Kapitel 32

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Sie sah mich zwar nicht an, wenn dann nur flüchtig, aber ich konnte einfach nicht ausmachen, wie es ihr ging nach den letzten zwei Tagen. Von alleine würde sie nicht darüber zu reden, dass war mir klar, aber ich wusste nicht, ob ich nicht irgendwie zu weit ging da nachzuhaken. Es war zu früh nachzufragen woher sie diese Verletzungen hatte... Sie hatte es bestimmt noch nicht mal Ryan und Brian erzählt und wenn, dann nicht die Wahrheit.

Ich hatte noch etwas Arbeit ihre verdammt dicke Schutzmauer zu durchbrechen, aber aufgeben kam nicht in Frage. Sie war verletzt, nicht nur von außen. Innerlich war es wahrscheinlich schlimmer und sie brauchte jemanden, auch wenn sie es selber anders sah. Und ich würde nicht weggehen, egal wie schlimm es war.

"Wie geht's dir?" Ich glaubte sie konnte mit der direkten Art mehr anfangen...

Sie war nicht überrascht, dass ich das fragte, aber trotzdem war es ihr unangenehm. "Gut." Machte sie es sehr kurz, "Dir?"

Ich hätte mit ihrer Verschlossenheit rechnen müssen, nur weil ich ihr einmal geholfen hatte, hieß das ja nicht gleich, dass sie offen über ihr Gefühle und ihrem Zustand mit mir redete. Ich musste sie dazu bringen mir zu vertrauen... wenn sie überhaupt wusste, was das war. Sie kam so rüber, als wäre sie schon seit einer langer Zeit auf sich alleine gestellt und wüsste nicht mehr, wie man auf andere eingeht und sich ihnen mit allem anvertraut... Sie tat mir so Leid, auch wenn ich noch nicht einmal wusste, was und ob überhaupt was traumatisches in ihrer Vergangenheit passiert war.

"Mir geht es gut, danke... Vor allem jetzt, wo ich keine Getränke Sorten mehr aussuchen muss." Versuchte ich die Stimmung etwas aufzulockern. Mit Erfolg, ihre ständige Anspannung schien sich etwas zu legen.

"Sarah?" Hörten wir dann plötzlich Marias Stimme aus dem Gang gleich neben uns und nur wenige Sekunden später stand sie schon bei uns. "Hey, was ma-... Rose?" Kam eher unglaubwürdig von ihr.

Verwirrt sah sie uns abwechselnd an: "Was macht ihr beiden zusammen hier unten?"

Sie hatte ihre Arme verschränkt und wartete auf einer Antwort, während sie Rose nicht einmal aus den Augen ließ. Maria war nicht sonderlich ein Menschenversteher, daher merkte sie es nicht, wie Rose sich anspannte und ihr Gesichtsausdruck noch mehr versteinerte, als es sowieso schon war. Sie mochte es gar nicht so offensichtlich gemustert zu werden.

"Sie hat mir bei tragen geholfen. Zwei Kästen waren doch etwas schwer für mich." Stellte ich mich im Blickfeld von Maria, sodass sie mir ihre Aufmerksamkeit schenken musste und aufhörte Rose es noch unangenehmer zu machen.

"Du hättest auch mich fragen können."- "Ich weiß, aber du warst beschäftigt, ich wollte dich nicht stören." Was an sich auch stimmte.

"Dann danke, dass du ihr geholfen hast." Wandte sie sich wieder Rose zu. Es beunruhigte mich irgendwie, dass Maria weniger angepisst, sondern eher nachdenklich wirkte.

"Können wir gehen?" Ich nickte und sagte nochmal Danke zu Rose, bevor ich mit Maria aus dem Lager ging und hoch zu den anderen. "Ich fahre dich nach Hause." Meinte sie dann und ehrlich, in dem Moment wäre ich lieber gelaufen... Irgendwas sagte in mir, dass die Autofahrt länger als normal sein würde.

Trotzdem stieg ich ohne Wiederrede in das Auto und ließ sie mich nach Hause fahren. Sie sagte nichts, nur die leise Musik aus dem Radio brach die Stille und das ganze 14 Minuten lang.

War sie sauer? Aber warum sollte sie? Immerhin haben ich mich nur mit Rose unterhalten... Warum spürte ich aber dann diesen gerechten Drang, dass sie wirklich sauer auf mich sein sollte?! Nur weil ich vorübergehend irgendwelche unerklärlichen Gefühle für Rose hatte? Die sich mit Sicherheit bald wieder legen würden. Ich war schließlich mit Maria zusammen und sollte mich für niemand anderen interessieren... Nur tat ich genau das für Rose und eben nicht für Maria, auch wenn wir nur wenig bisher wirklich geredet hatten und uns so gut wie gar nicht kennen. Ich wusste nicht warum, aber ich vergaß Maria komplett, wenn ich mit Rose war.

Es war ihr mehr als nur unfair gegenüber.

Aber ich konnte es nun mal nicht ändern.

Sie hielt vor meiner Wohnung, aber sagt noch immer nichts. Irgendwas war los mit ihr, nur was beschäftigte sie so? "Maria, rede mit mir." Bat ich sie deshalb und dann erst sah sie mich an mit ihren haselnussbraunen Augen... Für einen kurzen Moment, als das Lichte eines vorbeifahrenden Autos ihre Augen aufleuchten ließ, sah ich nicht mehr ihre, sondern die, die ich so liebte und schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Dieses sanfte braun mit einer leichten Karamell Farbe um die Pupillen herum... Mein Herz stoppte förmlich in diesem Bruchteil einer Sekunde zu schlagen und ich fühlte mich in dieser kurzen Zeit in einem vergangenen Moment versetzt, in dem ich so voller Glück war...

"Sarah?" Riss mich allerdings Maria wieder aus den wunderschönen Gedanken an ihr und ließ mich ihre dunkelbraunen Augen wieder sehen, die nicht im entferntesten einen ähnlichen Effekt an mir hatten, wie Sinas.

"Mh?" Ich hatte ihr überhaupt nicht zugehört und wusste nicht mal um was es ging, sie merkte es und wiederholte ihre Frage, die ich so hoffte jetzt noch nicht hören zu müssen: "Ich habe das Gefühl irgendwie nichts von dir zu wissen... Du verheimlichst mir irgendwas und ich finde, dass jetzt wirklich der Zeitpunkt gekommen ist, wo ich die Wahrheit hören sollte. Also was hat es mir dieser Kette auf sich?"

Sie hatte Recht. Sie hatte Recht, dass sie über meine Vergangenheit bescheid wissen sollte, immerhin war sie meine Freundin... Nur wollte ich es nicht erzählen. Ich wollte nicht mal daran denken. Aber es war Zeit, dass ich meinen neuen Freunden darin einweihte und ihnen meine wahre Geschichte sagte. Es würde einiges vereinfachen... Aber auch erschweren, trotzdem führte kein Weg daran vorbei...

Allerdings würde ich es nicht schaffen es mehrmals an einem Abend zu erzählen... es ging nur einmal, wenn ich das überhaupt durchhalten würde.

"Ruf Ryan und Brian an, sie sollen zur Bibliothek kommen. Wir treffen uns in einer halben Stunde dort." Stieg ich dann aus, ihre Rufe ignorierend und hoch in meine Wohnung gehend. Sie folgte mir nicht, ich nahm an, dass sie meinen Anweisungen folgte und ich dementsprechend noch eine halbe Stunde Zeit hatte mich mental darauf vorzubereiten.

Ich kämpfte jetzt schon gegen die Tränen an... Ich wusste wirklich nicht, wie ich es dann später schaffen sollte, wenn ich im Moment zusammenbrechen könnte...

Es wird hart werden.

Mehr als nur hart...

Aber ein Satz gab mir die nötige Kraft, die ich so dringend brauchte.

Ein Satz, der mir vor so vielen Jahren mal gesagt wurde und mir so viel bedeutete 'Ich werde dich nie verlassen, immer bei dir sein, egal wann du mich brauchst.' Ich hoffte es war wahr... Ich brauchte sie jetzt mehr als sonst...

Ich stand vor dem Spiegel und wischte mir die Tränen weg.

Wäre sie jetzt hier, würde sie sie mir einzelnd weg küssen und mich so lange in den Arm nehmen, bis aufhörte. Sie hätte mir gesagt, wie schön ich wäre und so stark, dass ich alles bewerkstelligen könnte... Ja, sie hätte mich aufgebaut und am Ende mir einen zärtlichen Kuss gegeben, nur um mich den ganzen restlichen Abend zu verwöhnen.

Das hätte sie gemacht.

Das hätte ich gebraucht.

Sei stark für Sina. Sie hätte dich nicht wegen ihr schwach sehen wollen, das weißt du.

Also schloss ich meine Haustür hinter mir und atmete tief durch, bevor ich die Stufen nach unten nahm in Richtung Wahrheit. In Richtung Ehrlichkeit. In Richtung Schmerz.

New Lovers 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt