Kapitel 104

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Ich blieb stehen.

Nach fast 40 Meter, die ich weiter geschlendert war, blieb ich abrupt stehen.

Warum? Weil mein Gehirn endlich mal etwas logisches zusammensetzten konnte, was mir momentan weiterhelfen würde.

Es dauerte einen kurzen Moment, bis ich mich umdrehte und zurück zum Mülleimer rannte. Zum Glück war er relativ voll, so musste ich wenigstens nicht so tief in einem öffentlichen Mülleimer greifen... und der Zettel lag auf einem Prospekt, also war es nicht so eklig für mich ihn wieder anzufassen.

Mit kalten Fingern öffnete ich den Zettel und sah mir das darauf geschriebene an.

Conro7G19R08N5929

Wie konnte ich es nicht schon früher bemerkt haben? Es war ein Code... eine Abkürzung,... es lag die ganze Zeit vor meiner Nase und ich verstand es erst nach sechs Tagen.

Conro7 stand für Conway road 7, die Straße in der die Bibliothek war und 7 war ihre genaue Hausnummer.

G 19 war Gang 19, R 08 war Reihe 08 und N 5929 war die Nummer... von einem Buch? Oder doch von etwas anderem?

Ich rannte los. Die Bücherei war nur ein paar Straßen weiter und vielleicht war ja noch Dorothea drinnen. Wahrscheinlich nicht, es war viertel vor drei in der Nacht, keine Bibliothek hatte mehr offen, aber es zu hoffen war im Moment wesentlich einfacher. Sie musste da sein, ich musste da rein kommen, ich musste einfach herausfinden, was da war.

Es könnte alles mögliche sein, in so einer großen Bibliothek konnte man so ziemlich alles verstecken und keiner würde auf die Idee kommen die ganzen Regale abzusuchen und jedes einzelne Buch von viel viel mehr als 30 000 Exemplaren abzuchecken, ob es wirklich da hin gehörte.

An sich könnte es aber auch einfach ihr Lieblingsbuch sein, oder eines, das ihrer Situation ähnelte. Ich hatte keine Ahnung,... wahrscheinlich sollte ich mir keine großen Hoffnungen machen, weil wie viel half es mir ihr Lieblingsbuch zu lesen? Ich brauchte etwas, was mir weiterhalf und nicht etwas, was mich aufhielt.

Ich hatten nicht mehr viel Zeit, der Kerl würde relativ bald, früher als sonst Rose wieder zu sich holen und Gott weiß was mit ihr anstellen.

Ich glaube, ich war noch nie so schnell gerannt, wie in dieser Nacht. Die wenigen Leute, denen ich begegnete, sahen mir verwirrt hinterher, aber ich konzentrierte mich einfach auf meinen Weg und dass ich in dieser Nässe nicht ausrutschte. Es war hart. Ja, ich war eine Person, die eine nicht besonders gute Ausdauer hatte,... trotzdem zwang ich mich bis dorthin auszuhalten. Was wirklich verdammt schwer war...!

Nach fast 10 Minuten stand ich dann endlich schwer atmend vor der großen Eingangstür der Bibliothek.

Es war ein altes, immenses Gebäude, was jeden vorbeilaufenden Fußgänger in gewissermaßen einschüchterte. Trotz ihres beträchtlichen Alters, sah man ihr nichts an. Ich hatte ein Mulmiges Gefühl. Sollte ich da wirklich reingehen und weiter nach den Rest von Rose Geheimnis suchen? Würde ich es wirklich wissen wollen, falls mir dieser Code irgendetwas bedeutendes aus ihrem Leben zeigte? ... Ich wusste es nicht. Ich kannte Rose komplette Geschichte nicht. Keiner hier kannte sie... vielleicht hatte sie einen ernsthaften Grund es so versteckt zu halten... aber wenn, warum hat sie mich überhaupt an diesen Ort gebracht? Wollte sie, dass ich endgültig alles über sie wusste?... oder brachte sie mich damit nur weiter weg von der Lösung?

Gott, es war so kompliziert...

Wieso machte ich mir darüber überhaupt Gedanken? Es wird wahrscheinlich nichts weiter als ein einfaches Buch sein, was sie irgendwann mal fasziniert hatte. Was für ein anderes Buch sollte sonst in einer öffentlichen Bibliothek sein? ...

Ich drückte die Klinke der großen Tür herunter und versuchte sie zu öffnen,... aber sie war verschlossen. Klopfen brauchte ich so oder so nicht... niemand war da, die ganzen Lichter innen waren auch aus, von daher hatte alles keinen Sinn.

Sollte ich Dorothea anrufen? ... Besser nicht, es war kurz nach drei Uhr frühs und sie schlief wahrscheinlich noch. Außerdem würde sie mich umbringen, wenn ich sie extra wegen einem simplen Buch herbat...

Ich musste mir irgendetwas anderes einfallen lassen...

Ich konnte nichts offensichtliches machen, immerhin war hinter mir eine zentrale Straße und jeder weiß, was für ein Verkehr in einer Großstadt auch Nachts herrschte.

Ich sah mir das Schloss also genauer an und es war schon mal keins der neueren Modelle. Anders gesagt: es war einfach zu knacken.

So unauffällig wie es nur ging, nahm ich eine Karte aus meinem Portmonee und nahm noch meine zurechtgebogene Spange dazu.

In weniger als zehn Sekunden sprang dich Tür auf und ließ mich in die große einsame Halle voller Bücher rein. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schaltete den Lichtschalter an. Mit einem Schlag wurde ich grell geblendet und schlug meinen Arm vor meinen Augen, solange bis sie sich einigermaßen daran gewöhnt hatten.

Ich lief schnell zur Küche, zog meinen Mantel aus und machte mir einen Kaffee. Ja, mir war erstens etwas kalt und zweites mochte ich es nebenbei einen Kaffee zu trinken, wenn ich ein Buch vor mir hatte.

Ich nahm meinen Kaffee, während ich auf den Zettel nach der genauen Position des Buches schaute und los lief.

Gang 19.
Sie war die hinterste auf der rechten Seite der Regale, was Sinn machte. Wenn ich ein Buch in einer Bibliothek verstecken würde, würde ich auch eines der hinteren Gänge nehmen. Ich lief so schnell ich nur mit einer vollen Kaffeetassen laufen konnte und brauchte trotzdem mehr als eine halbe Minute. Hatte ich schon mal erwähnt, wie verdammt groß das hier war?!

Reihe 08.
Es war einer der oberen Reihen, aber zum Glück nicht die obersten. So konnte ich wenigstens ohne Leiter hin und musste mich nur auf Zehnspitzel stellen.

Dann brauchte ich nur noch die Nummer.
Nummer 5929
Die Zahl stiegen ab 5000, um so weiter ich nach rechts zur Wand kam.

Dann war es da. Die Nummer 5929. Es war ein Buch. Das Buch, das mich für einen Moment gefrieren ließ. Ich konnte es einfach nur anstarren,... traute mich nicht es anzufassen, traute mich nicht es überhaupt näher zu kommen. Ich stand einfach nur da und sah es an.

Änderte dieses Buch meine Sicht auf Rose? Oder war es nur ein Buch, geschrieben von irgendeinem Autor, der Rose damit einfach berührt hatte?

Ich wusste es nicht.
Ich hatte irgendwie Angst davor....
Wer hatte bitte Angst vor einem Buch?

Keine Ahnung, wie lang ich da stand,... aber nach einer Weile gab ich mir einen Ruck.

Es war nur ein Buch, Sarah! Erinnerte ich mich daran und nahm es.

Es war leicht und verstaubt. Es musste schon seit einer Ewigkeit im Regal stehen, ohne rausgenommen worden zu sein. Wenn es einer von Rose Lieblingsbücher war,... warum ließ sie es dann hier verstauben?

Ich strich den Staub weg und setzte mich auf den Boden mit der Tasse neben mir.

Es war ganz in schwarz mit schneeweißen Blättern und keinem Titel. Nichts. Weder der Name des Autores, noch die Buchnummer... das einzige was ganz klein mit einem feinem, spitzen Gegenstand am unteren rechten Ende des Buches geritzt war, waren zwei ganz feine, kaum sichtbare Buchstaben.

S. S.

S. S.? War das ein Künstlername? Eine Art Unterschrift? Oder eventuell doch ein versteckter Titel?

Ich zumindest hatte noch nie von einem Buch mit dem Titel S. S. oder von einem Autoren mit dessen Namen gehört...

Ich saß also vor diesem schönen Buch und nahm genau vier Schlücke von meinem Kaffee, bevor ich es nahm, mich hinter mir an der Wand anlehnte und öffnete...

Ich begann zu lesen.
Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass das, was ich las, mein Leben komplett veränderte.

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