begegnen.
„Harry kommt bald, hat er gesagt.", sagte ich zu Anne. Sie sah vom Herd auf und lächelte mich an.
„Sehr schön. Pancakes?", fragte sie. Ich nickte und setzte mich auf einen Barhocker.
„Die riechen wirklich sehr lecker.", sagte ich und nahm den Teller entgegen. Anne setzte sich neben mich und trank einen Tee.
„Als Harry klein war, hat er jeden Tag auf seine Pancakes bestanden. Wenn er keine bekam, war der Rest des Tages ein Desaster.", sagte sie und lachte. Ich lachte mit ihr.
„Nicht, dass Harry nicht süß war, wenn er schmollte, doch seine Wutausbrüche..." Anne schüttelte den Kopf.
„Ja, vor denen muss man sich in Acht nehmen.", mischte ich mit. Anne schmunzelte und drehte sich noch etwas zu mir.
„Ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber darf ich fragen, woher du kommst?" Ich schluckte das Stück Pancake runter und grinste.
„Das hat mich tatsächlich bisher noch niemand gefragt. Ich komme aus Brighton, von der Südküste. Hört man das?"
„Ein wenig. Was machst du dann hier in London, wenn du aus so einer schönen Stadt kommst?", fragte Anne. Es war privat, aber irgendwie störte es mich bei ihr nicht.
„Mein Studium und mein Job haben mich damals hierher verschlagen und daran hat sich bis jetzt nichts geändert. Außerdem sehe ich London inzwischen als mein zweites Zuhause an.", antwortete ich.
„Aber du wohnst nicht hier, oder?", fragte Anne und sah mich schockiert an. Ich schmunzelte und schüttelte den Kopf.
„Nein, ich wohne nicht hier. Vor ein paar Wochen noch habe ich hier gewohnt, weil meine Wohnung einen Wasserschaden hatte, doch das ist nun wieder bereinigt." Anne nickte lächelnd und sah zur Seite.
„Dann ist das vermutlich dein Kätzchen, das schon die ganze Zeit um meine Füße schleicht.", schlussfolgerte sie. Ich sah runter und hob Sammy auf meinen Schoß.
„Ja, das ist Sammy. Irgendwie wollte er nicht mehr zurück in meine Wohnung.", sagte ich und realisierte, dass es mir teilweise genau so ergangen war.
„Ich habe mich schon gewundert. Harry hatte es nie so mit Katzen. Er hat mal die Katze unseres Nachbarn mit dem Gartenschlauch gejagt."
„Ja, weil sie mich gekratzt hat!" Ich drehte mich um und entdeckte Harry, der zu uns kam. Er legte seinen Arm um meine Hüfte, küsste mich auf den Kopf und begrüßte dann seine Mutter. Ich hielt verlegen den Kopf gesenkt.
„Wie ich sehe, gibt es Pancakes. Perfekt.", sagte er und stellte sich mit einem Teller gegenüber von mir. Anne sah von ihm zu mir und zurück. Was sie jetzt wohl dachte?
„Ich bin froh, dass ich früher gekommen bin. So konnte ich endlich mal Mary kennen lernen. Du hast sie mir ja nie vorgestellt.", sagte sie vorwurfsvoll an Harry gewandt.
„Hat sich eben nie ergeben.", verteidigte er sich mit vollem Mund.
„Jetzt red dich nicht raus, Harold. Für so etwas muss man eben etwas Zeit finden." Anne sah mich an und lächelte. Ich sah zu Harry, der seinen Teller fixierte und aß.
„Fein, wenn mir hier niemand etwas erzählen möchte, dann machen wir es eben beim Abendessen.", sagte Anne und stand auf. Sie nahm ihre Tasche und ging in Richtung Haustür. Harry und ich folgte ihr mit etwas Abstand.
„Ich erwarte euch um 7.", war das letzt, was sie sagte, bevor sie die Haustür öffnete und ging. Ich drehte mich zu Harry um und begann zu lachen.
„Was gibt es da zu lachen?" Ich ging an ihm vorbei, griff seine Hand und zog ihn mit.
„Du bist genau wie deine Mum."

Roses (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt